Schüler als Fluchthelfer Flucht im Bus: Von der Wartburg nach Marburg im Schulbus
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Am 20.12.1984 glückt dem damals 25-jährigen Bernd Bergmann die Flucht aus der DDR in die BRD. Hilfe bekommt er von westdeutschen Schülerinnen, die ihn in ihrem Reisebus verstecken. Doch wie konnte das gelingen?
Bernd Bergmann ist als Kleinkind oft in Marburg – denn seine Mutter stammt aus Westdeutschland, hat aber in Ostdeutschland gerheiratet. Mit dem Mauerbau 1961 muss sie sich entscheiden: In den Westen oder Osten, bei den Eltern oder dem Ehemann bleiben? Sie entscheidet sich für ihren Ehemann und damit für Erfurt und gegen Marburg.
Für Bernd Bergmann bedeutet die westdeutsche Familienverbindung und drei abgelehnte Ausreiseanträge, dass er durch die Staatssicherheit beobachtet, verwanzt und gegängelt wird.
Spontan-Flucht über die innerdeutsche Grenze
Zu seiner Spontan-Flucht verhalf ihm der Zufall. In Erfurt war eine Schülergruppe mit einem Reisebus unterwegs – die Schülerinnen und Schüler kamen aus Marburg. Sie sollten mithilfe der Klassenfahrt Vorurteile gegenüber den Menschen in der DDR abbauen.
Dem Idealismus einer Handvoll Jugendlicher, die sich angstfrei dazu entschloss, Bernd Bergmann zu helfen und ihn im Bus zu verstecken, verdankt der damals 25-jährige junge Mann seine Freiheit. Vor allem einer Schülerin, damals 17 Jahre alt, Barbara Kahlke, ist der Geflohene noch heute tief verbunden.
Kein Platz für Zweifel
Nicht alle im Umfeld der Schülerinnen und Schüler sind von der Fluchthilfe begeistert. Die Presse, darunter auch die Tagesschau, berichtet – die Stimmung vor Ort ist jedoch bedrückt, der Rektor will die Initiatoren der Flucht des "blinden Passagiers" von der Schule verweisen. Doch auch diesmal halten die Jugendlichen zusammen. Sie dürfen an der Schule bleiben und gehen ihren Weg.
Genau wie Bernd Bergmann, der im Westen ein neues Leben beginnt. Dabei verliert er aber nie den engen Kontakt zu Barbara Kahlke. Ihre Hand, die er bei der Überfahrt in den Westen hielt, war damals sein einziger Halt.
Monatelange Fluchtplanung: Auffallen als bestes Versteck
Burkhard Veigel ist als erfinderischer Fluchthelfer aus der DDR bekannt. Er baut für die Flucht von Jürgen und Barbara May einen amerikanischen Straßenkreuzer, ein wahrhaftiges Schiff auf der Straße, um. Jürgen May ist zu dieser Zeit ein bekannter und erfolgreicher Sportler – bis er in der DDR in Ungnade fällt und seitdem von der Stasi-Behörde beobachtet wurde.
Über Ungarn gelingt dem Paar dank Burkhard Veigel die Flucht. Denn Veigel plant die Flucht genau und folgt dabei dem Motto: Auffallen, um sich zu verstecken. In einem auffälligen amerikanischen Wagen mit zwei Schwarzen Fahrern wird das Paar einzeln nach Österreich gebracht, und zwar unter dem Armaturenbrett. Nach ein paar bangen Stunden war klar: Er hat es geschafft.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Lebensretter | 01. Oktober 2020 | 20:15 Uhr