Holocaust-Gedenktag Erinnerung an die Shoah in Deutschland

27. Januar 2023, 18:48 Uhr

Am 27. Januar vor 78 Jahren hatten sowjetische Soldaten die Überlebenden des Konzentrationslagers in Auschwitz befreit. Das Ende des deutschen Konzentrationslagers im besetzten Polen und dessen Jahrestag ist heute Holocaust-Gedenktag. Bundesweit und im Ausland wurden bei Veranstaltungen der NS-Opfer gedacht und Kränze niedergelegt.

In ganz Deutschland ist am Freitag an die Millionen von jüdischen und anderen Opfer der Nazi-Herrschaft erinnert worden. Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter: Damit das "Nie wieder" auch künftig Bestand habe, "erinnern wir am Holocaust-Gedenktag an unsere historische Verantwortung".

In einer Gedenkstunde im Bundestag, in der die Holocaust-Überlebende Rozette Kats, der LGBT-Aktivist Klaus Schirdewahn und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprachen, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, es dürfe kein Ende des Erinnerns geben. Es sei die Aufgabe jeder Generation, sich von neuem mit den Verbrechen der Geschichte auseinanderzusetzen.

Queere Opfer im Mittelpunkt 

Bas legte in ihrer Rede einen besonderen Fokus auf Menschen, die in der NS-Zeit wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität verfolgt und ermordet wurden. "Für unsere Erinnerungskultur ist es wichtig, dass wir die Geschichten aller Verfolgten erzählen", betonte die SPD-Politikerin.

Die Begriffe Holocaust und Shoah Der Begriff Holocaust stammt vom griechischen Wort "holokauston" und bedeutet Brandopfer oder auch wörtlich: "ganz verbrannt". Jüdische Menschen verwenden hier meist das hebräische Wort "Shoah" für "Katastrophe".

Erstmals hat der Bundestag am Holocaust-Gedenktag die Opfer in den Mittelpunkt gerückt, die wegen ihrer sexuellen Orientierung und Identität verfolgt wurden. 50.000 Männer wurden unter dem NS-Regime gemäß des Paragrafen 175 zu Freiheitsstrafen verurteilt. Mindestens 5.000 bis 6.000 von ihnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. Viele homosexuelle Männer seien außerdem zur Sterilisation gezwungen worden.

Die Erinnerung an diese Gruppe sei wichtig, sagte Bas, denn das Ende der Nazis sei noch kein Ende der Verfolgung dieser Menschen gewesen. Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs, der homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe gestellt hatte, wurde in Deutschland erst im Jahr 1994 abgeschafft.

Die jüdische Holocaust-Überlebende Rozette Kats berichtete im Bundestag vom Schicksal ihrer in Auschwitz ermordeten Familie. Sie begrüßte auch das Gedenken an die queeren Opfer des Nationalsozialismus, denn sie erkenne wichtige Gemeinsamkeiten mit ihrem eigenen Leben. "Wenn bestimmte Opfergruppen gar als weniger wertvoll als andere angesehen werden, dann bedeutet das am Ende nur eins – dass die nationalsozialistische Ideologie weiterlebt und leider bis heute weiterwirkt", mahnte die sichtlich bewegte 80-Jährige.

Bas: Wir haben nicht ausgelernt

Es sei gefährlich zu glauben, "wir hätten ausgelernt", warnte die SPD-Politikerin Bas einmal mehr davor, einen "Schlussstrich" unter die Geschichte zu ziehen. Eine freiheitliche Gesellschaft sei keine Selbstverständlichkeit. Das zeigten "rassistische, antisemitische, antiziganistische und queerfeindliche Taten" in der jüngeren Vergangenheit. "Mich beunruhigen auch Versuche, die Einzigartigkeit des Holocausts zu relativieren".

Bei einer Gedenkfeier in Chemnitz hat der sächsische Landtagspräsident Matthias Rößler vor neuem Antisemitismus gewarnt: "Leider ist die üble Wurzel des Antisemitismus nicht eingegangen, das zeigen die vielen judenfeindlichen Straftaten hier in unserem eigenen Land."

Marx regt Einführung jüdischer Feiertage an

In einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus hat Thüringens Vize-Landtagspräsidentin Dorothea Marx die Einführung jüdischer Feiertage in Thüringen angeregt. "Denn ich verstehe nicht, warum religiöse gesetzliche Feiertage auf christliche Religionen beschränkt sind", sagte Marx am Freitag im Thüringer Landtag. Das sei ein "ganz persönlicher Vorschlag" von ihr.

Am Rande der Veranstaltung erläuterte sie, dass jüdische Feiertage früher Bestandteil des Alltags in Deutschland gewesen seien. "Da wusste jeder, was los ist an Jom Kippur oder Rosch ha-Schana." Inzwischen sei das aber nicht mehr so, sagte Marx, die auch SPD-Abgeordnete im Parlament ist. Ihrer Meinung nach könnten gesetzlichen Feiertage die Vielfalt der Religionen zum Ausdruck bringen. Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, signalisierte Offenheit: "Da müsste ganz in Ruhe darüber gesprochen werden." Es stelle sich etwa die Frage, ob es um einen gesetzlichen Feiertag mit oder ohne Arbeit gehe.

Quellen: KNA, epd, dpa, AFP (ksc)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. Januar 2023 | 12:00 Uhr

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