PflegenotstandKassenverband warnt vor Kollaps der Pflegeversicherung
Die gesetzlichen Krankenkassen drängen auf eine grundsätzliche Reform der sozialen Pflegeversicherung. Dazu sei ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt nötig. Der Gesundheitsökonom Stefan Greß spricht von einem Konstruktionsfehler bei der Finanzierung, der endlich korrigiert werden müsse. Dazu kommt noch der Fachkräftemangel, ein Pilotprojekt soll Aussteiger zurück in den Job holen.
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Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hat wegen anhaltender Finanzengpässe eine grundlegende Überarbeitung der sozialen Pflegeversicherung gefordert. Vizevorstand Gernot Kiefer sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wenn die Pflegeversicherung auch in den Jahren 2025 bis 2040 funktionieren soll, muss das System jetzt reformiert werden". Schon nächstes Jahr drohten große Probleme.
Gesundheitsökonom: Konstruktionsfehler bei Pflegeversicherung muss korrigiert werden
Auch der Fuldaer Gesundheitsökonom Stefan Greß hält eine Reform der Pflegeversicherung für unausweichlich. Greß sagte MDR AKTUELL, das System sei in einem besorgniserregenden Zustand. In der stationären Pflege müssten die Patienten immer höhere Eigenanteile zahlen oder zur Sozialhilfe gehen, Bedürftige in der ambulanten Pflege bekämen immer weniger Leistungen.
Der Forscher führte das auf einen bis heute nicht behobenen Konstruktionsfehler des Systems zurück. Bei steigenden Kosten müssten erst einmal die Pflegebedürftigen mehr zahlen, und die Pflegeversicherung mit ihren festen Leistungssätzen ziehe dann irgendwann später nach.
2023 Pflegeausgaben von 56 Milliarden Euro
Laut GKV sind die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung 2023 auf 56 Milliarden Euro gestiegen. Binnen fünf Jahren entsprach das einem Plus um 50 Prozent, binnen zehn Jahren mehr als einer Verdoppelung. Bei wachsendem Bedarf sei schon ab 2025 die Finanzierung nicht mehr gewährleistet.
Kiefer zufolge kann die Regierung einen Umbau aber nicht allein gewährleisten. Er schlug die Einsetzung einer Enquete-Kommission noch dieses Jahr vor. Alle relevanten Gruppen – Parteien, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Wissenschaft und pflegende Angehörige – müssten gemeinsam Lösungen finden.
Pilotprojekt zur Reaktivierung ausgestiegener Pflegekräfte
In Bremen ist indes ein nach Angaben der Initiatoren bundesweit einmaliges Modellprojekt gestartet, um ausgestiegene Pflegekräfte und Hebammen wieder für ihren Beruf zurückzugewinnen. Über vier Jahre sollen Konzepte und Ideen zusammen mit Mitarbeitenden entwickelt und erprobt werden. Im Kern geht es um bessere Arbeitsbedingungen, verlässlichere Dienstpläne und ein wertschätzenderes Betriebsklima.
Projektleiterin Güzide Kadah sagte, im ersten Schritt sollen dazu vorübergehend zusätzliche Leiharbeitskräfte eingestellt werden, um das bisherige Personal zu entlasten. Anstrengende Arbeitsbedingungen durch Personalnot gelten als Hauptgrund, warum ausgebildete Pflegekräfte und Hebammen ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aussteigen.
Laut der Studie "Ich pflege wieder, wenn…" würden allein in Bremen bis zu 1.500 ausgebildete Pflegefachkräfte mit Berufserfahrung bei besseren Arbeitsbedingungen wieder in die Pflege zurückkehren. Bundesweit könnten es hochgerechnet 300.000 sein.
AFP, KNA (ans)
Dieses Thema im Programm:Das Erste | ARD-Mittagsmagazin | 09. Februar 2024 | 13:10 Uhr