BuchvorstellungWie Manfred Krug im Tagebuch sein Älterwerden beschrieb
Der Schauspieler und Jazzsänger Manfred Krug führte minutiös Tagebuch. Acht Jahre nach seinem Tod erscheint nun der dritte Teil seiner Aufzeichnungen, editiert und herausgegeben von seiner langjährigen Lektorin Christa Maria Schädlich. "Ich beginne wieder von vorn" umfasst die Jahre 2000 und 2001. Darin gewährt der Star aus DEFA-Klassikern wie "Spur der Steine" und langjährige Tatortkommissar einen ungeschönten Einblick in sein Leben.
- Der dritte Teil der Tagebuchaufzeichnungen von Manfred Krug über die Jahre 2000 und 2001 beleuchtet unter anderem seinen Ausstieg als Tatort-Kommissar.
- Krug veröffentlichte mehrere Alben als Sänger und ging mit seiner Tochter Fanny auf Tour.
- Mit seiner 1995 geborenen Tochter Marlene erlebte der über 60-Jährige späte Vaterfreuden.
Der Herzschrittmacher drückt beim Schlafen. Der Rücken schmerzt. Und dann geht auch noch das Gewicht wieder rauf. "Es ist schrecklich. Alt werden ist ein einziges Leiden", notiert Manfred Krug am 27. Dezember 2001 in seinem Tagebuch. Er ist 64, wiegt 118 Kilo und registriert das Nachlassen seiner Kräfte. "In letzter Zeit bin ich immer öfter heiser; hoffentlich verlässt mich nicht auch noch die Stimme. Dann packe ich ein."
Tagebücher sind geduldige Zuhörer und verzeihen auch gelegentliche Larmoyanz. Die Zeiten, in denen Krug als energiegeladenes Großmaul Hannes Balla im 1966 gedrehten DEFA-Klassiker "Spur der Steine" brillierte, sind jedenfalls lange her.
Das Ende einer Ära
Stattdessen wird man in "Ich beginne wieder von vorn" Zeuge vom Ende seiner Schauspielkarriere. Ab 1984 ermittelte Krug als Kommissar Paul Stoever für den NDR-Tatort. Im Januar 2001 wird die letzte Folge mit ihm und Charles Brauer als Peter Brockmöller ausgestrahlt. Krug, der bis zuletzt alles für seine Rolle gibt und sogar stark erkältet dreht, will nicht mehr.
"Sollte sich am Ende aller 'Tatorte' zufällig jemand fragen: 'Wie hat dieser Schauspieler das eigentlich gemacht, in einem besonderen Maße das Interesse der Fernsehzuschauer zu wecken und sich zu erhalten?', und sollte dieser Mensch ein 'Medienforscher' sein, dann biete ich ihm hiermit alle noch erhaltenen Drehbücher an, die bei mir im Keller liegen, damit er den Inhalt und die Dialoge der jeweiligen Filme mit dem Inhalt und den Dialogen der jeweiligen Drehbücher vergleichen kann", schreibt Krug am 29. Mai 2000 und fährt fort: "Das ist sicher etwas aufwändig. Aber der Mann hat etwas davon: Er kann feststellen, welche eigentliche Arbeit ich geleistet habe."
Manfred Krugs Tour mit Tochter Fanny
Doch es gibt in diesen zwei Jahren auch einen Neuanfang. Manfred Krug fängt wieder an zu singen. Schon im Jahr 2000 entstehen in kurzer Zeit mehrere Alben: "Tatort – Die Songs", "Deutsche Schlager" und "Schlafstörung".
Und er geht mit seiner Tochter Fanny, ebenfalls Sängerin, auf Tournee quer durch die Republik. Dabei liest er eigene Kurzgeschichten und singt. Im Tagebuch notiert er die Zuschauerzahlen, den Zustand der Hotels, die Erfolge und Misserfolge.
Zum Beispiel wollen die Zwickauer seine Komplimente für die schönen Klinkerfassaden der Straßenzüge nicht so recht goutieren. "Überhaupt war das Publikum diesmal zäh und leicht trübe. Entsprechend war das Konzert diesmal doppelt so anstrengend wie normalerweise." Das Talent seiner Tochter macht ihn stolz: "Fanny war heute besser denn je, einfacher und swingte wie eine Alte." Das Vatersein sorgt in Krugs Leben in diesen Jahren immer wieder für Lichtblicke.
Überhaupt war das Publikum diesmal zäh und leicht trübe.
Manfred Krug über ein Konzert in Zwickau
Spätes Vaterglück mit Tochter Marlene
Neben seinen erwachsenen Töchtern und einem Sohn gibt es da noch "die Kinder" – so nennt er Petra, eine Schauspielerkollegin und die gemeinsame Tochter Marlene.
Der Skandal, als die späte Vaterschaft ans Licht kam – Krug war 60 und seit 1963 verheiratet – liegt schon ein wenig zurück. Regelmäßig sieht er Mutter und Tochter. Krug hält stolz die Fortschritte der Vorschülerin fest, konstatiert ihre Sprachbegabung. Und vermerkt nicht ohne Genugtuung, dass sich seine Ehefrau Ottilie, die in der Nachbarwohnung lebt, langsam an die Kleine gewöhnt.
Flapsige Sprache, charmanter Humor und scharfe Kritik
So ist "Ich beginne wieder von vorn" eine charmante Zusammenfassung all dessen, was Manfred Krug so unvergessen macht. Seine flapsige Sprache, sein Humor, seine Begabung sich zu echauffieren. Gründe zu Letzterem gibt es viele – allen voran die Weltpolitik, die er verfolgt und mit deutlichen Worten kommentiert.
Erheiternd hingegen sind seine Einschätzungen zur Medienwelt. Krug verfolgt aufmerksam das Fernsehprogramm. Und stößt zum Beispiel eines Nachts auf ein Interview mit ihm und dem Schauspielkollegen Charles Brauer. "Es war einfach wunderbar. Das Ganze ausgerechnet auf dem Schreckenssender MDR." – So bissig und gleichzeitig so charmant zu sein, das gehört wohl zu den ganz besonderen Eigenschaften des Schauspielers, Sängers und Poeten Manfred Krug.
Das Buch
"Manfred Krug - Ich beginne wieder von vorn"
Tagebücher 2000–2001
Herausgeberin: Krista Maria Schädlich
260 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-98568-026-9
Kanon Verlag Berlin
Quelle: (Eva Gaeding)
Redaktionelle Bearbeitung: op
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 18. September 2024 | 07:40 Uhr