Missbrauch in katholischer Kirche Neues Gutachten belastet emeritierten Papst Benedikt schwer
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Ein neues Gutachten zu sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München/Freising listet fast 500 Opfer auf. Zudem belastet es auch den emeritierten Papst Benedikt. Ihm wird in vier Fällen Fehlverhalten in seiner Zeit als Erzbischof mit sexuellem Missbrauch vorgeworfen.

- Ein neues Gutachten zu Missbrauchsfällen belastet den emeritierten Papst Benedikt schwer.
- Der Vatikan will nun das Gutachten genauer prüfen.
- Im Gutachten ist von fast 500 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern die Rede.
Ein neues Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising belastet den emeritierten Papst Benedikt XVI. Er soll in seiner Zeit als Erzbischof nichts gegen Priester unternommen haben, die des Missbrauchs beschuldigt wurden.
Benedikt bestreitet Vorwürfe
Dem Gutachten zufolge war Benedikt 1980 als Erzbischof von München/Freising bei einer brisanten Sitzung anwesend gewesen. In dieser Sitzung wurde entschieden, dass ein bekanntermaßen pädophiler Priester aus Essen in das Erzbistum übernommen und wieder in der Seelsorge eingesetzt werde.
Benedikt, der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, bestreitet die Vorwürfe jedoch und versichert, er habe an der erwähnten Sitzung nicht teilgenommen. Der Gutachter Ulrich Wastl präsentierte jedoch eine Kopie des Sitzungsprotokolls, wonach Ratzinger durchaus teilnahm. Er halte Benedikts Angabe, er sei in dieser Sitzung nicht anwesend gewesen, für "wenig glaubwürdig", sagte Wastl am Donnerstag bei der Vorstellung des Gutachtens. Der übernommene Priester missbrauchte anschließend erneut Kinder.
Am frühen Abend bekundete Benedikt über seinen Sprecher Georg Gänswein "Schock und Scham über den Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker". Bis zum Donnerstagnachmittag habe der 94-Jährige keine Kenntnis über den genauen Inhalt des Gutachtens gehabt, erklärte Gänswein. Benedikt werde das Papier in den kommenden Tagen studieren und bete "für alle Opfer".
Vatikan will Vorwürfe prüfen
Der Vatikan will in den kommenden Tagen detailliert auf das Missbrauchsgutachten blicken. Man werde es einsehen und könne dann angemessen die Details prüfen, erklärte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni, am Donnerstag. Als Reaktion auf die Vorwürfe teilte der Vatikan mit: "Im Bekräftigen des Gefühls der Schande und der Reue für den von Geistlichen begangenen Missbrauch an Minderjährigen, sichert der Heilige Stuhl allen Opfern seine Nähe zu und bestätigt den eingeschlagenen Weg für den Schutz der Kleinsten, indem ihnen ein sicheres Umfeld garantiert wird."
Auch Kardinal Marx wird Untätigkeit vorgeworfen
Auch andere Würdenträger des Erzbistums werden im Gutachten belastet. Dem amtierenden Erzbischof Kardinal Marx etwa wird Untätigkeit in zwei Missbrauchsfällen vorgeworfen. Es sei ungeachtet einer Vielzahl von Meldungen nur in "verhältnismäßig geringer Zahl" festzustellen, dass sich der Kardinal überhaupt unmittelbar mit Missbrauchsfällen befasst habe, sagte Rechtsanwalt Martin Pusch. Außerdem sei Marx in zwei Verdachtsfällen ein konkretes fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen. Marx selbst blieb der Präsentation des Gutachtens fern. Die Gutachter kritisierten dies öffentlich, sie hätten den Kardinal eigens eingeladen.
Kardinal Marx hat am Donnerstagabend auch um Entschuldigung für Missbrauchsfälle in seinem Bistum gebeten. Marx sagte, er sei erschüttert und beschämt. Gespräche mit Betroffenen hätten bei ihm dazu geführt, seine Kirche heute in einem anderen Licht zu sehen. Er fühle sich mitverantwortlich für das Wegsehen von Amtsträgern.
Fast 500 Opfer aufgelistet
Insgesamt listet das Gutachten fast 500 Opfer auf. Genauer geht das Gutachten von 497 Opfern aus - 247 davon männlich und 182 weiblich. Wie die Gutachter mitteilten, waren im Zeitraum zwischen 1945 und 2019 die meisten der Opfer Jungen und männliche Jugendliche, von denen 60 Prozent zwischen acht und 14 Jahre alt waren.
Dem Gutachten für das Münchner Erzbistum zufolge ergaben sich bei 235 von 261 untersuchten Mitarbeitern der Kirche Hinweise auf sexuell missbräuchliche Verhaltensweisen. Davon waren 173 Priester. Es sei aber von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.
Quelle: dpa/AFP/KNA (sra)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 20. Januar 2022 | 14:00 Uhr