Vegane und vegetarische Würste und Steaks an Haken.
Sieht aus wie Wurst und Fleisch: Hier sind aber keine tierischen Produkte enthalten! Bildrechte: imago/Westend61

Fleischersatz Was ist im Fleisch drin, wenn kein Fleisch drin ist?

22. August 2022, 16:49 Uhr

Viele wollen auf tierische Produkte verzichten, aber nicht auf den Geschmack von Wurst und Fleisch. Doch was ist dann drin? Und gibt es bald Ersatzprodukte aus dem 3-D-Drucker? Dazu haben wir Christian Diekmann, einen Experten für Produktinnovation und Produktentwicklung im Bereich Lebensmittel, befragt.

Woraus bestehen Lebensmittel, die nach Fleisch schmecken, aber ohne tierische Zutaten auskommen?

Christian Dieckmann: Im Grunde gibt es zwei verschiedene Varianten von Fleischalternativen, zum einen auf der Basis von pflanzlichen Proteinen und zum anderen Laborfleisch, was sich jedoch noch in der Entwicklung und im Zulassungsprozess befindet und aktuell nur im Kleinstmaßstab hergestellt wird.

Wie werden pflanzliche Fleischalternativen hergestellt?

Christian Dieckmann: Fleischähnliche Fasern können aus Proteinen erzeugt werden. Diesen Prozess nennt man Extrusion. Bei der Extrusion von pflanzlichen Proteinen für die Herstellung von pflanzlichen Fleischalternativen wird zunächst ein Brei aus pflanzlichen Proteinen, Öl, Wasser und weiteren Zutaten hergestellt, welcher dann mit extrem hohem Druck durch eine enge Düse gepresst wird. Dadurch entsteht so viel Hitze, dass das Wasser in dem Brei verdampft und die Proteine, die natürlicherweise als Knäule vorkommen, in die Länge gezogen werden. Das Ergebnis ist dann ein langer faseriger Strang, welcher dann wie bei normalen Fleischprodukten weiterverarbeitet werden kann. Hierfür werden dann im Grunde die gleichen Maschinen verwendet, wie in einem normalen Fleischbetrieb.

Können so auch ganze "Fleischstücke" auf Proteinbasis bereits hergestellt werden?

Christian Dieckmann: Das einzige, was noch problematisch ist, ist die Herstellung ganzer Fleischstücke, da der Proteinbrei als langer Schlauch aus der Maschine kommt und so erst zerkleinert werden muss, um in die gewünschte Form gebracht werden zu können. 3D-Druck als Verfahren zur Erzeugung von Fleischalternativen ist hier nun ein neuer Ansatz, da man hier die Form einfacher bestimmen kann und auch noch eine Fettmarmorierung in das Fleischstück einbringen kann, was mit der Extrusionstechnik nicht möglich ist. Bei der Extrusion befindet sich das Fett homogen verteilt im ganzen Produkt und es gibt keine Marmorierung.

Welchen Anteil macht der pflanzlich basierte Fleischersatz aus?

Christian Dieckmann: Im Grunde basieren wahrscheinlich über 95% der Fleischersatzprodukte auf der Extrusion von pflanzlichen Proteinen. Durch diese Technologie lässt sich relativ günstig viel Masse produzieren, was besonders hilfreich ist, wenn man gegen günstige Fleischprodukte konkurrieren muss. 3D-Druck von Fleischersatzprodukten ist noch in den Kinderschuhen. Außer dem Startup "Redefine Meat" gibt es eigentlich niemanden auf dem deutschen Markt, der diese Technologie für Fleischersatzprodukte nutzt. Es wird sich hier zeigen müssen, wie skalierbar diese Technologie ist und ob mit diesem Verfahren ausreichende Mengen produziert werden können, damit am Ende des Tages auch der Preis für Kunden attraktiv ist.

Wie wird das Laborfleisch hergestellt? Wie weit ist die Entwicklung?

Christian Dieckmann: In-Vitro-Fleisch gibt es so noch nicht auf dem Markt zu kaufen und es wird mit Sicherheit noch ein paar Jahre dauern, bis wir als Konsumenten In-Vitro-Fleisch auf dem Teller haben werden. Im Grunde entnimmt man hierfür einem Tier eine kleine Gewebeprobe aus dem Muskel. Das ist eine minimalinvasive Prozedur. In dieser Gewebeprobe sind dann auch Stammzellen enthalten, die normalerweise dafür da sind, Verletzungen zu heilen. Diese Stammzellen werden nach der Entnahme dann von den restlichen Gewebezellen separiert und dann folgt die Vermehrung der Stammzellen in einer Nährstofflösung. Anschließend teilt man die vermehrten Stammzellen auf und gibt jeweils die richtigen Wachstumsfaktoren (Botenstoffe) hinzu, sodass in einem Tank Fettzellen wachsen und in dem anderen Tank die Muskelzellen. Am Ende werden Fett- und Muskelzellen zum Beispiel durch 3D-Druck so kombiniert, dass man ein Stück In-vitro Fleisch hat.

Essen wir in der Zukunft nur noch "Alt-Meat", also Fleischersatzprodukte?

Christian Dieckmann: Ich denke nicht, dass wir in Zukunft nur noch Fleischalternativen essen werden, denn Nutztiere sind nicht nur für die Erzeugung von Fleisch oder Milchprodukten wichtig. Sie sind auch ein wichtiger Bestandteil in unserer Landwirtschaft und helfen bei der Erhaltung wichtiger Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Viele Wiesenpflanzen oder auch Insekten brauchen Weideflächen, die es ohne Nutztierhaltung so nicht oder nur begrenzt geben würde. Auch sind viele Vögel auf die Weideflächen als Brutstätten angewiesen und ernähren ihre Jungen zu einem nicht kleinen Teil mit den dort lebenden Insekten. Gleichzeitig ist auf vielen heutigen Weideflächen keine lohnenswerte Landwirtschaft möglich, da sie zu nährstoffarm sind oder zu viel Neigung für den Ackerbau haben (z.B. Almen in den Alpen). Weidewirtschaft muss bzw. sollte also weiter betrieben werden und um dies ökonomisch sinnvoll zu gestalten, müssen Tiere auch für Fleisch genutzt werden. Der Anteil an Fleischprodukten in unserer Ernährung wird sich jedoch stark verringern und Massentierhaltung ohne ökologischen Mehrwert wird es in der Form, wie sie heute oft praktiziert wird, nicht mehr geben.

Was ist gesünder: Fleisch oder Ersatzprodukte?

Christian Dieckmann: Pauschal lässt sich leider nicht sagen, ob Fleisch oder Fleischalternativen gesünder sind. Es kommt immer darauf an, welche Art von Fleisch oder Fleischprodukt man vergleicht. Ein Bio-Hähnchenfilet ist wahrscheinlich gesünder als das pflanzliche Hähnchenfilet, was höchstwahrscheinlich mit einem recht hohen Salzgehalt daherkommt. Bei Wurstwaren sieht es aber wieder ganz anders aus. Hier haben viele Wurstalternativen einen geringeren Salzgehalt als das fleischige Original. Nitritpökelsalz wird in Wurstalternativen gar nicht erst eingesetzt, weil es nur in Fleischprodukten zu einer Rötung führt. Auch das in Fleisch- und Wurstalternativen eingesetzte Fett ist gesünder als bei Fleischprodukten und wird größtenteils auch sparsamer eingesetzt, sodass viele Fleisch- und Wurstalternativen mit einem geringeren Kaloriengehalt aufwarten können.

Ich sehe keine gesundheitlichen Gefahren bei Fleischersatzprodukten, wenn sie in Maßen und als Teil einer abwechslungsreichen Ernährung verzehrt werden. Der Salzgehalt ist im Grunde das einzige, worauf man achten sollte. Für Erwachsene gilt nämlich die Empfehlung, langfristig nicht mehr als sechs Gramm Salz pro Tag zu sich zu nehmen und dieser Wert kann in Kombination mit anderen Lebensmitteln über den Tag verteilt schnell überschritten werden.

Welche Zutaten sollte man genauer unter die Lupe nehmen?

 a) im industriellen Fleisch

Christian Dieckmann: IBedenklich ist der hohe Salzgehalt, insbesondere durch die Verwendung von Nitritpökelsalzen bei Pökelfleischprodukten wie Schinken, Brühwurst oder Kassler. Das begünstigt Bluthochdruck, und bei der Erhitzung von Fleischprodukten mit Nitritpökelsalzen können Nitrosamine entstehen, die als krebserregend eingestuft werden. Gleichzeitig enthalten fast alle weiterverarbeiteten Fleischprodukte zusätzliches tierisches Fett, welches hauptsächlich aus gesättigten Fettsäuren besteht und welche bei übermäßigem Verzehr den Cholesterin-Spiegel steigen lassen und somit auch schädlich für den Herz-Kreislauf sind. In konventionellen Fleischprodukten werden zudem regelmäßig Reste von Hormonpräparaten gefunden, die manchmal illegalerweise eingesetzt werden. Gleichzeitig finden sich in vielen Produkten aus der Massentierhaltung auch oft Spuren von Antibiotika wieder, welche die Entstehung von multi-resistenten Keimen begünstigen können.

 b) im In-vitro-Fleisch

Christian Dieckmann: Da In-vitro-Fleisch-Produkte noch nicht auf dem Markt sind und deren Sicherheit für die Verbraucher gerade noch durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft wird, ist noch nicht viel über bedenkliche Stoffe bekannt. Die Zulassung und Sicherheitsüberprüfung ist jedoch sehr akribisch und beinhaltet zum Beispiel oft mehrere klinische Studien, die mehrere Jahre dauern können, sodass ich mir hier keine großen Sorgen über die Sicherheit späterer In-Vitro-Fleischprodukte mache. Klar ist jedoch, dass bei In-vitro-Fleisch die gleichen Zusatzstoffe wie bei normalen Fleischprodukten zum Einsatz kommen werden, um zum Beispiel Schinken oder Wurstprodukte herzustellen. Deshalb sollte man auch hier auf den Gehalt von Nitritpökelsalz und den generellen Salzgehalt achten. Auch der Fett- und Cholesteringehalt wird hier zu bedenken sein.

 c) in pflanzlichen Ersatzprodukten

Christian Dieckmann: Wie zuvor geschrieben enthalten viele pflanzliche Fleischersatzprodukte einen ebenfalls recht hohen Salzgehalt, auf den man Acht geben sollte. Ansonsten würde nur noch das allergene Potenzial manch pflanzlicher Proteinquellen zu den Risiken zählen. Allergien gegen Soja oder auch Lupinen sind möglich, wenn auch nicht allzu weit verbreitet.

Worauf achten Verbraucher bei Fleischalternativen besonders?

Christian Dieckmann: Die erfolgreichsten Fleischalternativen sind die, die geschmacklich und von ihrer Konsistenz her am nächsten an das Originalprodukt aus Fleisch herankommen. Gleichzeitig sollte das Fleischersatzprodukt auch genauso zubereitet sein, damit der Konsument sein Ess- und auch Kochverhalten möglichst nicht verändern muss.

Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier und greift gerne dann nach vertrauten Produkten und so sieht man kaum noch Fleischersatzprodukte, die nicht versuchen, eine Kopie ihres fleischigen Originals zu sein. Dinkelbratlinge und Co. sind aus den meisten Regalen verschwunden. Zusatzstoffe spielen bei der Kaufentscheidung eine vergleichsweise geringe Rolle. Das Gros der Kunden scheint für einen guten Geschmack, eine gute Konsistenz und ein gutes Kochverhalten einiges in Kauf zu nehmen.

MDR Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 23. August 2022 | 20:15 Uhr

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