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Weihnachtsmärkte, gemeinsames Singen, Plätzchen und Geschenke sind die Klassiker rund ums Fest. Bildrechte: picture alliance / dpa | Martin Schutt

TraditionInklusives Weihnachten - über Bräuche zum wichtigsten Fest hierzulande

25. Dezember 2022, 06:00 Uhr

Brauch ist das, was gebraucht werde, sagt die Ethnologin Juliane Stückrad. Gemeinsam mit Jana Kämpfe leitet sie die Volkskundliche Beratungsstelle in Hohenfelden. Im Interview sprechen beide über unsere Beziehung zu Weihnachten und über familiäre Gewohnheiten und Abläufe.

Das Fest "Weihnachten" ist im Gegensatz zu einigen anderen regionalen Bräuchen nicht in Gefahr - im Gegenteil, sagt die Volkskundlerin Jana Kämpfe. Sie habe das Gefühl, dass sich das Bewusstsein für Weihnachtsriten "konsolidiere". Beim Singen in der Adventszeit gebe es einen richtigen Hype. Den Menschen würde die Laiensingkultur wieder wichtiger werden, selbst für jene, die nicht im Chor organisiert seien. Oder die Tradition der Weihnachtsmärchen.

Kleine Weihnachtsmärkte in Dörfern als Orte der Begegnung

Im Dezember seien die Theater dicht gefüllt, es sei die wichtigste Zeit des Jahres für die Häuser. Auffällig sei auch, dass inzwischen in vielen kleinen Dörfern für ein paar Tage kleinste Weihnachtsmärkte abgehalten würden.

Dabei gehe es nicht um Kommerz, sondern um die Möglichkeit, sich bei Glühwein und Roster zu treffen und damit den Kontakt zur Nachbarschaft zu halten, was im Jahr sonst oft nicht möglich sei.

Lokale Bräuche werden wiederentdeckt

Insgesamt würde "eine unglaubliche Dichte an Riten" am Jahresende von den Menschen gelebt werden. Natürlich wandelten sich Bräuche. Es könne sein, dass "wir in zehn, zwanzig Jahren plötzlich wieder Phänomene haben, die schon lange tot geglaubt sind. Also auch das passiert uns in unserer Beratungspraxis immer wieder, dass wir Vereine treffen, die irgendwie einen lokalen Brauch wieder ausgegraben haben", sagt Kämpfe.

Botschaft von Weihnachten maßgeblich - nicht der Glaube

Dass sich Weihnachtstraditionen so lange halten, machen Jana Kämpfe und Juliane Stückrad vor allem an der überdauernden Botschaft fest: Hoffnung, Trost und Sehnsucht nach Frieden. Das bräuchten alle Menschen, sagt Stückrad: "Diese Friedenssehnsucht wird Weihnachten inszeniert und macht das Fest so global erfolgreich." Im 19. Jahrhundert wandelte sich Weihnachten weg vom reinen kirchlichen Fest hin zum Familien-, Kinder- und Geschenkefest.

Diese Friedenssehnsucht wird Weihnachten inszeniert und macht das Fest so global erfolgreich.

Juliane Stückrad | Ethnologin

Die Entkopplung von der Kirche biete Atheisten oder Menschen mit anderen Glauben die Möglichkeit mitzufeiern, auch wenn die christliche Idee der Geburt des Gottessohnes als Hoffnungszeichen zugrunde liege. Unter 20 Prozent liegt der Anteil der religiös gebundenen Menschen in Mitteldeutschland. Trotzdem bleibe für die gesamte Bevölkerung Weihnachten das wichtigste Fest im Jahreslauf.

Kreativer Umgang mit Bräuchen in der Weihnachtszeit

Natürlich würden verschiedene Bräuche auch der Adventszeit in Vergessenheit geraten. Dass bis Sonnenuntergang am Heiligabend eigentlich gefastet werden sollte, sei vielen Menschen kaum bewusst, so dass manche zum eigentlichen Weihnachten schon keine Plätzchen oder Glühwein mehr sehen könnten.

Früher wurde gefastet. Heute haben sich einige schon vor Heiligabend an Plätzchen, Lebkuchen und anderen Leckereien satt gegessen. Bildrechte: imago images/McPHOTO

Und sicherlich gebe es in einigen besonders religiös gebundenen Familien alljährlich die Frage, ob eher der Geschenke bringende Weihnachtsmann oder das Christkind mit seiner Heilsbotschaft im Zentrum des Feierns stehen sollte. Solche Diskussionen zeigten aber auch, wie kreativ der Umgang mit Bräuchen sei, wie aufnahmefähig und das manche Bräuche überlebensfähig seien.

Globalisierung lässt Bräuche sich wandeln

Vielleicht unterscheide sich Weihnachten damit von anderen Traditionen im Jahr - Lichtmess- oder Heischebräuche gebe es teilweise fast gar nicht mehr. Manches habe durch die Globalisierung eine andere Färbung bekommen.

Früher seien beispielsweise Kinder am Vorabend des Martinstags durchs Dorf gezogen, um sich Naschereien zu erbetteln. Diesen Brauch finde man heute kaum noch. Das Ganze nenne sich nun Halloween, sei um zwei Wochen vorverlegt und habe etwas "irgendetwas mit Geistern und Gruselfilmen zu tun", sagt Stückrad.

DDR-Kulturpolitik schuf ebenfalls Bräuche, die bis heute anhalten

Auch die DDR-Kulturpolitik habe für einen Wandel der Bräuche gesorgt, eigene Feste installiert, andere Riten verschwinden lassen. Zumindest einige Weihnachstlieder hätten überdauert und seien heute in den Neuen Ländern vielleicht im Gegensatz zur alten Bundesrepublik gut bekannt.

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MDR (jw)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 24. Dezember 2022 | 06:00 Uhr