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Braucht es einen zweiten EU-Chips Act?Warum Subventionen für Europas Halbleiterindustrie so wichtig sind

18. Juni 2024, 11:43 Uhr

Europas Halbleiterindustrie braucht Subventionen, um global konkurrenzfähig zu bleiben. Ein zweiter EU-Chips Act könnte dabei helfen. In Magdeburg könnte 2025 der Bau der Chipfabriken starten, sollte die EU-Kommission in den nächsten Monaten die Gelder freigeben.

Deutschland stellt Milliarden bereit, um die Ansiedlungen von Halbleiterriesen wie Intel und TSMC zu ermöglichen. Die Ausgaben belasten den Bundeshaushalt, sind aber notwendig, um den Ausbau der europäischen Chipindustrie voranzutreiben und im globalen Wettbewerb mithalten zu können.

Subventionen alternativlos

Knapp zehn Milliarden Euro sollen nach Magdeburg fließen und fünf Milliarden Euro nach Dresden. Das ist sehr viel Geld, das der Steuerzahler aufbringen muss. Doch diese Ausgaben scheinen alternativlos. Das meint Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie.

Für Siegfried Russwurm vom Bundesverband der deutschen Industrie sind Subventionen alternativlos. Bildrechte: MDR / Sebastian Mantei

"Ich mag diese Subventionen nicht. Es ist sehr teuer, aber in dieser Branche sind die Spielregeln weltweit so, ob uns das gefällt oder nicht. Das heißt, die Alternative wäre gewesen, dass wir in Deutschland diese Technologien verlieren. Und das wäre auf lange Sicht teurer gewesen, aber auf lange Sicht extrem wichtig für unser Land. Halbleitertechnologie auch in der Art, wie sie Intel in Magdeburg machen, wird keine Konkurrenz zu Dresden im Silicon Saxony, sondern die perfekte Ergänzung. Das ist wichtig für die Kompetenz unseres Landes", sagte Russwurm.

Zusage der Bundesregierung

Noch sind die Subventionen aus dem Bundeshaushalt von der EU-Kommission nicht freigegeben. Doch es scheint keinen Zweifel zu geben, dass die Gelder kommen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte MDR SACHSEN-ANHALT, dass das Geld im Klima- und Transformationsfonds zur Verfügung stehe. "Klar ist, die Zusage der Bundesregierung steht und das Geld ist im Haushalt eingeplant. Wir sparen nicht an der Zukunft, sondern investieren", sagte Lindner.

Klar ist, die Zusage der Bundesregierung steht und das Geld ist im Haushalt eingeplant. Wir sparen nicht an der Zukunft, sondern investieren.

Christian Lindner (FDP) | Bundesfinanzminister

Baustart könnte 2025 erfolgen

In Magdeburg sollen zwei Chipfabriken in den nächsten Jahren gebaut werden. Intel will dort Chips in der Größe von 2 Nanometern bis 1,4 Nanometer bauen. Aktuell fertigt Intel an seinem Standort in Irland 4 Nanometer. Sollte die EU-Kommission in den nächsten Monaten die Gelder freigeben, könnte im kommenden Jahr der Baustart erfolgen. Das sei ein wichtiger Schritt, sagt Bernhard Kluttig, Ministerialdirektor für Industriepolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

"Ich glaube, es ist notwendig, diese Projekte zunächst einmal auf die Straße zu bringen. Aber natürlich haben wir das Ziel, 20 Prozent des Bedarfs an Chips in Europa selbst zu produzieren. Und vor diesem Hintergrund wird man die Situation weiter auch im geopolitischen Umfeld beobachten müssen, wie andere Staaten reagieren und dann die entsprechende Antwort darauf finden. Sie wissen die Haushaltslage ist zurzeit recht angespannt. Insofern sind die Mittel auch nicht unendlich verfügbar", so Kluttig.

Blickt man auf die Subventionspolitik anderer Länder, dürften die 43 Milliarden Euro, die im "EU-Chips Act" festgelegt sind, bei Weitem nicht ausreichen, um in der weltweiten Aufholjagd der Chipproduktion mithalten zu können. Denn auch in anderen Ländern der Welt wird mit Subventionen geholfen, die Chipindustrie auszubauen.

Zweiter "EU-Chips Act" könnte Bau unterstützen

Die USA zahlen 53 Milliarden zu den Krediten in Höhe von 75 Milliarden Dollar. Ähnlich sieht es in Asien aus, wo ebenfalls subventioniert wird und aktuell 80 Prozent der Chips produziert werden. Wenn Europa in diesem Wettlauf Meter machen will, müsste es weiter subventionieren etwa durch einen zweiten "EU-Chips Act". Das würde den Bau weiterer Halbleiterfabriken unterstützen. Der Bundesfinanzminister hält von diesen Plänen nicht viel.

Bundesfinanzminister Lindner hält nichts von einem Subventionswettlauf. Bildrechte: MDR / Sebastian Mantei

"Wir brauchen keinen Subventionswettlauf, auch nicht mit den USA. Ich bezweifle, dass die USA diese Art der Politik dauerhaft werden fortsetzen können, sie zahlen hohe Zinsen auf ihre Schulden. In Deutschland müssen wir die allgemeinen Rahmenbedingungen verbessern, den Arbeitsmarkt mobilisieren, Bürokratie abbauen und Energie bezahlbar machen, die Steuerlast senken, dann rentiert es sich in Deutschland auch, ohne Subventionen Geschäfte zu machen", so Bundesfinanzminister Lindner.

Blickt man in Länder wie Taiwan, Korea, USA, China und Japan, dürfte diese Empfehlung unzureichend sein. Die kostenintensive Halbleiterindustrie braucht Förderungen durch Länder, die in der Halbleiterindustrie eine Zukunft sehen. Steuererleichterungen und Bürokratieabbau, wie sie Bundesfinanzminister Lindner fordert, könnten den Prozess weiterer Ansiedlungen befördern. Doch ganz ohne Fördergelder geht es nicht. Wenn alle anderen Chip-Staaten mit milliardenschweren Förderprogrammen nachrüsten und Europa nicht aufstockt, dürfte es schwer werden, das 20-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen.

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MDR (Sebastian Mantei, Hanna Kerwin)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 18. Juni 2024 | 12:00 Uhr