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WirtschaftskrimiBKA: nur wenige Hinweise zu flüchtigem Wirecard-Manager

24. August 2020, 17:49 Uhr

Das Bundeskriminalamt fahndet weltweit nach dem Wirecard-Manager Marsalek. Durch eine öffentliche Fahndung an Flughäfen und Bahnhöfen Mitte August sind lediglich Hinweise im unteren zweistelligen Bereich eingegangen. Dabei geht es hier um einen der größten Betrugsskandale der Bundesrepublik.

von Mattis Kießig

Das durch die Insolvenz von Wirecard ausgelöste Beben ist nicht nur im Bankwesen, an den Aktienmärkten und in der Politik zu spüren. Auch als Kriminalfall sucht der Skandal um Wirecard seinesgleichen. Den verantwortlichen Managern drohen lange Haftstrafen. Einer der mutmaßlichen Betrüger wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Seit Jahren Berichte über mögliche Unregelmäßigkeiten

Nach dem steilen Aufstieg des Zahlungsdienstleisters Wirecard bis in den DAX, folgte im Juni 2020 der ebenso steile Absturz. Bereits in den letzten Jahren veröffentlichte insbesondere die Financial Times immer wieder Berichte über Wirecard, in denen es um mögliche Manipulationen der Bilanzen, aufgeblähte Geschäfte und nicht vorhandene Geschäftspartner in Asien ging. Daraufhin stellte die Kontrollbehörde Bafin Anzeige gegen die Journalisten der Zeitung - wegen des Verdachts der Marktmanipulation.

Experten: "Man hat nicht alle Möglichkeiten genutzt"

Weder die Bafin noch die Wirtschaftsprüfer kamen auf den Gedanken, dass an den Anschuldigungen gegen Wirecard etwas dran sein könnte. Analysten und Anlagestrategen wie Oliver Roth sehen ein Versagen der Behörden.

"Wenn eine Zeitung, die hohe Reputation genießt, die Financial Times, bei einer Darstellung bleibt, dass ein Unternehmen offenbar starke Unregelmäßigkeiten hat. Und wir reden hier auch noch von einer Branche, die eben als Finanzdienstleister auch viel mit Kundengeldern zu tun hat. Dann ist es eigentlich die Verpflichtung der Behörden, hier genau hinzuschauen und eine Sonderprüfung zu machen", erklärt Roth im Gespräch mit dem ARD-Börsenstudio. Im Bankenwesen gebe es dafür auch das Prozedere "Quick Odette". Hier könne man wie ein "Überfallskommando" überraschend Daten abgreifen. Das sei hier nicht geschehen. "Man hat nicht alle Möglichkeiten genutzt", betont Roth.

In der Bilanz fehlen 1,9 Milliarden Euro

Die Warnungen der Financial Times haben sich im Juni 2020 als wahr herausgestellt. Wirecard musste einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz überhaupt nicht existierten. Das gesamte Südostasien-Geschäft des Konzerns beruhte auf einem gigantischen Betrug. Am 25. Juni musste Wirecard Insolvenz anmelden und die Staatsanwaltschaft München I ermittelt nun wegen des Betrugs in Milliardenhöhe.

Experte: Vortäuschen von Einnahmen bereits seit 2015

Im Zentrum der Ermittlungen steht der Wirecard-Vorstand um den Vorsitzenden Markus Braun und Jan Marsalek, der insbesondere für das Asiengeschäft des Zahlungsdienstleisters zuständig war. Zentrale Vorwürfe sind gewerbsmäßiger Bandenbetrug und der besonders schwere Fall der Untreue. "Beim Vorwurf des Betrugs sollen die Beschuldigten schon 2015 die Bilanzsumme durch Vortäuschen von Einnahmen aufgebläht haben, um Wirecard finanzkräftiger dastehen zu lassen. Dadurch soll man sich Kredite bei Banken und anderen Investoren erschlichen haben", erläutert Nikolaos Gazeas, Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht.

Stichwort: Gewerbsmäßiger Bandenbetrug"Wenn sich mindestens drei Personen zusammentun, spricht das Gesetz schon von einem Bandenbetrug", erklärt Nikolaos Gazeas, Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht. Die Gewerbsmäßigkeit käme noch hinzu, weil hier zudem versucht worden sei, sich "eine Einnahmequelle dauerhaft zu erschleichen".

Welches Strafmaß ist zu erwarten?

Sollte es zu einer Verurteilung kommen, ist nach Einschätzung von Nikolaos Gazeas durchaus eine längere Haftstrafe zu erwarten, da das Strafgesetzbuch für diesen Fall ausreichend Vorkehrungen getroffen habe. "Beim besonders schweren Fall der Untreue haben wir einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren, beim gewerbsmäßigen Bandenbetrug sogar eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bis zehn Jahren. Das sind sehr, sehr hohe Strafrahmen, die in diesem Fall durchaus auch ausgeschöpft werden könnten, sollten sich die Tatvorwürfe als wahr erweisen", so Gazeas. "Für einen Totschlag zum Beispiel sieht das Gesetz fünf bis 15 Jahre vor", führt der Anwalt aus. "Wir haben bei den Straftatbeständen, die hier im Raum stehen, nur fünf Jahre weniger als das, was es gibt, wenn man einen Menschen umbringt", erklärt er. "Nur um ein Vergleich zu haben".

Marsalek mit internationalem Haftbefehl gesucht

Das Bundeskriminalamt hat vom 12. August an eine Woche lang öffentlich nach Wirecard-Ex-Vorstand Marsalek gefahndet. Wo er sich derzeit aufhält, ist nicht bekannt. In der Zeit, in der das BKA öffentlich nach Marsalek gefahndet hat, sind Hinweise im unteren zweistelligen Bereich eingegangen, teilte eine Sprecherin dem MDR auf Anfrage mit.

Es gab die Vermutung, dass er über die Philippinen nach China gereist ist. Das hat sich nicht bestätigt. Möglicherweise hat er die Behörden sogar bestochen. Nach Aussage des philippinischen Justizministers seien die Daten, die die Einreise und Ausreise des Österreichers dokumentieren sollten, gefälscht worden. Die entsprechenden Beamten seien von ihren Aufgaben entbunden worden.

Medienberichte und Recherchen legen nahe, dass er sich jetzt in Russland aufhalten soll. Das soll die Auswertung eines Journalisten ergeben haben, der Einreisedatenbanken der russischen Grenzbehörden und Flugdaten ausgewertet hat. Das britische Rechercheportal Belling-Cat berichtet, dass Marsalek in den vergangenen zehn Jahren 60 Mal in Russland gewesen sei und er soll selbst von Verbindungen zum russischen Militär und zum Inlandsgeheimdienst berichtet haben.

Der Wirtschaftskrimi im Podcast "Die Spur der Täter"

Dieses Thema im Programm:Podcast "Die Spur der Täter" | 21. August 2020 | 14:00 Uhr

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