Lehrermangel Wie Bayern den Wettbewerb um Lehrer mit einer Prämie beeinflusst

16. August 2023, 09:55 Uhr

Bayern wirbt seit diesem Jahr mit einer einmaligen Prämie von 3.000 Euro, wenn Lehramtsabsolventen in bestimmten Regionen als Lehrer arbeiten. Auch in Mitteldeutschland gibt es ähnliche Förderungen. Zum Beispiel in Sachsen: Dort bekommen angehende Lehrer einen Gehaltsbonus, wenn diese ihr Referendariat in einer sogenannten Bedarfsregion absolvieren und anschließend noch fünf Jahre in einer solchen arbeiten.


Bayern-Prämie stößt auf wenig Verständnis in anderen Bundesländern

Mit einer Prämie in Höhe von einmalig 3.000 Euro brutto will Bayern zukünftige Lehrer und Lehrerinnen in ländlichere Regionen locken. Für den Vorsitzenden des sächsischen Lehrerverbandes, Michael Jung, ist das Vorgehen des Freistaats ein offensives Abwerben aus anderen Bundesländern. Für Bayern ist es eine Regionalprämie für Gebiete mit hohem Lehrkräftebedarf. Zu dem Vorwurf heißt es daher vom Bayerischen Kultusministerium: "Da sich die Prämie sowohl an inner- als auch an außerbayerische Bewerberinnen und Bewerber richtet, kann von einer gezielten Abwerbung von Lehrkräften aus anderen Bundesländern nicht die Rede sein."

Das sächsische Staatsministerium für Kultus reagiert mit Unverständnis auf die Bayern-Prämie: "Mit dem Vorstoß startet Bayern unverhohlen einen Überbietungswettbewerb, der zum Schaden aller Länder sein wird." Ähnlich die Reaktion aus Thüringen: "Das gegenseitige Abwerben von Lehrerinnen und Lehrern muss ein No-Go bleiben, so haben es die Länder 2009 in Stralsund vereinbart."

Stralsunder Erklärung 2009 Auf der Kultusministerkonferenz 2009 wurde die sogenannte "Stralsunder Erklärung" abgegeben. Diese beschäftigt sich mit dem damals bereits abzusehenden größeren Einstellungsbedarf an Lehrern in den kommenden Jahren.

Sie regelt auch, wie die Bundesländer im Wettbewerb um die Arbeitskräfte miteinander umgehen sollten. So heißt es unter anderem: "Die Länder bekennen sich zum Wettbewerb im kooperativen Bildungsföderalismus. Sie betonen in Wahrnehmung der ländergemeinsamen Verantwortung, dass fairer Wettbewerb eine vertrauensvolle Abstimmung vor allem bei der Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern aus anderen Ländern bedeutet."


Zulagen gibt es auch in anderen Bundesländern

Das Ministerium für Bildung in Sachsen-Anhalt sieht das Ganze hingegen als Wahlkampfstrategie: "Hinter der Zahl verbirgt sich nichts anderes, als Zulagen für schwer besetzbare Stellen im ländlichen Raum zu zahlen. Das machen andere Bundesländer ebenfalls, auch Sachsen-Anhalt. Die Art und Weise, wie Herr Söder dies kommuniziert, sorgte allerdings innerhalb der Kultusministerkonferenz für Stirnrunzeln und Irritationen."

Nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in Thüringen gibt es einen Sonderzuschlag für bestimmte Stellen. Sachsen versucht mit einem höheren Lohn Nachwuchslehrer an sich zu binden. Diese können während ihres Referendariats 1.150 Euro brutto zusätzlich bekommen. Dafür müssen sie dieses in einer "Bedarfsregion" absolvieren und sich zudem dazu verpflichten, mindestens fünf Jahre weiter in einer solchen zu arbeiten. Bei den Regionen handelt es sich um den ländlichen Raum im Freistaat.


Höhere Gehälter könnten Gymnasiallehrer nach Bayern ziehen

Wie viel Lehrer und Lehrerinnen verdienen, kann sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft listet alle Einstiegsgehälter für Lehrkräfte nach Bundesländern auf (Stand Januar 2023). Als verbeamteter Grundschullehrer zum Beispiel erhält man in Sachsen ein Einstiegsgehalt von rund 4.356 Euro, in Sachsen-Anhalt knapp 3.759 Euro und in Thüringen etwa 4.490 Euro. In Bayern sind es hingegen nur 4.313 Euro. Der Spitzenreiter ist Brandenburg mit rund 4.688 Euro. Als Gymnasiallehrer allerdings landet im bayerischen Freistaat das meiste Geld in der Tasche: 5.139 Euro.

Bundesland Einstiegsgehalt Gymnasiallehrer, verbeamtet  
Bayern 5.139 Euro  
Sachsen 4.356 Euro  
Sachsen-Anhalt 4.501 Euro  
Thüringen 4.490 Euro  

Unterschiedliche Gehälter sorgen für Unmut, weiß auch der Vorsitzende des sächsischen Lehrerverbandes Michael Jung. Sie fördern die Konkurrenz zwischen den Bundesländern. Die geplante Bayern-Prämie verschärfe den akuten Lehrermangel noch. "Also das ist nicht akzeptabel aus unserer Sicht. Es war oder ist normalerweise doch ein deutschlandweites Problem. Das heißt, wir müssten alle gleichberechtigt und zusammen an diesem Problem arbeiten", sagt er.


Reaktionen unter sächsischen Studierenden fallen unterschiedlich aus

Wenn zum besseren Gehalt noch die Prämie dazu kommt, könnte das für zukünftige Lehrer und Lehrerinnen ein Anreiz sein, nach Bayern abzuwandern. Alexandra Rose ist gebürtige Thüringerin und weiß noch nicht, wo ihr Lebensmittelpunkt später einmal sein wird. Da kommt ihr die Ankündigung aus Bayern ganz recht. "Für mich ist es eigentlich ganz praktisch, weil ich komme ja aus Thüringen. Und wir wohnen ganz nah auch an Bayern dran. Wenn da jetzt zum Beispiel irgendetwas Richtung Hof möglich wäre oder so, wäre das für mich ja nicht mal weit. Deswegen wäre es auf jeden Fall eine Überlegung wert", erklärt sie. Auf der Webseite des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus können die Landkreise sowie deren Bedarf eingesehen werden. Es zeigt sich, dass sowohl im Landkreis Hof als auch in der Stadt selbst Lehrer für alle vier Bereiche gesucht werden: Grund-/Mittel-, Förder- und Realschule sowie Gymnasium.

Im Gegesatz dazu findet die Studentin Johanna Gläser die Prämie für sich weniger interessant. Die Sächsin hatte im Internet davon erfahren. "3.000 Euro ist viel Geld. Wenn ich sowieso vorhätte, dahinzuziehen, würde ich dazu nicht nein sagen. Aber es ist für mich jetzt kein Grund, in ein anderes Bundesland zu ziehen beziehungsweise auch alles aufzugeben, was ich hier habe", sagt sie.


SPD in Sachsen-Anhalt fordert ein Vorgehen gegen Bayern-Prämie

Die SPD in Sachsen-Anhalt empfindet die bayerische Prämie als unverschämt. Sie will, dass die Landesregierung dagegen vorgeht. "Wir werden dann der Landesregierung vorschlagen, zu prüfen, ob das möglich ist, an der Stelle zu klagen. Unabhängig davon, ob der Rechtsweg der geeignete ist, bin ich mir ganz sicher, dass alle Bundesländer mit den Bayern an der Stelle in den Streit geraten werden", führt Andreas Schmidt, der SPD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, aus.

Auch wenn ein Großteil der zukünftigen Lehrkräfte in Mitteldeutschland bleibt, sieht es insgesamt düster aus. Denn die Studierenden werden die Lücke kaum füllen können. "Also wir werden jetzt im neuen Schuljahr oder zu Beginn des Schuljahres feststellen müssen, dass wieder Tausende von Unterrichtsstunden ausfallen werden. Und das liegt einfach daran, dass nicht vor jeder Klasse zu jeder Stunde ein Lehrer stehen kann", erklärt Michael Jung.

Nach Schätzungen der Lehrerverbände fehlen in Sachsen bis zu 3.500, in Sachsen-Anhalt etwa 1.500 und Thüringen rund 1.100 Lehrkräfte. Und das Problem wird sich in den nächsten Jahren verschärfen. "Die Demografie sorgt natürlich ganz klar dafür, dass bis zum Jahr 2030, der ganz, ganz große Teil aller Lehrkräfte die Schule verlassen haben wird, weil sie einfach 63 und älter sind. Und unter den jetzigen Bedingungen, wie eine Lehrkraft in der Schule arbeiten muss, muss man auch wirklich davon ausgehen, dass die derzeitig 90 Prozent der Lehrkräfte, die 63 sind, auch weiterhin die Schule verlassen."

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 15. August 2023 | 20:15 Uhr

18 Kommentare

Anuk am 17.08.2023

@Harka2
Gähhhhhhhhhn......
Ihnen wurden ja schon ausreichend gründe für das aktuelle Lohnniveau von Mediator und Simone genannt.
Das sind Fakten, die sie gerne ignorieren dürfen. Diese pauschale Jammerei hat übrigens auch ncht mit dem Thema der Lehrerprämien in Bayern und Wanderungstendenzen in diesem Beruf zu tun.

Lehrer sein hat wie jeder Beruf Vor- und Nachteile. Die muss jeder selbst abwägen und viele tun es. Bei Erziehern haben wir ja auch einen Mangel und keiner kann einen jungen Menschen zwingen diesen Beruf zu ergreifen. Also brauchen wir wohl einen Plan B.

Anuk am 17.08.2023

@wuff
Was sie hier als perfiden Plan darstellen ist doch ganz normal im Leben.
Solange nicht jeder einfach seinen Wunschpartner, Wunschberuf, Wunschverdienst und Wunschposition so einfach wie nen Liter Wasser aus dem Hahn zapfen kann, solange wird es da konkurrenz untereinander geben.

Das hat nichts mit krank zu tun. Jeder Lehrer kann sich ja selbst aussuchen, wo er arbeiten will und wa sihm bei dieser Entscheidung wichtig ist.
Der eine will halt einen hohen Verdienst, der andere will in einer bestimmten Gegend leben und wieder ein anderer hat einen Graus jeden tag mit rechtsextremen Sprüchen konfrontiert zu werden.

Simone am 16.08.2023

@Phoenixada
Ne Million ist auch "massig" viel Geld, aber bezogen auf den Haushalt einer Stadt ist es doch eher überschaubar.

Sie kriegen es ja nicht mal hin zu benennen wie viele Lehrer in ihrem Bundesland ausgebildet werden und wie viele unter Berücksichtigung ausscheidender Kollegen und den Schülerzahlen in den einzelnen Bereichen gebraucht werden.

Woran machen sie denn bitte fest, dass die Gehälter "bereits zu hoch sind"?
Akademiker verdienen halt gut wenn sie im richtigen Bereich tätig sind.

Sie kriegen es ja nicht mal hin zu benennen wie viele Lehrer in ihrem Bundesland ausgebildet werden und wie viele unter Berücksichtigung ausscheidender Kollegen und den Schülerzahlen in den einzelnen Bereichen gebraucht werden.

Woran machen sie denn bitte fest, dass die Gehälter "bereits zu hoch sind"?
Akademiker verdienen halt gut wenn sie im richtigen Bereich tätig sind.

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