Hörer machen Programm Warum bemüht sich Werbung immer mehr um Diversität?

17. März 2023, 05:00 Uhr

Die Werbeindustrie setzt immer mehr auf Vielfalt. Plakate und TV-Spots zeigen immer öfter Menschen mit Migrationshintergrund. Diversitätsmarketing nennt sich das. MDR-AKTUELL-User Horst Hengstmann aus Erfurt schreibt, in Thüringen sehe die Realität anders aus, und möchte wissen, was die Gründe für die neue Vielfalt in der Werbung seien.

Die Berliner Werbeagentur "Glow" versorgt Nichtregierungsorganisationen, Behörden und Marken mit griffigen Kampagnen. Zuletzt entwarf sie zum Beispiel großformatige Plakate und einen Image-Film für die Berliner Polizei. Die abgebildeten Gesichter sind vielfältig, nicht nur weiß.

Parallel entwickelte Glow auch eine Kampagne für die Thüringer Polizei. Die sehe anders aus, erklärt Johannes Krempl, der Geschäftsführer der Werbeagentur: "Hier haben wir tatsächlich einen relativ geringen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und haben einen sehr hohen Anteil an – ich sag mal – 'biodeutsch' aussehenden Menschen." Das liege aber auch daran, dass man für die Kampagnen mit echten Polizistinnen und Polizisten arbeite. "Und es gibt einfach momentan noch nicht so viele Menschen mit Migrationshintergrund in der Thüringer Polizei."

Werbung als Vorreiter der Sichtbarmachung

Grundsätzlich sei seiner Agentur die Darstellung gesellschaftlicher Vielfalt sehr wichtig, sagt Krempl. Zum einen, weil auch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland wachse. Er liegt aktuell bei mehr als 25 Prozent. Zum anderen müssten sich seine Kunden neue Zielgruppen erschließen. Stichwort: Fachkräftemangel: Zum Thema Pflege habe er etwa gerade mit der Diakonie gesprochen, erklärt Krampl. "Hier geht es um Pflege, Altenpflege. Hier werden ganz viele Menschen gesucht und da ist man sehr offen für Menschen mit Migrationshintergrund." Um das zu signalisieren, bilde man in Anzeigen und sonstiger Kommunikation auch Menschen mit Migrationshintergrund ab.

Claudia Diaz Sanchez ist Vorstehende des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen GWA. Sie sagt, die Aufgabe der Werbung sei es nicht unbedingt, Bevölkerungsgruppen repräsentativ abzubilden, sondern ein bestimmtes Publikum anzusprechen und Trends zu entdecken: "Werbung ist Vorreiter. Als Werbetreibende prägen wir das, was Deutschland auch sieht. Allerdings geht es bei der Darstellung von Diversität nicht nur um verschiedene Hautfarben, sondern auch um Altersgruppen, Körperformen oder sexuelle Orientierungen."

Bedürfnis nach mehr Diversität

Franzi von Kempis, Geschäftsführerin des Vereins "Charta der Vielfalt", sagt: "Ich denke, es ist immer eine Gratwanderung, wie man die 'deutsche' Gesellschaft abbildet." Das erfordere viel Sensibilität und ein ehrliches Verständnis dafür, dass das städtische Bild vielfältiger sei als in ländlichen Regionen. "Man muss aber auch bedenken: Jahrzehntelang wurden bestimmte Bevölkerungsgruppen und Minderheiten komplett von der Werbung ignoriert."

Endlich einen anderen Weg einzuschlagen, sei einem Großteil des Publikums ein Bedürfnis, so von Kempis. "Eine Yougov-Kurzstudie hat kürzlich gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen mehr Diversität in der Werbung will. Das heißt ja, ernst gemeintes Diversity-Marketing lohnt sich für Unternehmen."

Bei der Kampagne für die Berliner Polizei war das offenbar genau so. Glow-Geschäftsführer Krempl erzählt, dass sich infolgedessen viele Menschen mit Migrationshintergrund gemeldet hätten, die sich endlich gesehen fühlten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. März 2023 | 06:00 Uhr

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