GeburtenrückgangFreie Kitaplätze in Mitteldeutschland – Sorge um Entlassungen
Lange Zeit waren Kita-Plätze Mangelware. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Vielerorts bleiben Plätze frei, Eltern können unter den Kitas wählen. Die Folge: Kita-Schließungen stehen zur Debatte, Erzieherinnen und Erzieher bangen um ihre Jobs. Doch das muss nicht sein.
Kita-Leiter Michael Warnat muss kurzfristig umdisponieren. Er läuft durch den Garten der Krippenkinder. Die spielen in Gummistiefeln und Matschhosen im Sandkasten und auf der Wiese. Eine Erzieherin soll später im Hort einspringen. "Ich habe jetzt seit zwei Jahren, seit ich hier bin, zwei bis vier Langzeiterkrankungen. Es sind aber nicht die Gleichen. Es kommen immer mal Kollegen zurück und dann erwischt es neue“, sagt Warnat. Das sei ein deutliches Indiz dafür, wie hoch die Belastung sei. "Die Kollegen resignieren, da sie immer weniger die Möglichkeit sehen, gute Arbeit zu leisten und Kindern zu helfen. Wir sind da, um Chancengleichheit herzustellen und das ist immer weniger möglich", meint der Kita-Leiter.
Warnat leitet die Volkssolidaritäts-Kita "Belgershainer Schlossgeister", auf dem Land, nicht weit entfernt von Leipzig. Neuerdings bleiben Krippenplätze frei, Azubis werden nicht übernommen, Stellen nicht nachbesetzt, die Arbeitszeiten ändern sich: "Das schwankt jeden Monat, wird genau an das Alter und an die Kinder angepasst, gemäß des Betreuungsschlüssels. Wenn jetzt weniger Kinder kommen, heißt das, dass alle Erzieher kürzer arbeiten gehen bei gleicher Öffnungszeit", so Warnat. Das sei eine sehr große Herausforderung bei der Dienstplanung.
Immer mehr Kita-Plätze bleiben frei
Die Sorge, dass Erzieherinnen entlassen werden oder Kitas geschlossen, gibt es in ganz Sachsen. Die Statistik zeigt: es werden immer weniger Kinder geboren und zunehmend bleiben Plätze frei. Das sei eine Chance, sagt nicht nur Michael Richter vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen. Kitas und Arbeitsplätze könnten erhalten bleiben, die Qualität der Bildungsangebote erhöht und die Belastung gesenkt werden, wenn der Betreuungsschlüssel im sächsischen Kita-Gesetz verbessert wird.
"Was uns ärgert ist, dass das bekannt ist, aber nichts passiert. Nun ist die Landtagswahl da, aber keine Lösung und das Problem verschärft sich immer weiter. Junge Erzieherinnen können in andere Länder abwandern, wo Erzieherinnen gebraucht werden", sagt Richter. Das sei eine schlimme Entwicklung für Sachsen. Ein gesetzlich veränderter Personalschlüssel könne, verzögert durch die Landtagswahl im September, wenn überhaupt, frühestens im nächsten Jahr kommen, so Richter.
Thüringen will Betreuungsschlüssel verbessern
In Thüringen ist man schon einen Schritt weiter. Diese Woche soll der Landtag über einen Gesetzentwurf mit besserem Betreuungsschlüssel entscheiden. "In den letzten Wochen haben wir zusammen in einer Allianz dafür geworben, den Personalschlüssel erst einmal auf eins zu 12 im Bereich der über Dreijährigen zu verbessern", sagt Nadine Hübener von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Thüringen. Das sei auch der Vorschlag der rot-rot-grünen Landesregierung. "Uns ist bewusst, dass wir bei eins zu 12 nicht aufhören wollen, aber es jetzt dazu führen würde, dass wir diese Stellen erhalten können“, so Hübener.
Fachkräfteverband fordert Anpassung des Personalschlüssels in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt ist die Situation bisher noch nicht so dramatisch wie in Sachsen und Thüringen, beobachtet unter anderem die Kathrin Klähn vom Kitafachkräfteverband Sachsen/Sachsen-Anhalt, die eine Kita in Salzwedel leitet: "Wir haben 2023 die niedrigste Geburtenrate seit vielen, vielen Jahren. Das wird dann in ein bis zwei Jahren vermutlich in den Einrichtungen mehr spürbar sein", meint Klähn. Auch sie ist überzeugt: Sachsen-Anhalt brauche einen besseren Personalschlüssel und die Landesregierung müsse jetzt handeln.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 03. Juni 2024 | 06:11 Uhr