Erfurt, die Innenstadt ist bei bestem Wetter
Menschen in der Erfurter Innenstadt Bildrechte: IMAGO/Karina Hessland

MDRfragt Zwei Drittel für besondere Förderung des Ostens

09. Juni 2022, 05:00 Uhr

Laut einer aktuellen Studie kommen Ostdeutsche nach wie vor deutlich seltener in Führungspositionen. Der Ostbeauftragte Carsten Schneider will das ändern und Ostdeutsche in Spitzenpositionen fördern. Auch der Großteil der MDRfragt-Gemeinschaft ist der Ansicht, dass der Osten heute generell noch einer besonderen Förderung bedarf. Das ist das Ergebnis der aktuellen Befragung mit knapp 25.000 Teilnehmenden aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Bis heute finden sich in Führungspositionen in Bund und Ländern kaum Ostdeutsche. Das zeigt eine aktuelle Datenerhebung vom MDR und der Universität Leipzig. Demnach sind nur 26 Prozent der Elitepositionen in den ostdeutschen Bundesländern mit Ostdeutschen besetzt. Der Ostbeauftragte Carsten Schneider sagte dazu: "Ostdeutsche sind in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Das muss sich, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ändern".

Auch die meisten MDRfragt-Mitglieder sehen heute noch immer Defizite zwischen Ost- und Westdeutschland. So sind 68 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ansicht, dass der Osten noch immer eine besondere Förderung brauche. Ein knappes Drittel sieht das nicht so.

In den Kommentaren schreiben die MDRfragt-Teilnehmenden, warum sie eine Förderung befürworten bzw. wie diese aussehen könnte:

Die fetten Jahre der Bundesrepublik sind im Osten nicht aufzuholen. Aber durch eine vernünftige Politik könnte man den Osten etwas mehr auf die Beine helfen. Leider bleibt die Wirtschaft und Infastruktur immer noch in den alten Bundesländern, bis auf wenige Ausnahmen.

Wolfgang M., 65 Jahre, Nordhausen

Nach wie vor werden Menschen aus Ostdeutschland im Vergleich benachteiligt, siehe Führungskräfte in Firmen und Politik. Die Erfahrungen der Ostdeutschen sind nicht erwünscht. Sie werden als nicht real angesehen. Das ist ein schwerer Fehler!

Iris Z., 26 Jahre, Ilm-Kreis

Rentenarmut im Osten, geringere Besoldung im öffentlichen Dienst muss enden, Ansiedlung von 'Großunternehmen' im Osten und Förderung des Mittelstandes z.B. über ein Niedrigsteuergebiet im Osten.

Bernd O., 65 Jahre, Vogtlandkreis

Es gibt aber auch MDRfragt-Mitglieder, die sich gegen eine Förderung speziell für den Osten aussprechen:

Der Osten braucht keine extra Förderung, er braucht einfach Gleichberechtigung. Z. B. bei der Bahnanbindung, der Ansiedlung großer Firmen und Behörden, oder der Vergabe staatlicher Großaufträge.

Janine D., 39 Jahre, Chemnitz

Teilweise hat der 'Osten' die alten Bundesländer sicherlich vom Status erreicht und vielleicht sogar überholt. Die Förderung sollte daher nicht mehr nach Ost/West erfolgen, sondern nach Region und auch für die alten Bundesländer gelten.

Andreas L., 42 Jahre, Magdeburg

Vor allem Löhne und Renten sollten gefördert werden

In den Augen der meisten MDRfragt-Teilnehmenden, die sich für eine Förderung des Ostens aussprechen, sollten die Löhne und Renten gefördert werden. Wichtig ist den Befürwortenden außerdem die Unterstützung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, der Digitalisierung sowie des Verkehrs und der Infrastruktur. Weniger wichtig ist ihnen dagegen die Förderung der Wissenschaft (28 Prozent), der Landwirtschaft (25 Prozent) und des Umwelt- und Klimaschutzes (23 Prozent).

Deutliche Mehrheit sieht große soziale Unterschiede zwischen Ost und West

77 Prozent der Teilnehmenden finden, dass es auch heute noch große soziale Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt. In den Augen von gut einem Fünftel gibt es dagegen nur geringe bzw. keine Unterschiede.

In den Kommentaren beschreiben die MDRfragt-Teilnehmenden die Unterschiede:

Die Politik hat es bis heute nicht geschafft, soziale und finanzielle Gleichheit zu schaffen. Der Osten ist und bleibt eine Generation der 2. Klasse. Und dass nur in den öffentlichen und Beamtenbereichen die Lohn-/Gehalts-/Bezugsangleichung erfolgte, ist eine Schande für unseren demokratischen Staat.

Wolfgang S., 61 Jahre, Landkreis Leipzig

Ich selbst bin 24 und finde es teils befremdlich, welche Unterschiede es in Ost und West gibt, dass bspw. Löhne und Renten im Westen grundsätzlich höher sind als im Osten. Ich bin im geeinigten Deutschland geboren und aufgewachsen und trotzdem gibt es diese Unterschiede, was heutzutage einfach nicht mehr sein dürfte.

Alina D., 24 Jahre, Börde

Einige MDRfragt-Mitglieder sind aber auch der Meinung, dass die Unterscheidung zwischen Ost und West an Bedeutung verliert:

Ich finde, man sollte nicht immer noch zwischen Ost und West unterscheiden, sondern den einzelnen Menschen im Blick habe, egal wo er gerade lebt. Wir sind ein Deutschland und meine Kinder verstehen dieses ganze Gerede schon gar nicht mehr. Für sie gibt es nur den einen Staat mit seinen Bundesländern.

Anja D., 45 Jahre, Landkreis Leipzig

Es gibt auch Unterschiede zwischen Nord und Süd und zwischen Stadt und Land. Es sollte sich nicht nur auf Unterschiede zwischen Ost und West konzentriert werden.

Mandy G., 35 Jahre, Dresden

Zufriedenheit am größten mit Zustand der Dörfer und Städte

Wir wollten von den Teilnehmenden auch wissen, wie zufrieden sie persönlich mit der Angleichung der Verhältnisse zwischen Ost und West in verschiedenen Bereichen sind. Am zufriedensten zeigen sich die Teilnehmenden mit dem Zustand der Städte und Dörfer. Aber auch bei der Infrastruktur überwiegen die Zufriedenheitswerte, wenn auch nur leicht.

Unzufriedenheit am größten mit Gehältern, Renten und politischer Mitsprache

Am unzufriedensten sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dagegen mit den Löhnen und Gehältern, den Renten und der politischen Mitsprache.

Zufriedenheit in Sachsen-Anhalt geringer

In einigen Bereichen lassen sich Unterschiede zwischen den Bundesländern in den Zufriedenheitswerten ausmachen. So ist in Sachsen-Anhalt die Zufriedenheit mit dem Zustand der Städte und Dörfer mit 54 Prozent geringer als in Sachsen (62 Prozent) und Thüringen (61 Prozent). Das Gleiche trifft auf das Angebot an Arbeitsplätzen zu: Während in Sachsen-Anhalt nur 43 Prozent damit zufrieden sind, sind es in Sachsen (50 Prozent) und Thüringen (49 Prozent) etwas mehr.

Stadtmenschen sind zufriedener

Auch beim Vergleich von Stadt und Land fallen Unterschiede auf. In allen abgefragten Bereichen sind die MDRfragt-Mitglieder, die in einer städtischen Region wohnen, zufriedener. Am größten sind die Unterschiede im Bereich Infrastruktur: In der Stadt sind 60 Prozent der Teilnehmenden damit zufrieden, auf dem Land sind es 46 Prozent. Aber auch beim Zustand der Städte und Dörfer (Stadt: 63 Prozent, Land: 56 Prozent) sowie bei der politischen Mitsprache (Stadt: 37 Prozent, Land 30 Prozent) zeigen sich Unterschiede in den Zufriedenheitswerten.

Weitere Ergebnisse der Befragung


Über diese Befragung Die Befragung vom 20.05.-23.05.2022 stand unter der Überschrift:
Kann das Grunderbe für mehr soziale Gleichheit sorgen?

Insgesamt sind bei MDRfragt 61.423 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 23.05., 12 Uhr).

24.804 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 314 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.695 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 10.568 Teilnehmende
65+: 10.227 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.694 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.180 (25 Prozent)
Thüringen: 5.930 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 11.191 (45 Prozent)
Männlich: 13.558 (55 Prozent)
Divers: 55 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.


Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau extra - Der lange Weg nach oben | 21. Juni 2022 | 20:15 Uhr