Karlsruhe Bundesverfassungsgericht bestätigt Masern-Impfpflicht in Kitas und Schulen

18. August 2022, 17:21 Uhr

Die Masern-Impfpflicht in Kitas und Schulen bleibt in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht wies die Klagen mehrerer Familien zurück. Die Grundrechtseingriffe seien zumutbar, um besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen, erklärten die Karlsruher Richter und Richterinnen. Die Ärztekammer und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßten das Urteil.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Masern-Impflicht in Kitas und Schulen endgültig gebilligt und die Verfassungsbeschwerden mehrerer Familien abgelehnt. Die Grundrechtseingriffe seien zumutbar, um besonders gefährdete Menschen vor einer Infektion zu schützen, erklärte das Gericht in Karlsruhe. Geklagt hatten vier Elternpaare mit ungeimpften Kleinkindern.

Der Erste Senat entschied, der Eingriff in das Elternrecht sei "im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig". Die Annahme, Menschen ohne Impfschutz könnten andere gefährden, beruhe auf zuverlässigen Grundlagen und halte auch der strengen verfassungsrechtlichen Prüfung stand, heißt es im Urteil. Angesichts der hohen Ansteckungsgefahr und der Risiken eines schweren Verlaufs bestehe eine beträchtliche Gefährdung anderer Menschen. Das rechtfertige die Impfpflicht.

Auch Eilverfahren scheiterte

Bereits im Mai 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht die Masern-Impfpflicht in einem Eilverfahren bestätigt und die Anträge zweier Familien abgewiesen. Die Richterinnen und Richter erklärten damals, der Elternwille müsse hinter das Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib oder Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten.

Lauterbach und Ärztekammer begrüßen Urteil

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßt die Entscheidung aus Karlsruhe. Sie sei eine gute Nachricht für Eltern und Kinder. Aufgrund der Gefahren, die von einer Masernerkrankung ausgehen, sei es Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen zu vermeiden. Die Masern-Impfung sei ein Gebot der Vernunft, erklärt der SPD-Minister.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sprach von einem guten Urteil für Eltern und Kinder. Er sagte MDR AKTUELL, eine Masern-Impfung könne vor viel Schaden bewahren. Bei einer Erkrankung seien schwere Komplikationen möglich, mit bleibenden Schäden oder sogar Todesfolge. Reinhardt zufolge gibt es seit Inkrafttreten der Masern-Impfpflicht weniger schwere Fälle.

Impfpflicht gilt seit März 2020

Der Bundestag hatte die Masern-Impfpflicht 2019 beschlossen. Seit 1. März 2020 galt sie für mindestens ein Jahr alte Kinder, die neu in Kitas, Tagespflege und Schulen aufgenommen wurden. Für Jungen und Mädchen, die zu diesem Zeitpunkt schon dort waren, gab es eine Übergangsfrist bis 31. Juli dieses Jahres. Seitdem muss ein Impfnachweis vorliegen oder ein ärztlicher Attest über eine Genesung von den Masern. Das gilt auch für das Personal.

Nichtgeimpfte Kinder können vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden. An Schulen geht das wegen der Schulpflicht nicht. Wer der Masern-Impfpflicht nicht nachkommt, riskiert ein Bußgeld bis zu 2.500 Euro. Das gilt auch für Kindertagesstätten, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Auch in Flüchtlingsunterkünften, Arztpraxen und Krankenhäusern müssen Beschäftigte gegen die Infektionskrankheit geschützt sein.

Die Übergangsfrist sollte eigentlich schon im August 2021 enden. Sie war dann aber wegen der Corona-Pandemie zwei Mal verlängert worden.

Zunahme von Masern-Infektionen 2018 Grund für Impfpflicht

Auslöser der Impfpflicht gegen die hochansteckende Virusinfektion war eine Zunahme von Maserninfektionen im Frühjahr 2018, woraufhin das Robert-Koch-Institut 18- bis 44-Jährige aufforderte, den eigenen Impfschutz zu überprüfen. Ein Jahr später ließ die Bundesregierung die Einführung einer Masern-Impfpflicht für Kinder prüfen.

Warum eine Impfung gegen Masern so wichtig ist Masernviren sind extrem ansteckend. Anders als viele vermuten, geht die Krankheit nicht sofort mit den bekannten roten Punkten auf der Haut einher. Zunächst kann eine Infektion die unspezifischen Symptome einer gewöhnlichen Grippe annehmen: Fieber, Müdigkeit, Halsschmerzen. Dann aber folgt vor allem bei Erwachsenen schnell eine schwere Erkrankung.

Das Virus unterdrückt die Immunabwehr, dadurch kommt es häufig zu weiteren Folgekrankheiten wie Hirnhaut- oder Lungenentzündung. Rund ein Viertel der Infizierten müssen im Krankenhaus behandelt werden.

Bei Neugeborenen können Masern ebenfalls schwere Folgen haben, wie zum Beispiel die tödliche Gehirnerkrankung SSPE. Mütter, die gegen Masern geimpft sind, können ihren ungeborenen Kindern Antikörper weitergeben, sodass sie in ihren ersten Lebensmonaten geschützt sind. Ab elf Monaten wird eine erste Impfung empfohlen.

Für Erwachsene empfiehlt die Ständige Impfkommission eine Impfung gegen Masern für alle, die nach 1970 geboren wurden und noch gar nicht oder nur einmal in der Kindheit gegen Masern geimpft wurden oder bei denen der Impfstatus unklar ist.

Reuters, dpa, AFP, KNA, MDR (amu)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. August 2022 | 10:00 Uhr

16 Kommentare

Agnostiker am 19.08.2022

"Viel zu oft haben wir in Deutschland politische (politisch korrekte) Urteile..."
Genau hier fängt doch das Problem an. Wenn irgendwelche Hobby-Juristen von ihrem subjektiven Empfinden zu solchen allgemeinen Urteilen kommen. Natürlich ist es wichtig, dass Menschen im Rechtsstaat den Klageweg haben. Es gehört aber auch dazu, Urteile zu akzeptieren. Gerade die Anhänger der blau-braunen AfD haben damit so ihre Probleme. Jedes Urteil gegen sie, ist politisch motiviert. Fällt das Urteil im eigenen Sinne aus, sind die Gerichte auf einmal unabhängig. Da kann man genug Beispiele im Netz finden.

O.B. am 19.08.2022

Gerade zu Corona dachte ich auch oftmals das man den Leuten ein Zugeständnis macht um die ruhe im Land zu bewahren. Somit konnte man auch das grosse Ganze im Auge behalten. Zu allem nein sagen wäre nicht glaubwürdig. Wie mein Fahrschullehrer bei der Prüfung sagte, es kommen nicht 5 von 5 durch da würde man Betrug vermuten. Also einer oder zwei fallen durch egal wie gut sie fahren.
Hier in dem Fall ist es auch noch so das zb ein aufgehobenes Alkoholverbot oder eine Ausgangssperre sowieso erst im Nachhinein als rechtswidrig erkannt wurde. Kalkulierte politische Handlung denn es gibt genug rechtsexperten die sicher schon vorab wussten das es rechtswidrig ist was sie da anordnen.

O.B. am 19.08.2022

"Und warum hinterfragt man nicht, warum auch Menschen, die geimpft sind, die Symptome bekommen können?"

Man hinterfragt schon, testet, macht und tut. Aber an erste stelle steht die Mehrheit. Also erstmal rein mit dem Zeug denn der vermeintliche nutzen ist höher als das Risiko.

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