ein zerbrochenes Glas in einer Küche
Glas ist aus dem Alltag nicht wegzudenken, doch leider ist es auch zerbrechlich. Bildrechte: IMAGO/YAY Images

Haushalt Bruchsicheres Glas wird weiterentwickelt

21. März 2025, 14:40 Uhr

Unter dem Namen "Superfestglas" wurde in der DDR ein Glas entwickelt, das widerstandsfähiger ist. Nach der Wende verschwanden das Unternehmen und das Glas allerdings vom Markt. Mittlerweile wurde das Verfahren von mehreren Interessierten aufgegriffen und weiterentwickelt.

Ressourcensparende DDR-Erfindung

Unkaputtbares Glas wurde einst entwickelt, weil Ressourcen fehlten. Heute kann es dazu beitragen, Ressourcen zu schonen. Mehrere Unternehmen versuchen gerade parallel, die Idee weiterzuentwickeln. Die "Superfestgläser" wurden in den 1980er-Jahren in der DDR erfunden. Der VEB Sachsenglas Schwepnitz in der Westlausitz stellte sie in mehreren Formen und Größen her.

Die Gläser wurden dank eines chemischen Verfahrens, das in einem Bad aus geschmolzenen Salz abläuft, verfestigt. Dort findet ein Austausch zwischen den kleineren Natrium-Ionen des Glases und den größeren Kalium-Ionen der Flüssigkeit statt. Die Kalium-Ionen lagern sich im Glas ein und erzeugen so Oberflächenspannung. Das wiederum sorgt dafür, dass das Glas besonders fest wird. Bis zu 36 Stunden und unter Temperaturen von mehreren hundert Grad wird jede Gläser-Charge behandelt. Trotzdem werden fast 120 Millionen Gläser bis zum Produktionsende 1990 in Schwepnitz hergestellt.

Das Aus für die Superfestserie kam mit der Wende. Ein Glas, das nicht so schnell zerbricht, ist für die Glasindustrie in der Marktwirtschaft kein gutes Geschäft. Das Unternehmen wurde 2000 aufgelöst.

Start-Up aus Freiberg bietet Glasindustrie Verfahren an

An der Bergakademie Freiberg forschte Martin Groß schon seit 2010 zur Verhärtung von Glas. Er hat – basierend auf den DDR-Erkenntnissen – als einer der ersten ein Verfahren zur Verhärtung von Glas entwickelt und patentieren lassen. Darüber berichtete das MDR-Erfinderformat "Einfach Genial" im Februar.

Sein Verfahren läuft in drei Phasen:

  • Phase eins: Die Gläser der Kunden werden vorgewärmt.
  • Phase zwei: Im Hitzeofen werden die Gläser auf Betriebstemperatur gebracht.
  • Phase drei: Ein Bad in flüssigem Salz für die chemische Reaktion des Ionenaustauschs. Die Gläser werden im Innern der Anlage direkt in das heiße Salz gekurbelt.

Wie lange das Verfestigen dauert, hängt von Form und Größe des Glases ab. "Aus Gründen der Geheimhaltung kann ich nicht in die Details zu unserem Verfahren gehen. Aber unser Verfahren ist deshalb so viel schneller als das Verfahren von den Superfestgläsern der DDR, weil wir in den Vorwärmprozess eingreifen und dort die Prozessführung verändern", erläutert Glastechnologe Martin Groß.

Zusammen mit mehreren Investoren hat er eine Firma gegründet, die das sogenannte ReVisalt-Verfahren an die Glasindustrie verkauft. "Wir gehen erst mal davon aus: Ja, es wird sich durchsetzen", sagt er.

Wir haben uns dafür ausgesprochen, möglichst nachhaltiger zu sein. Und wenn das bedeutet, dass die Flasche länger hält, dann sollte die Flasche auch länger halten, weil wir denken, dass es für die Natur, die Umwelt und für uns einfach die bessere Entscheidung ist.

Steve Köhler vom Start-Up Soulproducts

Verwendet wird das Verfahren bereits von dem Berliner Start-Up Soulproducts. Seit 2012 kümmert sich das Unternehmen um die Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Trinkflaschen aus Glas. Für eine neue feste Flasche, die im Frühjahr in den Handel kommen soll, wird nun das Verfahren zum Einsatz. 35 Euro soll die neue Flasche wohl kosten, circa fünf Euro mehr als eine normale Flasche.  "Wir haben uns dafür ausgesprochen, möglichst nachhaltiger zu sein. Und wenn das bedeutet, dass die Flasche länger hält, dann sollte die Flasche auch länger halten, weil wir denken, dass es für die Natur, die Umwelt und für uns einfach die bessere Entscheidung ist", sagt Steve Köhler vom Start-Up Soulpoducts.

Auch in Bayreuth wird geforscht

An der Universität Bayreuth wird schon seit einigen Jahren am Zentrum für Materialforschung zu festem Glas geforscht. "Es war gar nicht notwendig, dass man zurückging in die alten DDR-Dokumente, weil dieses Superfestglas – das Prinzip, wie man die Festigkeit steigert – ist nie verschwunden. Dieses Verfahren bildet die Grundlage für unsere gesamten Displaytechnologien. Dass unsere Smartphonedisplays heute so bruchsicher sind, basiert alles auf diesem Verfahren", sagt Thorsten Gerdes, Leiter des Keylabs für Glastechnologie in Bayreuth.

Dieses Verfahren bildet die Grundlage für unsere gesamten Displaytechnologien. Dass unsere Smartphonedisplays heute so bruchsicher sind, basiert alles auf diesem Verfahren

Thorsten Gerdes, Leiter des Keylabs für Glastechnologie in Bayreuth

Alexandra Füller führt ein Unternehmen das Produktionsanlagen für die Glasindustrie herstellt. Innerhalb eines gemeinsamen Forschungsprojektes haben sie das DDR-Verfahren zur Härtung von Glas weiterentwickelt. So wurden neue Prozesswege gefunden, die das Verfahren beschleunigen, erklärt Thorsten Gerdes: "Wo man normalerweise erwarten würde, dass man mehrere Stunden braucht, können wir den Prozess heute auf vier bis fünf Minuten verkürzen. Damit sind wir in einem Bereich, wo es für den Anlagenbauer interessant ist, auch Anlagen zu konzipieren, um daraus massentaugliche Produkte zu produzieren."

In wenigen Wochen geht an der Universität eine neue Anlage an den Start, mit der ganz unterschiedliche Flaschen verfestigt werden können. Gebaut wurde die Anlage von der Firma von Alexandra Füller. "Jeder Kunde, der zu uns kommt, hat ein bestimmtes Design. Und hier haben wir die Möglichkeit zu sagen, wir quatschen nicht nur, wir probieren es aus", sagt die Unternehmerin.

Im Moment können mit der neuen Anlage pro Stunde 20 Flaschen bearbeitet werden. Das Ziel ist es, die Technik und das Verfahren für die Glasindustrie zu perfektionieren. Sodass irgendwann bruchsichere Flaschen für den Handel in Serie hergestellt werden können.   

MDR (jvo), Der Artikel wurde erstmals am 12.03.2025 veröffentlicht und nun um einige Details, die das Verfahren näher beschreiben, ergänzt.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 11. März 2025 | 20:15 Uhr

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