Reaktionen aus der Medizin Schwangerschaftsabbruch könnte Schwerpunkt im Medizinstudium werden
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08. Juli 2022, 05:00 Uhr
Als nächsten Schritt nach der Streichung des Paragraphen 219a zum Werbeverbot für Abtreibungen möchte Bundesfamilienministerin Lisa Paus Methoden zu Schwangerschaftsabbrüchen stärker ins Medizinstudium integrieren. Für den Vorschlag erntet sie in der Medizin sowohl Lob als auch Kritik. Eine dafür notwendige Reform der Approbationsordnung stockt derzeit aus anderen Gründen.
- Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden fordert eine verpflichtende Verankerung des Themas Schwangerschaftsabbrüche im Medizinstudium.
- Der Verein ALfA hingegen plädiert für eine Beschränkung auf die jeweilige Facharztausbildung.
- Ein Lernzielkatalog mit medizinischen Grundlagen könnte ein Kompromiss sein – das erfordere jedoch eine Reformierung der Approbationsordnung.
Schon jetzt wird an den medizinischen Fakultäten der Unis zum Thema Schwangerschaftsabbrüche gelehrt. Wie viel – darüber entscheiden aber die einzelnen Fakultäten. Nachwuchsärztinnen und -ärzte kennen sich also unterschiedlich gut mit dem Thema aus, wenn sie die Uni verlassen, berichtet Katharina Freitag, Medizinstudentin an der Universität Leipzig.
Sie sagt: "Es wird größtenteils schon thematisiert, aber das kann eben von einer tatsächlich tiefen Auseinandersetzung, auch mit den ethischen und rechtlichen Fragestellungen über auch einfach zwei Vorlesungsfolien reichen, wo einmal draufsteht, dass es drei Methoden gibt und fertig."
"Schwangerschaftsabbrüche sollen Pflichteinheit im Studium werden"
Katharina Freitag ist in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland für das Thema Ausbildung zuständig. Ihr Verband begrüße den Vorstoß der Bundesfamilienministerin und habe auch konkrete Vorstellungen zur Umsetzung: Die Theorie zu Schwangerschaftsabbrüchen sollte Pflichteinheit werden.
Zusätzlich sollte es auch die praktische Durchführung an einem Simulator geben – als freiwilliges Angebot: "Diese Möglichkeit sehen wir jetzt nicht in der verpflichtenden Lehre, aber das sollte allen interessierten Medizinstudierenden ermöglicht werden. Und das ist aktuell noch nicht flächendeckend so, aktuell wird das häufig eher von interessierten Studierenden für andere Studierende organisiert."
ALfA: sollte nur Teil der Facharztausbildung sein
Kritik kommt dagegen von Cornelia Kaminski, der Vorsitzenden des Vereins Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA): "An dem Vorschlag stört mich, dass Mediziner verpflichtet werden sollen, eine Leistung zu erbringen, oder eine Sache zu erlernen, die sie möglicherweise gar nicht lernen möchten oder die sie auch in ihrem Leben nicht tun wollen."
Ob zum Beispiel angehende Orthopäden und Psychiater unbedingt genau Bescheid wissen müssten, wie theoretisch eine Abtreibung vonstatten geht, sei fraglich – das gehört nach Meinung von Kaminski in die Facharztausbildung. "Das Medizinstudium ist so irrsinnig belastet, die müssen so wahnsinnig viel lernen, dass ich denke, das ist ein Stoff, den kann man sich sparen", bekräftigt die Vorrsitzende.
Fakultätentag schlägt Lernzielkatalog vor
Frank Wissing, Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentags, dem Verband der Medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Deutschlands, kann das nachvollziehen. Nach intensiven Diskussionen seien sich aber Expertinnen und Experten einig gewesen, dass es gewisse Grundlagen gibt, die alle Medizinstudierenden lernen müssten. Dafür wünscht er sich ein einheitliches Vorgehen an den Unis.
Die Pläne dafür gibt es sogar schon: In Form eines Lernzielkatalogs, den der Medizinische Fakultätentag schon vor einigen Jahren erarbeitet hat: "Da ist das Thema Schwangerschaftsabbruch an vielen Stellen etwas konkreter benannt, und wir würden uns natürlich wünschen, dass dieser Lernzielkatalog auch Eingang in die Approbationsordnung findet."
Dafür müsste die Approbationsordnung, die den inhaltlichen Rahmen für das Medizinstudium festlegt, reformiert werden. Ein Prozess, der derzeit allerdings feststeckt, weil sich Bund und Länder nicht über die Finanzierung einig werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. Juli 2022 | 06:00 Uhr