MassentierhaltungWarum lange Tiertransporte noch immer der Standard sind
Wer Fleisch kauft, erlebt öfter beim Blick aufs Etikett Hinweise wie diesen: geboren in Lettland, gemästet in Niederlande, geschlachtet in Belgien, zerlegt in Deutschland. MDR-Hörer Roland Feller aus Pirna fragt sich hierzu: "Sollte dieser 'Tiertourismus' nicht längst eingeschränkt werden?"
- Grund für die kleinteiligen und langen Lieferketten ist die Spezialisierung der Betriebe in der Fleischverarbeitung
- Außerdem haben gerade die angehobenen Regeln zum Tierwohl in Deutschland zur Folge, dass ein Großteil der Fleischindustrie ins Ausland verlegt wird
- Ab 2025 sollen Verbraucher jedoch besser einsehen können, wie die Tiere gehalten wurden
Der statistisch errechnete Verbrauch von Fleisch liegt in Deutschland bei etwa 50 Kilo pro Kopf im Jahr. Im letzten Jahrzehnt ist dieser Wert leicht gesunken, am beliebtesten auf deutschen Tellern ist das Schweinefleisch.
Aber egal ob Schwein, Rind, oder Geflügel – tatsächlich sei es die absolute Ausnahme, dass ein Tier am Geburtsort auch aufgezogen und später geschlachtet wird, sagt Patrick Müller vom BUND. "Das liegt insbesondere daran, dass die Betriebe sehr spezialisiert sind. Einige halten Sauen, die dann die Ferkel bekommen. Die Ferkel werden dann verkauft an einen Aufzüchter, die der dann wiederum an einen Mäster verkauft."
Betriebe auf einen Teil der Fleischverarbeitung spezialisiert
Der Mäster schlachte selbst aber auch nicht mehr, da auch die Schlachtbetriebe höchst spezialisiert seien, erklärt Patrick Müller. "Und deshalb geht es dann zum Schlachter, der verarbeitet aber gar nicht unbedingt, sondern das wird dann weiter geliefert an einen Verarbeiter. Und der macht dann beispielsweise Wurst daraus oder irgendwelches Grillgut."
Und in dieser langen Kette legen die Tiere auch viele Kilometer zurück, teils über Landesgrenzen hinweg, bestätigt Müller die Annahme des Hörers. "Die Landwirtschaft ist ein ganz normaler Wirtschaftszweig, in Anführungsstrichen, wo, muss man leider sagen, sehr viel auf Wirtschaftlichkeit und leider nicht ganz so viel auf das Tierwohl geguckt wird. Gerade die Langstreckentransporte sind keineswegs gut für die Tiere, sondern sind immer mit gewissem Leid verbunden. Und es wäre sehr viel besser, wenn die Aufzucht und die Mast mindestens auf einem Betrieb stattfinden würde. Und auch für die Schlachtung gibt es durchaus Alternativen, wie Tiere auf dem Hof geschlachtet werden können. Das findet aber bisher nur ganz selten statt."
Verschärfte Regeln zum Tierwohl führen zu langen Transporten
Weil das, sagt Müller, sehr viel teurer wäre – für den Endverbraucher. Und zu wenige bislang bereit seien, diese im Sinne des Tierwohl sehr viel höheren Preise zu zahlen. Ähnlich sieht das auch Nora Hammer vom "Bundesverband Rind und Schwein". Hinzu komme, dass es zwar auf EU-Ebene grundsätzlich einheitliche Rahmenbedingungen gäbe, was Mindeststandards bei Aufzucht und Schlachtung betrifft. Deutschland jedoch, eigentlich im Sinne des Tierwohls, diese in den letzten Jahren angehoben habe.
Das Ergebnis, so Hammer: "Das führt ganz klar zu Wettbewerbsverzerrungen. Das heißt, in anderen Mitgliedstaaten können zu wesentlich geringeren Kosten Tiere geboren und aufgezogen werden. Es ist dann ökonomisch sinnvoller, zum Beispiel fürs Schwein: die Ferkel werden in Dänemark, in den Niederlanden günstiger aufgezogen, kommen dann nach Deutschland zur Mast und werden dann auch hier geschlachtet. Auf der anderen Seite haben wir durch eine deutlich strengere Gesetzgebung auch das Problem, dass immer mehr Schlachthöfe zumachen. Und die Fahrtstrecken zu den Schlachthöfen dann lang werden."
Neues Gesetz soll die Tierhaltung für Verbraucher transparenter machen
Was auch schlecht sei für die Tiere, weil sie auf langen Fahrten mehr leiden. Gerade sei da aber einiges in Bewegung, sagt Hammer. "Es gibt ja dieses neue Tierhaltungskennzeichengesetz, wo dann ab nächstem Jahr auch alle Tiere in ihren Haltungsbereichen transparent gemacht werden sollen für den Verbraucher, dass der bewusst entscheiden kann, was er an der Ladentheke kauft. Das unterstützen wir auch absolut, also auch von landwirtschaftlicher Seite und von Wirtschaftsseite. Und was wir ebenfalls sehr unterstützen ist diese starke Regionalisierung, dass das Tier in Deutschland geboren gehalten, gemästet, geschlachtet und auch verarbeitet wurde."
Der Weg dahin scheint noch lang, weil sich viele Seiten erst über die höheren Standards, besseren Haltungsformen und dann auch kürzeren Wege abstimmen müssen.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 23. Januar 2024 | 07:21 Uhr