Eine Person wird 2019 von Polizisten aus einem Hubschrauber zu Polizeifahrzeugen gebracht.
Im Oktober vergangenen Jahres wurde Stephan B. zur Haftprüfung am Bundesgerichtshof nach Karlsruhe gebracht. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Uli Deck

FAKT-Recherchen Halle-Attentäter versuchte, weiteren Menschen zu töten

21. Juli 2020, 23:04 Uhr

Stephan B. hat während seiner Flucht vor der Polizei versucht, einen Somalier zu töten. Das ARD-Magazin "FAKT" konnte mit Zeugen sprechen und den versuchten Mord rekonstruieren.

Die Recherchen von "FAKT" zeigen, dass der Attentäter Stephan B. auf seiner Flucht in einem Auto absichtlich auf zwei Somalier zuhielt, die vor ihm an einer Straßenbahnhaltestelle die Straße überqueren wollten. Im vom Täter veröffentlichten Video ist zu hören, wie er das Fahrzeug beschleunigt und es zu einer Erschütterung kommt.

Einer der beiden Somalier, Abdi Raxmaan Aftax Ibrahim schildert erstmals im Interview mit "FAKT" den Vorfall. Er ist davon überzeugt, dass das Auto direkt auf ihn zugesteuert wurde. "Ich habe versucht wegzulaufen, aber er hat mich genau auf der anderen Straßenseite erwischt, wo ich dann auf den Bürgersteig geflogen bin."

Generalbundesanwaltschaft spricht von Verkehrsvergehen

Ein weiterer Augenzeuge schilderte "FAKT", wie das Fahrzeug beschleunigt und direkt auf Ibrahim zugefahren sei. Trotz dieser Aussagen spricht die Generalbundesanwaltschaft in ihrer Anklage nicht von versuchtem Mord, wertet den Vorfall als Verkehrsvergehen, bei welcher der Angeklagte "die Gefährdung von Leib und Leben" in Kauf genommen habe. Gegenüber "FAKT" teilte die Generalbundesanwaltschaft mit: "Ein hinreichender Tatverdacht für ein Verbrechen des versuchten Mordes zum Nachteil der von Ihnen genannten Person hat sich dabei nicht ergeben."

Strafrechtsprofessor sieht Tatmerkmale für versuchten Mord gegeben

Der Strafrechtsprofessor Martin Heger der Humboldt-Universität Berlin bewertet die Situation anders: "Letztlich würde für eine solche Anklage wegen versuchten Mordes Vorsatz genügen. Dafür spricht die extreme Gefährlichkeit und Rücksichtslosigkeit der Fahrweise".

Weiter sagte Heger, man könne annehmen, dass Aftax Ibrahim vor allem wegen seiner Hautfarbe ins Visier des Täters geraten sei. Er verwies darauf, dass es für das Opfer wichtig sei, so etwas auch gesellschaftlich anzuerkennen.

SPD-Politiker Karamba Diaby: "Es ist schwer zu glauben, dass es ein Zufall ist."

Der Integrationsbeauftragte der SPD-Fraktion im Bundestag Karamba Diaby erfuhr erst durch "FAKT"-Recherchen von dem weiteren Opfer. Der Abgeordnete glaubt nicht, dass es sich nur um einen Verkehrsunfall handelt. "Es ist schwer zu glauben, dass es ein Zufall ist, zumal es hier um einen Menschen geht, der zwei Menschen an einem Tag getötet hat. Insofern ist es sehr angebracht, dass man sich das nochmal genauer anschaut."

Noch nicht alle Zeugen gehört

Auch die Rechtsanwältin Ibrahims, Illil Friedman will im Laufe des Prozesses erreichen, dass dieser aus ihrer Sicht rassistische Angriff des Attentäters als Mordversuch gewertet wird. Friedman fordert, dass die Zeugen, die die Tat beobachtet haben, in die Anklage aufgenommen werden. Zwei weitere Tatzeugen, die "FAKT" bekannt sind, wurden bis heute nicht von den Ermittlungsbehörden befragt.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 21. Juli 2020 | 21:45 Uhr

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