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Hörer machen ProgrammWie laufen die Vorbereitungen zur Vormundschaftsreform?

26. September 2022, 07:01 Uhr

Für Kinder, die in einem Kinderheim oder bei Pflegeeltern leben, wird ein gesetzlicher Vormund eingesetzt. Das übernimmt aktuell das Jugendamt oder ein freier Berufsvormund. Mit der Reform des Vormundschaftsrechts zum 1. Januar sollen auch ehrenamtliche Vormünder eingesetzt werden. MDR AKTUELL-Hörer Lutz Elßner fragt sich, wie sich die Familiengerichte darauf vorbereiten und wie die Ehrenamtlichen gefunden werden sollen.

Das Vormundschaftsrecht in Deutschland ist ziemlich angestaubt. Seit 1896 besteht es. Nur wenig wurde seither verändert. Doch jetzt wird am großen Rad gedreht. Die Jugendämter sollen ehrenamtliche Vormünder für Kinder und Jugendliche finden.

Das sei auch im Sinne der Kinder, sagt Paula Wenning, Fachreferentin beim Deutschen Kinderschutzbund: "Ehrenamtliche, man kann sich das vorstellen, haben mehr Zeit, mehr Kapazitäten und auch mehr persönliches Engagement. Sie stecken ganz anders in so einer Vormundschaft drin als jemand, der das als Job macht und der dann auch verdientermaßen irgendwann Feierabend hat."

Derzeit werden in Deutschland 85 Prozent der Kinder vom Jugendamt oder von Berufsvormündern betreut. In den neuen Bundesländern gibt es sogar besonders wenige ehrenamtliche Vormünder. Vormund werden kann jeder, unabhängig von Beruf oder Familienstand.

Ehrenamtler könnten ein viel vertrauteres Verhältnis zu den Kindern aufbauen, sagt Wenning: "Eigentlich regelt man alle rechtlichen Belange für das Kind. Man stellt Anträge für das Kind, guckt, wo das Kind in die Schule gehen soll. Die Kinder, die unter Jugendamtlicher Betreuung sind, haben oft viele Wechsel und der Vormund soll wirklich die Konstante für das Kind sein, die immer da ist und die großen Dinge gemeinsam mit dem Kind entscheidet."

Jugendämter suchen nach Ehrenamtlichen

Sind die Familiengerichte auf die Reform des Vormundschaftsrechts vorbereitet, fragt unser Hörer. Es scheint, die chronisch überlasteten Gerichte sind noch nicht mit der Planung für Januar beschäftigt. Aus dem zuständigen Amtsgericht in Halle heißt es, man habe sich noch nicht auskunftssicher mit der neuen Materie beschäftigt, da bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen noch ein längerer Zeitraum vergehe. Auch die Amtsgerichte in Leipzig, Chemnitz, Bautzen und Magdeburg konnten MDR AKTUELL kein Interview zum Thema geben.

Intensive Vorbereitungen laufen hingegen an den Jugendämtern. Ina Lorenz ist beim Chemnitzer Jugendamt zuständig für Amtsvormundschaft: "Es ist geplant, dass in der Presse zum Beispiel Inserate erscheinen, wo geworben wird um ehrenamtliche Vormünder. Es werden Informationsveranstaltungen sicherlich angeboten werden. Und wenn jemand von sich aus sagt, so eine Aufgabe könnte ich mir vorstellen, da hätte ich gern eine Beratung, kann er sich jederzeit bei uns im Jugendamt melden. Dann bekommt er eine Beratung."

Nach dem neuen Vormundschaftsgesetz sollen auch Pflegeeltern ermutigt werden, die Vormundschaft für ihr Pflegekind zu übernehmen. Sollten sie sich das allein nicht zutrauen, kann ihnen künftig noch ein weiterer Vormund zur Seite gestellt werden.

Große Verantwortung für Vormünder

Ina Lorenz meint, so einfach werde es aber nicht, viele ehrenamtliche Vormünder zu gewinnen. Denn die Verantwortung sei vielen zu groß: "Weil der Vormund eben auch Verantwortung für das Vermögen hat, für die Gesundheitsvorsorge, für Umgänge mit den leiblichen Eltern, die durchaus auch gefördert werden müssen, falls das Kind noch Eltern hat. Das macht es ziemlich kompliziert für den Vormund."

Diese Hürde sieht auch Paula Wenning vom Kinderschutzbund. Ihrer Ansicht nach sollten gemeinnützige Vereine finanziell gestärkt werden, um Ehrenamtliche zu unterstützen: "Ein großer Problemfaktor ist nach wie vor, wo wir die ganzen Ehrenamtlichen herbekommen? Wenn Vereine hier unterstützen sollen, dann müssen die auch entsprechend aufgestellt sein. Ehrenamtliche können damit auch nicht allein gelassen werden. Es sind oft auch sehr belastete Kinder, die unter Vormundschaft stehen."

In Chemnitz soll dafür eine Koordinationsstelle gebildet werden, erzählt Ina Lorenz vom dortigen Jugendamt: "Die kümmert sich um die Pflege und Akquirierung von Vormündern, die dann auch die Ehrenamtlichen betreut und berät und diese Stelle ist natürlich im Jugendamt anzusiedeln."

Sechs Monate hat das Jugendamt Zeit, um einen ehrenamtlichen Vormund für ein Kind zu finden. In der Zwischenzeit übernimmt das Amt oder ein Berufsvormund. Und wenn die Suche erfolglos bleibt? Dann bleibt alles beim Alten. Denn für die Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechts braucht es vor allem viele Freiwillige.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. September 2022 | 06:00 Uhr