Genforschung
80 Prozent aller seltenen Erkrankungen haben eine genetische Ursache. Bildrechte: imago images/Westend61

Liste von Anlaufstellen Seltene Erkrankungen: Hier finden Betroffene Hilfe

28. Februar 2024, 12:19 Uhr

Williams-Beuren-Syndrom, Marfan-Syndrom oder akute intermittierende Porphyrie: Den wenigsten Menschen sind diese Krankheiten ein Begriff. Sie gehören zu den Seltenen Erkrankungen. Also Krankheiten, an denen jeweils nur sehr wenige Menschen leiden. Am 29. Februar soll auf diese Krankheiten, aber auch auf die Betroffenen und ihren langen Weg zur Diagnose aufmerksam gemacht werden. In Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen unter einer Seltenen Erkrankung.

Was ist eine "Seltene Krankheit"?

Auf den ersten Blick gibt es viele Betroffene: 300 Millionen Menschen weltweit leiden an einer Seltenen Erkrankungen. Aktuell werden weit über 7.000 Erkrankungen als "selten" eingestuft. Manche dieser Erkrankungen betreffen gerade mal ein Dutzend Menschen weltweit. Fast 80 Prozent der Seltenen Erkrankungen haben eine genetische Ursache.

Generell sprechen Mediziner von einer Seltenen Erkrankung, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen in der EU von ihr betroffen sind. Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung, so die Angaben des Nationalen Aktionsbündnisses für seltene Erkrankungen (NAMSE).


Ein junge mit Marfan-Syndrom
Die langen Hände sind typisch für das Marfan-Syndrom. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | Nicola_Leffers

Beispiel Marfan-Syndrom Das Marfan-Syndrom ist eine vererbte Erkrankung. Hier führt die Instabilität des Bindegewebes zu verletzlichen Wänden der Blutgefäße, wie der Aorta. Auch Herzklappenfehler treten auf. Die Linse kann nicht im Auge gehalten werden. Marfan-Patienten fallen oft durch ihre Größe und lange Gliedmaßen auf.

Die lange Suche nach der Diagnose

Die Seltenheit dieser Erkrankungen bringt es mit sich, dass sie häufig lange nicht erkannt werden. Professor Johannes Lemke, Leiter des Zentrums für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Leipzig, sagt, dass es im Schnitt fünf Jahre dauere, ehe der Patient seine Diagnose bekomme: "Da braucht es viele Besuche bei unterschiedlichen Ärzten." Der Weg zur richtigen Diagnose sei auch dadurch gekennzeichnet, dass es viele Fehldiagnosen geben könne.

Natürlich wisse jeder Arzt, dass es Seltene Erkrankungen gebe, meint Lemke. Jeder Facharzt wisse auf seinem Fachgebiet von diversen Seltenen Erkrankungen. Doch seien manche Krankheiten so selten, dass der Arzt sie gar nicht kennen könne. "Wenn gerade so ein Patient zum Arzt kommt, ist das vielleicht das erste und einzige Mal in seiner beruflichen Laufbahn, dass er mit dieser Erkrankung konfrontiert wird," erklärt Lemke.

Erschwerend ist, dass manche Seltene Erkrankungen Symptome aus ganz verschiedenen Fachbereichen zeigen. Doch nicht nur die langwierige Suche nach einer Diagnose steigert den Leidensdruck auf Betroffene. Auch wenn eine Krankheit erkannt ist, kann sie nicht unbedingt gezielt therapiert werden. "Das ist leider nur bei sehr wenigen seltenen Erkrankungen der Fall, dass man aus der Diagnose konkrete therapeutische Konsequenzen ableiten kann," bedauert der Mediziner Lemke.

Ein Mädchen mit Williams-Beuren-Syndrom
Ein Mädchen mit Williams-Beuren-Syndrom. Bildrechte: ACHSE e.V./Verena Müller/dpa

Beispiel Williams-Beuren-Syndrom Das Williams-Beuren-Syndrom ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die mit zahlreichen und unterschiedlichen Symptomen einhergehen kann. Neben kognitiven Behinderungen können Hörstörungen, ein leichter Minderwuchs oder auch ein vergleichsweise kleiner Kopf auftreten. Markant gilt für die Erkrankung das sogenannte "Elfengesicht" mit einer breiten Stirn, einer tiefen Nasenwurzel bei kugeliger Nasenspitze, einem langen Abstand zwischen Nase und Mund sowie den vollen Lippen.

Hilfe durch Vernetzung

Sowohl auf medizinischer Ebene als auch unter den Betroffenen sind in den vergangenen Jahren mehr und mehr Zusammenschlüsse und Netzwerke entstanden. Die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e. V. – kurz ACHSE – ist der Dachverband für Betroffene. Sie fordert die Politik auf, flächendeckende Versorgungsstrukturen aufzubauen. Bislang liegt die Expertise vor allem in den Zentren für Seltene Erkrankungen, die es an fast jedem Universitätsklinikum gibt. Je nach Ausrichtung der Klinik sind die Zentren häufig auf bestimmte Erkrankungen spezialisiert.

National wie international gibt es Bemühungen, diese Zentren zu vernetzen. Professor Lemke sieht darin nur Vorteile für Patienten: "Es ist gut zu wissen, wenn sich ein Patient mit dieser oder jener Erkrankung meldet, dass es vielleicht in einer anderen Stadt einen Ansprechpartner gibt, der eine viel größere Expertise hat."

Stephen Hawking
Der wohl bekannteste ALS-Patient: der 2018 verstorbene Stephen Hawking Bildrechte: IMAGO / Kyodo News

Beispiel Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) Amyotrophe Lateralsklerose gehört zu den degenerativen Erkrankungen des motorischen Nervensystems. Durch das allmähliche Zugrundegehen der Nervenzellen im Rückenmark kommt es zu Muskelschwund, Lähmungen und dem Abbau bestimmter Gehirnareale, die die Bewegungsfähigkeit weiter einschränken. Die Krankheit verläuft tödlich, da die voranschreitende Lähmung auch Schluckvermögen und Atemwege erreicht. Die bekannteste Persönlichkeit mit der Diagnose ALS war Stephen Hawking.

Ein Zusammenspiel von Zentren und Austausch

Auch für die Forschung spielt die Vernetzung solcher Zentren eine wichtige Rolle. Mediziner, die sich mit einer Seltenen Erkrankung beschäftigen, sind laut Lemke darauf angewiesen, von Patienten mit dieser Krankheit zu erfahren. Doch trotz Vernetzung seien die Zentren für Seltene Krankheiten essentiell. Patienten einer bestimmten Erkrankung an einem Ort könnten die Forschung erleichtern - und vielleicht auch zu wichtigen Fortschritten in der Therapie führen.

Eine junge Frau bei Gehübungen.
Die heute 24-jährige Agnes Binzenhöfer kämpft seit sechs Jahren mit der Krankheit. Sie war sogar ins Koma gefallen und musste danach Laufen, Sprechen und Greifen erst wieder mühsam lernen. Bildrechte: Agnes Binzenhöfer

Beispiel Akute intermittierende Porphyrie (AIP) Die akute intermittierende Porphyrie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung der Leber. Nur eine von 100.000 Personen leidet an dieser seltenen Krankheit. In ganz Deutschland sind seit 1965 ca. 5.000 Fälle von AIP registriert worden. Bei der Krankheit kann der Körper einen Stoffwechselprozess in der Leber nicht richtig ausführen, was dazu führt, dass sich der Körper vergiftet. Die Giftstoffe greifen auch das vegetative Nervensystem an und sorgen für starke Bauchschmerzen, Lähmungserscheinungen und Halluzinationen.

Hier finden Betroffene Hilfe - Zentren für seltene Erkrankungen in Mitteldeutschland

  • Sachsen

UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Bereich Neurodegenerative Erkrankungen
Fetscherstraße 74
01307 Dresden

  • Thüringen

Universitätsklinikum Jena
Zentrum für seltene Erkrankungen
Universitätsklinikum Jena
07740 Jena

  • Sachsen-Anhalt

Mitteldeutsches Kompetenznetz Seltene Erkrankungen
Postadresse:
MKSE, Haus 10, Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R.
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg

  • Bundesweit

Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE)
Geschäftsstelle des Nationalen Aktionsbündnisses für
Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE)

  • Weitere Informationsangebote

ACHSE e.V. (Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen) ist ein Netzwerk für Menschen, die mit seltenen Erkrankungen leben. In der ACHSE haben sich rund 100 Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen. Das Netzwerk fördert den Erfahrungsaustausch, bündelt Informationen und verschafft den Betroffenen von seltenen Erkrankungen mehr Gehör. Wer vermutet ohne Diagnose unter einer seltenen Erkrankung zu leiden, kann sich an die Betroffenen- und Angehörigenberatung der ACHSE wenden.

Die Care-for-Rare Foundation wurde gegründet, um Kindern mit seltenen Erkrankungen schneller Zugang zu einer modernen genetischen Diagnostik und zu neuen Therapieverfahren zu ermöglichen. Die Stiftung fördert die Erforschung von seltenen Erkrankungen, mit Schwerpunkt auf Krankheiten des Blutes und des Immunsystems. Mit der Erforschung seltener Erkrankungen sollen auch Einsichten in allgemeine biologische Zusammenhänge gewonnen werden.

Das Orphanet ist ein Informations-Portal für seltene Krankheiten. Es richtet sich an Mediziner und Wissenschaftler, aber auch an Betroffene. Es wurde 1997 vom französischen Gesundheitsministerium gegründet. Heute wird es von einem Konsortium von 40 europäischen Ländern betrieben. Es hat zum Ziel, die Diagnose, Versorgung und Behandlung von Patienten mit seltenen Krankheiten zu verbessern. In einer großen Datenbank kann man nach seltenen Erkrankungen recherchieren und sich zu Spezialsprechstunden, medizinischen Labors, laufende Forschungsprojekte, Netzwerken und Selbsthilfegruppen informieren.

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MDR (cbr) Erstmals erschienen am 23.02.2022.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 02. März 2023 | 21:00 Uhr

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