Gesundheitspolitik Reform der Organspende kommt nicht voran

09. April 2023, 05:00 Uhr

Im Bundestag ist derzeit keine Reform der aktuellen Zustimmungsregelung bei Organspenden geplant. Das ergaben Anfragen von MDR AKTUELL. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirbt angesichts sinkender Spenderzahlen zwar für die sogenannte Widerspruchslösung, scheut aber einen neuen Vorstoß. Bayern plant eine Länderinitiative.

Aktuell gilt in Deutschland die sogenannte Zustimmungslösung. Das heißt, Verstorbenen dürfen Organe nur entnommen werden, wenn dafür zu Lebzeiten eine Zustimmung erteilt wurde. Doch die Bereitschaft, die Zustimmung zu formulieren, ist niedrig.

Organspenden reichen nicht

Die Spenderzahlen seien stabil, aber gering, erklärt Dr. Caterina Reuchsel. Die Medizinerin ist die Transplantationsbeauftragte am Waldklinikum im thüringischen Gera. Zwei Organe würden an ihrem Krankenhaus im Durchschnitt pro Jahr gespendet. Das sei zu wenig, um wartende Patienten zu versorgen. Ein Grund dafür ist aus ihrer Sicht mangelnde Aufklärung. Viele Angehörige von Patienten sagten, sie wüssten zu wenig über das Thema Organspende. Angehörige spiegeln, dass nur wenige über das Thema bescheid wüssten. Reuchsel hofft, "dass sich mehr damit auseinandersetzen, dass das den Leuten nochmal bewusst wird".

Und das ist auch das, was die Angehörigen widerspiegeln, dass es wenige gibt, die darüber Bescheid wissen. Die Hoffnung wäre halt, dass sich mehr damit auseinandersetzen, dass das den Leuten nochmal bewusst wird.

Caterina Reuchsel Waldklinikum Gera

Widerspruchslösung könnte schnell helfen

Immerhin, in diesem Jahr habe es schon zwei Spenden am Geraer Waldklinikum gegeben, sagt Reuchsel. Die Thüringer Medizinerin hat die Hoffnung, dass die Spenderzahl in diesem Jahr steigt.

Neben besserer Aufklärung wäre aus Sicht von Reuchsel die Einführung der sogenannten Widerspruchslösung effektiver. Statt aktiv einer Organspende zuzustimmen, durch einen Spendeausweis zum Beispiel, wäre bei der Widerspruchslösung jeder Erwachsene potenziell ein Organspender – außer, man widerspricht. Das funktioniere in anderen Ländern auch sehr gut, wie die Zusammenarbeit in Europa bei Organtransplantationen zeige.

Deutschland ist eines der wenigen Länder, die eine aktive Zustimmung brauchen und keine Widerspruchslösung haben.

Caterina Reuchsel Waldklinikum Gera

Deutschland liegt bei Organspende weit hinten

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt die Bundesrepublik bei den Organspenden weit hinten. Die Zahl sank im vergangenen Jahr um knapp sieben Prozent. Ein Versuch, die Widerspruchslösung einzuführen, war vor drei Jahren im Bundestag gescheitert.

Gegner kritisierten damals die Widerspruchslösung als unzulässigen Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht. Nun drängt Bundesgesundheitsminister Lauterbach erneut auf eine Reform. Doch vom Ministerium heißt es auf Nachfrage von MDR AKTUELL, Lauterbach werde selbst keinen Reformvorschlag auf den Tisch legen. Dieser müsse angesichts der ethischen Dimension des sensiblen Themas aus der Mitte des Bundestages kommen.

Union wirft Lauterbach Verweigerungshaltung vor

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge, kritisiert Lauterbach für seine Zurückhaltung. Wenn dieser als Minister eine Lösung wolle, dann müsse er auch einen Vorschlag unterbreiten. Doch bislang habe Lauterbach das nicht getan und schiebe quasi die Verantwortung an den Bundestag ab.

Lauterbach, sagt Sorge, müsse zumindest die Voraussetzungen schaffen und dafür werben – und dürfe sich nicht das Leben leichtmachen und sagen, "das muss mal irgendwie der Bundestag entscheiden".

Kein fraktionsübergreifender Vorstoß in Sicht

Dennoch, der Bundestag könnte aus seiner Mitte heraus selbst eine Reform anstoßen. Doch von den Parteien gibt es derzeit keinerlei Initiative für einen neuen Anlauf für die Widerspruchslösung. Das teilten alle Bundestagsfraktionen MDR AKTUELL mit. Die AfD-Fraktion äußerte sich nicht zum Thema.

Behälter zum Transport von Organen 4 min
Bildrechte: picture alliance/dpa

Eine Reform liegt damit weiter auf Eis. Ein Zustand, der nicht zufriedenstellen kann, findet Axel Rahmel, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Er wirbt für die Widerspruchslösung und widerspricht Befürchtungen, dass die Menschen damit automatisch zu Organspendern werden. Ein wichtiger Aspekt sei, dass "Widerspruchslösung" keinesfalls heiße, dass man automatisch und unwidersprochen Organspender werde. In allen Ländern mit Widerspruchslösung ist es selbstverständlich so, dass immer auch die Angehörigen gefragt werden. Es sei wichtig, hier Ängste zu nehmen.

Bayern plant mit anderen Ländern neuen Anlauf

Einzig im Bundesrat gibt es derzeit Bewegung. Vor wenigen Tagen erklärte das bayerische Gesundheitsministerium, es arbeite zurzeit gemeinsam mit anderen Bundesländern an einem neuen Vorstoß. Ziel sei eine neue Abstimmung im Bundestag über die Widerspruchslösung.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 09. April 2023 | 06:00 Uhr

20 Kommentare

Maria A. am 10.04.2023

Lyn, aber sehr viele Menschen leiden an Verdrängeritis. Um das zu wissen, muss man nicht mal gewisse Reportagen bei Privatsendern gesehen haben. Es gibt sogar Mitmenschen, die Schreiben mit amtlichen Charakter generell ignorieren. Da dies kein Geheimnis ist und die Anzahl der Organspender zu gering, drängt sich der Gedanke auf, das genau das die Idee entstehen ließ für die Umkehr der Verfahrensweise.

Taus RanderS am 10.04.2023

@ Maria A.

Oh je. Weitere Diskussionen sind nahezu unmöglich, da sie weder die Grundzüge der Organverteilung kennen (sie sprechen von "Organhandel") noch die der Bezahlung der Organspende ("einträgliches Geschäft" bei "Kassenflaute").

Sie bedienen (oder unterliegen) die/ der Vorstellung, dass ein "Reicher" einem Arzt oder Krankenhaus Geld gibt und dafür Organe bekommt. Man kann den Hirntod eines Patienten aber nicht "planen" und die Transplantation auch nicht heimlich an den offiziellen Kanälen vorbei durchführen.

Atze71 am 10.04.2023

@Matthi... hier geht es nicht um verdrängen oder das es das falsche Thema ist. Hier gibt es nur "Ja" oder "Nein". Da braucht man nicht zu Ostern im Forum zu philosophieren was, warum, weshalb. Das ist ein persönliches Thema was sicher die meisten von uns schon beantwortet haben.
Wie dieses "Ja" oder "Nein" umgesetzt wird entscheiden Politiker. Das die nicht viel auf die Reihe kriegen haben wir die letzten Jahre gemerkt. Warum soll das bei dem Thema anders sein?
Achso... ich gebe keine Organe ...

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