Krieg Bislang 150 Holocaust-Überlebende aus der Ukraine gebracht

28. Januar 2023, 17:28 Uhr

In der Zeit vor dem russischen Einmarsch haben rund 10.000 Holocaust-Überlebende in der Ukraine gewohnt. Die Claims Conference, ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen, brachte inzwischen viele von ihnen aus dem Land. Einige wollen aber bleiben.

Boris Romantschenko hat einen Weltkrieg und drei Konzentrationslager überlebt: Buchenwald, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen. Er musste Zwangsarbeit leisten und Raketen bauen. Den russischen Angriffskrieg auf seine Heimat, die Ukraine, überstand er nicht.

Am 18. März 2022 starb er bei einem Bombenangriff auf seine Wohnung in Charkiw - knapp sieben Jahre, nachdem er als Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos für die Ukraine auf dem Appellplatz des ehemaligen KZ Buchenwald bei Weimar den Schwur von Buchenwald in russischer Sprache verlas.

Es sind Schicksale, wie das von Romantschenko, die auch die Jewish Claims Conference zu verhindern versucht. Die Claims Conference ist ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen. Sie vertritt Ansprüche auf Entschädigung jüdischer Opfer des Nationalsozialismus und Holocaust-Überlebender weltweit. Und sie kümmert sich um die Pflege der inzwischen teils hochbetagten Menschen.

Auf Pflegebedürftige aus dem Osten der Ukraine konzentriert

Allein in der Ukraine waren vor dem Krieg rund 10.000 Namen Holocaust-Überlebender bekannt. Viele von ihnen lebten allein. Um sie sorgte man sich in der Claims Conference besonders.

Es startete eine große Evakuierungsaktion. "Im April haben wir begonnen und viele ukrainische Holocaust-Überlebende aus dem Kriegsgebiet heraus geholt", so Rüdiger Mahlo, Repräsentant der Claims Conference in Deutschland. "Wir haben uns auf Menschen im Osten der Ukraine konzentriert, die pflegebedürftig und alleinstehend waren."

Seitdem wurden etwa 150 betagte Männer und Frauen über die Netzwerke der Claims Conferene aus der Ukraine heraus geholt. Viele von ihnen leben inzwischen in Deutschland, einige bei ihren Familien, für andere wurden Pflegeheime gefunden.

Nach Altenheimen in der Nähe jüdischer Gemeinden gesucht

"Bei der Suche nach Altenheimen haben wir versucht, Einrichtungen zu finden, die in der Nähe von jüdischen Gemeinden sind und das Pflegepersonal russisch- bzw. ukrainisch-sprachig ist, damit der soziale Aspekt nicht vernachlässigt wird", so Mahlo.

Doch ein Großteil der Überlebenden nahm das Angebot der Claims gar nicht an. "Viele wollten keine Evakuierung. Sie wollten in der Ukraine bleiben." Bereits vor einem Jahr, kurz nach Beginn des Krieges, hatte das auch Claims-Sprecherin Rona Sommer in Weimar gesagt. Viele der Überlebenden hätten Angst vor körperlichen und emotionalen Strapazen.

Ein Call Center vor Ort eingerichtet

Um sie kümmert sich die Claims Conference weiter vor Ort. In Kooperation mit jüdischen Sozialeinrichtungen in der Ukraine werde versucht, die Pflege so gut es geht aufrechtzuerhalten. Mahlo: "Wir haben ein Call Center eingerichtet und versuchen, die Überlebenden regelmäßig darüber zu erreichen und dadurch auch die Bedarfe zu ermitteln, die sie haben."

Aber es besteht nicht mehr zu allen Kontakt. "Von vielen wissen wir nicht, ob sie noch am Leben sind", so Mahlo. Die Sorge um die Menschen in der Ukraine ist nach wie vor groß.

Das Angebot, sie zu evakuieren, besteht weiterhin, doch große Aktionen hat es seit Monaten nicht gegeben. Die Überlebenden sind müde, sie harren aus. Die Mitglieder der Claims Conference können nur beten, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal wie Boris Romantschenko widerfährt.

MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 27. Januar 2023 | 18:00 Uhr

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