Hohe Dunkelziffer Missbrauchsbeauftragte fordert bessere Daten über sexuelle Gewalt

17. Juli 2022, 18:25 Uhr

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, dringt auf bessere Daten über das Ausmaß sexueller Gewalt. Die derzeitigen Statistiken bildeten nur einen Teil ab. Claus forderte eine Forschungsstelle, um Veränderungen bei der Häufigkeit sexuellen Missbrauchs besser abbilden zu können.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, dringt auf eine Verbesserung der Datenlage über das Ausmaß sexueller Gewalt in Deutschland. Es sei ein Skandal, dass es keine validen Zahlen gebe, sagte Kerstin Claus der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Selbst die Polizeiliche Kriminalstatistik bilde nur einen Teil des sogenannten Hellfeldes ab. "Wenn wir aber wissen wollen, ob und wo Personen nach sexueller Gewalterfahrung im Hilfesystem ankommen, brauchen wir auch das Hellfeld des Gesundheitssystems, der Jugendhilfe und der Justiz", betonte sie. 

Forschungszentrum zu sexueller Gewalt gefordert

Notwendig seien zudem Erhebungen über das weitaus größere Dunkelfeld - also den Bereich jener Taten, die den Behörden nicht bekannt werden. Um kontinuierlich Daten erheben zu können, brauche es ein "Forschungszentrum Prävalenz sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen". Nur so ließen sich auch Veränderungen abbilden.

Claus beklagte große Wissensdefizite bei Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. "Es gibt überall riesige Leerstellen, ob das in medizinischen Berufen ist, in pädagogischen oder auch in der Ausbildung von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten", sagte die Missbrauchsbeauftragte. Das Thema sexualisierte Gewalt müsse in den kommenden Jahren daher verpflichtend in den Ausbildungsordnungen und der Weiterbildung für alle Berufszweige verankert werden, die mit Kindern zu tun hätten. 

Kritik an kirchlichem Umgang mit Missbrauch

Von den Kirchen forderte Claus mit Blick auf Missbrauchsfälle "Transparenz und Vergleichbarkeit von Aufarbeitung". Es dürfe nicht vom Zufall abhängen, wie oder ob Aufarbeitung geleistet wird. Claus mahnte an, die Strukturen auf Bundesebene in die Fläche zu bringen: "Gäbe es die Fachlichkeit und die Expertise, wie wir sie im Bund haben, auch in der Fläche in den Ländern, dann wäre sie auch vor Ort nutzbar, in den Sportverbänden, Bistümern, Landeskirchen, Jugendämtern oder Schulen", betonte die Missbrauchsbeauftragte.

Claus ist seit Anfang April Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Sie folgte auf Johannes-Wilhelm Rörig, der das Amt seit 2011 inne hatte. Claus hatte als Journalistin ihren eigenen Fall als Opfer sexuellen Missbrauchs in der evangelischen Kirche öffentlich gemacht.

Statistik zeigt steigende Fallzahlen

Ende Mai hatte eine Sonderstatistik des Bundeskriminalamts ergeben, dass im vergangenen Jahr mehr als 17.700 Kinder und Jugendliche in Deutschland Opfer sexueller Gewalt wurden. Gegenüber 2020 stieg die Opferzahl damit um 4,6 Prozent an. Laut Statistik kamen die Täter meist aus dem persönlichen Umfeld der Opfer.

dpa/epd/KNA (jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. Juli 2022 | 16:45 Uhr

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