Verkehrsverbünde OstsachsenZVON und VVO sollen fusionieren – endlich einheitliche Preise und Fahrpläne?
In der einen Region kostet eine zweistündige Bahnfahrt vier Euro, in der anderen drei. In der einen darf man Fahrräder im Zug mitnehmen, in der anderen nicht. Diese Unterschiede kommen dadurch zustande, dass es in Deutschland mehr als sechzig Tarif- und Verkehrsverbünde gibt. In Ostsachen schließen sich nun zwei zusammen. Was bedeutet das für den öffentlichen Nahverkehr?
- Dass die beiden Verkehrsverbünde in Ostsachsen fusionieren, ist eine kleine Verkehrsrevolution.
- Für Verkehrsforscher Andreas Knie geht das jedoch nicht weit genug: Er fordert weniger Bürokratie und eine Zentralisierung des Regionalverkehrs.
- Rückenwind für diese Forderung kommt vom Sächischen Verkehrsminister.
Es klingt eher nach Zweck-Ehe, als nach einer Liebesheirat: Der ZVON, der Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien, und der VVO, der Verkehrsverbund Oberelbe, sollen sich vereinen. So wünschen es Landespolitik, Landräte und Bürgermeister, so steht es nun in einer Absichtserklärung.
Eine kleine Verkehrsrevolution
Wer an dieser Stelle gähnt, möge wach bleiben. Es geht tatsächlich um eine kleine Verkehrsrevolution. Warum es die braucht, versteht man bei den Worten von Christoph Mehnert, derzeit Chef des ZVON. "Der VVO hat seinen eigenen Tarif, der ZVON hat seinen eigenen Tarif. Und es ist in den vergangenen Jahren aus unterschiedlichen Gründen leider nicht gelungen, diese Tarife in der Form zueinander zu bringen, wie es sich die Fahrgäste gewünscht haben und wie ich es mir auch selber gewünscht habe." Mit einer Fusion, so die Idee, könnte es in Ostsachsen dann doch noch ein einheitliches Tarifsystem geben und einen gemeinsamen Nahverkehrsplan.
Verkehrsforscher: zu viel Bürokratie
Für den Verkehrsforscher Andreas Knie kann das nur der Anfang sein. Sachsen habe fünf Zweckverbünde für Nahverkehr. Das gesamte System sei zu kleinteilig – und zwar bundesweit.
Die 16 Milliarden Euro, welche der Bund den Ländern für den Nahverkehr gebe, würden nicht effizient genutzt: "Die Hälfte dieses Topfes geht allein in die Bürokratie zur Finanzierung dieser Zweckverbünde. Das heißt, es kommt gar nicht beim Zug- oder beim Buspersonal an. Das heißt, wir haben immer mehr Bürokratie und immer weniger tatsächlich operative Leistung für den Kunden."
Was so viel Bürokratie verursacht: Strecken müssen ausgeschrieben, Sitzplatzabstände definiert, Züge bestellt werden – alle paar Jahre wieder, in jeder Region neu.
Verkehrsforscher will Regionalverkehr zentralisieren
Knie fände es gut, wenn künftig alles wieder aus einer Hand käme: "Wir schlagen vor, dass man den ganzen Regionalverkehr, die ganzen Ausschreibungsstrukturen wieder zurücknimmt und zurück zu einer integrierten Bahn kommt. Das heißt also: Die Länder geben die Hoheit über den Schienen-Personennahverkehr an eine zentrale Einheit ab. Die kann das dann bundesweit gestalten, kann dann die berühmten Synergien schaffen." Damit würden Landkreise und Länder allerdings ihre Hoheit über dieses Verkehrsangebot verlieren. Ob das alle mitmachen?
Rückenwind vom Sächsischen Verkehrsminister
Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig will den Nahverkehr schon länger in einer Landesverkehrsgesellschaft bündeln. Der SPD-Politiker scheiterte damit an seinen Koalitionspartnern.
Dass in Ostsachsen zwei Verkehrsverbände nun freiwillig fusionieren, findet er gut: "Ich halte mal hier die These, dass wir im nächsten Jahr nur noch über drei Verbände reden. Vielleicht schaffen wir es sogar, uns auf einen Verband zu einigen. Denn ich habe jetzt beim Zusammenschluss von den Ostsachen vier Millionen Euro zur Verfügung gestellt, damit die Transformation funktioniert. Ich werde jedes Jahr weniger Geld zur Verfügung stellen. Von daher kann es auch im Interesse der Zweckverbände sein, bei der Fusion jetzt auch eine Entscheidung mitzutreffen."
Finanzieller Druck hat schon oft geholfen, Dinge zu beschleunigen. Stellt sich nur die Frage, ob Dulig nach den Landtagswahlen noch Verkehrsminister ist. Die Fusion in Ostsachsen hängt davon nicht ab. In reichlich zwei Jahren könnten die beiden Verkehrsverbünde fusioniert sein.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 29. August 2024 | 06:08 Uhr