An einem Grabkreuz hängt ein Mund-Nasen-Schutz.
Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Sterblichkeit drastisch gestiegen. Bildrechte: IMAGO / photothek

Folgen der Corona-Pandemie Warum die Sterberate Anfang Oktober so ungewöhnlich hoch war

06. November 2022, 18:50 Uhr

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Übersterblichkeit ein Begriff, der auch immer wieder durch die Medien kursiert. Sie zeigt kurz gesagt an, wenn deutlich mehr Menschen sterben als im statistischen Mittel der Vorjahre. Aktuell ist die Sterblichkeit deutlich gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt lag sie Anfang Oktober 20 Prozent über dem Mittelwert der Jahre 2018 bis 2021. Für Experten und Expertinnen hat der Trend verschiedene Ursachen.

Der Anstieg der Sterbefälle beschäftigt auch den Präsidenten der Landesärztekammer Sachsen, Erik Bodendieck. Er erklärt sich diesen Trend damit, dass die Menschen in den Pandemiejahren mit ihren Besuchen bei Ärztinnen und Ärzten zögerlicher geworden sind. "Wir haben schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Patientinnen und Patienten zu den Vorsorgeuntersuchungen gehen sollen. Da kann ich nur als Beispiel anführen: die Darmkrebsvorsorge. Die entsprechenden Fachgesellschaften haben sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Darmkrebsvorsorge trotzdem vorgenommen werden sollte. Und dass sich die Patienten um ihre eigene Vorsorge kümmern müssen."

Ob dadurch mehr Menschen an Darmkrebs oder anderen Krankheiten gestorben sind, die früher hätten erkannt werden können – das müssten die Zahlen erst zeigen. Doch Bodendieck kann aus eigener Erfahrung als Arzt und von den Krankenhäusern in Sachsen berichten. "Was wir allerdings an Berichten haben, ist tatsächlich, dass Patientinnen und Patienten später in die Krebsbehandlung gekommen sind und die Tumorstadien zum Teil doch deutlich höher gewesen sind, als wir es vor der Corona-Pandemie gesehen haben."

Hitze und ausgefallene Behandlungen erhöhten die Sterberate

Laut Statistischem Bundesamt war die Sterberate schon im Sommer relativ hoch. Von Juni bis August lagen die Fallzahlen etwa zehn Prozent über dem Mittelwert der Vorjahre. In der 24. Kalenderwoche gab es sogar ein Plus von 24 Prozent – eine Woche, in der es in Deutschland besonders heiß war. Dass hohe Sterblichkeit auch etwas mit Hitzewellen zu tun haben kann, zeigt eine Studie, die Forschende vom Robert Koch-Institut, dem Umweltbundesamt und dem Deutschem Wetterdienst veröffentlichten. Das Ergebnis: Die heißen Temperaturen der Jahre 2018 bis 2020 führten jeweils zu Tausenden hitzebedingten Todesfällen.

Die aktuell hohen Sterbezahlen bringt jedoch auch Johannes Schenkel mit ausgefallenen Behandlungen und Untersuchungen in Verbindung. Schenkel ist der ärztliche Leiter der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. "Da spielt sowohl die Angst vor einer Infektion im Krankenhaus eine Rolle als auch die Angst davor, dass durch Überlastung von Krankenhäusern oder Arztpraxen vielleicht auch eine schlechtere Behandlung erfolgt. Das betrifft dann auch solche Geschichten wie Früherkennungsuntersuchungen, wie Darmspiegelungen und so, aber auch Krebsnachsorgeuntersuchungen."

Personalmangel in Krankenhäusern führt zu weiteren Absagen

Gleichzeitig würden sich immer wieder Menschen an die Beratung wenden, bei denen eine Behandlung durch den Arzt oder die Ärztin abgesagt wurde. Anfangs habe das an den schweren Corona-Fällen in den Krankenhäusern gelegen. Aktuell sei der Grund, dass viele Beschäftigte in den Krankenhäusern selbst wegen Corona oder anderen Krankheiten ausfielen. Wird eine Behandlung abgesagt, empfiehlt Schenkel: "Wir haben oft erlebt, dass die Terminabsagen der Krankenhäuser von den Verwaltungsmitarbeitern erfolgten, die dann auch nicht dazu beraten konnten. Und da raten wir immer dazu, das Gespräch noch mal mit den behandelnden Ärzten zu suchen." Der Alltag mit Pandemie werde zunehmend normaler für die Bevölkerung. Es sei deshalb zu hoffen, dass Früherkennungsuntersuchungen nun wieder zur Routine werden.

MDR AKTUELL

Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell | 02. November 2022 | 06:00 Uhr

88 Kommentare

goffman am 04.11.2022

Die Lebenserwartung berechnet sich aus dem durchschnittlichen Sterbealter.

Menschen, die sterben, bevor sie das durchschnittliche Sterbealter erreichen, senken die Lebenserwartung. Menschen, die sterben, nachdem sie das durchschnittliche Lebensalter erreicht haben, erhöhen die Lebenserwartung.

Soweit können Sie folgen, oder?

Aber: je größer der Abstand eines Menschen von diesem Durchschnitt ist, desto mehr Einfluss hat er auf diesen Durchschnitt. Wenn ein Mensch mit 82 stirbt, erhöht er den Durchschnitt nicht so sehr, als wenn er 90 geworden wäre. Wenn jetzt viele Menschen sterben, auch nachdem sie die Lebenserwartung überschritten haben, dann werden diese Menschen nicht älter, können den Durchschnitt nicht mehr so stark erhöhen. Die Lebenserwartung sinkt.

Zur "Frage" der Bezahlung: Genauso könnte ich Sie als von der AFD bezahlt diffamieren und wir würden uns nicht mehr über Inhalte unterhalten.

Mich treibt Interesse, Neugier und Spaß am Diskurs an. Keine Bezahlung.

martin am 04.11.2022

@ob: Drei spontane Fragen:
1.) Weshalb sollen so viele Obduktionen gemacht werden?
2.) Woher wollen Sie die vielen Fachärzte nehmen?
3.) Wie viel darf der "Spaß" kosten?

martin am 04.11.2022

@ob: Nun, ich denke, dass wir alle Dinge mitbezahlen "dürfen", die uns nicht gefallen. Es reicht mir dann, dass es mich mein Geld kostet. Da brauche ich nicht auch noch meine Zeit rein zu geben.

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