ÖPNV9-Euro-Ticket: Branche rechnet mit vollen Zügen
Das "9 für 90"-ÖPNV-Ticket ist Teil des Energie-Entlastungspakets und soll ab dem 1. Juni vor allem Pendlern finanziell entgegenkommen. Die Branche begrüßt das Ticket ebenfalls, warnt jedoch vor sehr hohen Auslastungen auf beliebten Strecken.
- Wegen der Einführung des 9-Euro-Ticket ab Juni rechnet der MDV mit einer höheren Fahrgastauslastung.
- Trotz Urlaubszeit gehe weder der Bundesverkehrsausschuss noch der MDV davon aus, dass das Ticket von Pendlern nicht genutzt werde.
- Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt hingegen vor überfüllten Zügen auf bereits viel genutzten Strecken.
Von Leipzig an die Ostsee nach Graal-Müritz – wer dort Urlaub machen möchte, kann mit dem Regionalexpress in circa sechs Stunden da sein. Ab Juni sind die Kosten für Hin und Zurück voraussichtlich neun Euro pro Person. Das "9 für 90" Ticket hatte die Ampelkoalition ins Spiel gebracht.
Vor allem Pendlerinnen und Pendler sollen entlastet werden. Aber sind sie in den Ferienmonaten nicht eher weniger unterwegs? Nein, sagt der Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsbundes (MDV), Steffen Lehmann: "In der Regel ist es ja so, dass Beschäftigte oftmals zwei bis drei Wochen Urlaubszeit im Sommer nehmen. Und dann bleiben ja immer noch zehn Wochen, um auf die Arbeit zu pendeln und auch genau dafür soll dieses Ticket zum Schnuppern ausprobiert werden."
MDV: Etwa 20 Prozent mehr Fahrgäste
Er schätzt, dass mit dem Ticket etwa zehn bis 20 Prozent mehr Fahrgäste unterwegs sein werden. Das werde der MDV gut verkraften. Lehmann findet die Idee der Bundesregierung deshalb interessant – aber: "Das ist ein immens kurzer Zeitraum, um das sowohl in der Branche in die Umsetzung zu bringen, als aber auch die gesetzlichen Grundlagen seitens der Bundesregierung zu schaffen."
Martin Kröber von der SPD sitzt im Verkehrsausschuss des Bundestages. Auch er sagt, niemand mache drei Monate am Stück Urlaub – deshalb sei das Ticket für Pendlerinnen und Pendler im Sommer genauso sinnvoll wie für andere.
Der Bundesregierung sei es vor allem um Schnelligkeit gegangen: "Ich glaube, dass es ein guter Einstieg ist, eine Entlastung hinzubekommen. Gerade über drei Monate. Durch den Gesetzgebungsprozess, ist das früheste, was man da hinbekommen würde, Anfang Juni. Und wir wollten das auch nicht länger aufschieben."
Pro Bahn warnt vor hoher Auslastung
Kritik an der Umsetzung des 9-Euro-Tickets gibt es vom Fahrgastverband Pro Bahn. Zum Beispiel könnten bestimmte Bahnstrecken ab Juni überfüllt sein, sagt Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann: "Also zum Beispiel von Berlin an die Ostsee, von Hamburg nach Sylt – wo also heute schon am Wochenende und im Sommer viele Menschen die Bahn nutzen. Da müssen jetzt neue und zusätzliche Kapazitäten bereitgestellt werden. Weil nichts wäre schlimmer, wenn man das tolle Neun-Euro-Ticket hat und dann mit dem Zug nicht mitkommt."
Entscheidung gegen 0-Euro-Ticket
Diese Sorge kann Valentin Abel von der FDP verstehen, der ebenfalls im Verkehrsausschuss des Bundestages sitzt. Deshalb habe man entschieden, das Ticket nicht kostenlos anzubieten.
Abel erklärt: "Das ist erstens wichtig, um nicht absolute Spaßfahrten dazu zu bekommen. Das ist aber auch wichtig, damit wir den Nutzen dieses Tickets evaluieren können und schauen können, was wir für die Zukunft daraus mitnehmen können."
Am 18. oder 19. Mai soll der Bundestag über das "9 für 90"-Ticket abstimmen. Wenn es kommt, rät Carsten Schulze-Griesbach von Pro-Bahn Mitteldeutschland: Das Geld, das man über das Ticket spart, lieber zur Seite legen – um teureren Strom oder Heizkosten zu bezahlen.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 13. April 2022 | 06:11 Uhr
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