Zuckergehalt Gemüse zwar süßer, aber nicht ungesünder

14. April 2023, 05:00 Uhr

Rote Paprika sind so beliebt, weil sie süßer schmecken als ihre grünen Mitstreiter. Eine MDR-AKTUELL-Hörerin fragt sich dabei mit dem Verdacht auf mehr Zucker im Gemüse: "Ist unser Gemüse heute noch so gesund wie früher?" Expertinnen klären auf.

von Ronny Arnold, MDR AKTUELL

• Tatsächlich haben sich die Anteile der verschiedenenen Inhaltsstoffe in Gemüse in den letzten Jahrzehnten verändert.
• Dabei geht es aber weniger um Zuckerzuführung, sondern mehr um das Wegzüchten von Bitterstoffen.
• Ein süßlicher Geschmack erhöht noch nicht den Zuckergehalt und macht damit Gemüse weiterhin unverzichtbar für die tägliche Nahrungsaufnahme.

Ein Besuch im gut sortierten Supermarkt lässt beim Gemüse kaum Wünsche offen: Tomaten in allen Größen, verschiedenste Sorten, ebenso bei Gurken, grünem Salat, Möhren und Paprika. Doch wird da tatsächlich mit Zusatzstoffen, etwa Zucker, der Geschmack manipuliert?

Einzelne Inhaltsstoffe sind zurückgegangen

Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale Sachsen hat dafür wenig Anhaltspunkte. "Es gibt keine Studien, die belegen oder widerlegen würden, dass Gemüse süßer schmeckt als früher." Doch es gebe Untersuchungen, die Nährstoffgehalte von Gemüse von vor 50 Jahren mit heute vergleichen, sagt Brendel. Diese zeigten, dass in der Mehrzahl der Sorten ein höherer Wassergehalt und ein niedrigerer Trockensubstanzgehalt sei. Ebenso ergäben die Studien, dass Mineralstoff- und Vitamingehalte leicht zurückgegangen seien, erklärt die Verbraucherschützerin.

Bewusste Reduzierung der Bitterstoffe zugunsten des Geschmacks

Und damit ändere sich tatsächlich der Geschmack, aber nicht automatisch auch der Zuckergehalt, sagt Brendel. Das bestätigt auch Iris Lehmann vom Max Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. "Auch Gemüse und Obst unterliegen Moden, ganz klar. Und die Mode bezieht sich auch auf den Geschmack. Also es ist schon so, dass die Menschen heute gern süß essen und dass man eine Abscheu hat vor Bitterstoffen."

Denn bitter signalisiere uns: giftig oder gar gefährlich. Deshalb verändere man bewusst diese Bitterstoffe, sagt Lehmann. "Allerdings ist es oft so, dass sich gar nicht der Zuckergehalt verändert, sondern dass die Bitterstoffe fehlen, auf jeden Fall reduziert werden, oder auch Fruchtsäuren reduziert werden." So habe zum Beispiel eine grüne Paprika nur etwa halb so viel Süße im Sinne von Saccharose wie Haushaltszucker, Glucose und Fructose – von allem etwa die Hälfte einer roten Paprika. "Rote Paprika ist reif, grüne Paprika ist unreif", sagt die Forscherin.

Tägliche Zuckeraufnahme nur zu geringem Anteil durch Gemüse

Definitiv – das bestätigen beide Expertinnen – sei in frischem Gemüse relativ wenig Zucker enthalten. Unterschiede gebe es aber durchaus. So liegt etwa der Zuckergehalt von 100 Gramm frischem Spinat bei gerade einmal 0,5 Gramm. Bei roter Beete sind es dagegen acht Gramm. Der Bundeslebensmittelschlüssel, eine Datenbank für den Nährstoffgehalt, rechnet mit durchschnittlich 2,5 Gramm Zucker pro 100 Gramm Gemüse.

Dem Statistik-Portal Statista zufolge nehmen wir insgesamt aber etwa 95 Gramm Zucker pro Tag auf. Die Aufnahme über Gemüse ist im Verhältnis also gering. Demnach, auch da sind sich beide Expertinnen einig, gehört Gemüse zu den gesunden Lebensmitteln. Brendel vom Verbraucherschutz verweist auf die fundierte Studienlage zu Gemüse.

Gemüsevielfalt. Bildrechte: IMAGO/Westend61

Ernährungsforscherin Lehmann räumt ein, dass das meiste Gemüse zwar relativ wenig Energie liefere, dafür aber eine große Menge an lebensnotwendigen Nährstoffen, die wir brauchen. "Von daher die Empfehlung: Jeden Tag Gemüse auf den Tisch und für einen Erwachsenen gilt so als Faustzahl etwa 400 Gramm", rät die Wissenschaftlerin. Und die große Auswahl im Supermarkt heute hilft dabei, da auch eine gute Abwechslung auf den Tisch zu bekommen.