Ein Autofahrer der im Auto von der Sonne geblendet wird.
Die Sehleistung nimmt mit dem Alter ab. Bildrechte: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Verkehrssicherheit Regelmäßiger Sehtest für Autofahrer?

11. Juli 2022, 11:23 Uhr

Wer in Deutschland eine Pkw-Fahrerlaubnis machen will, muss zuvor einen Sehtest absolvieren. Ist der Führerschein erst mal in der Tasche, wird die Sehtauglichkeit nur dann wieder in Frage gestellt, wenn man einen Unfall baut. Wie kann das sein, wo sich doch die Sehstärke im Alter maßgeblich verschlechtert? Das fragt sich auch MDR-AKTUELL-Hörerin Marlen Uhlig, die selbst Optikerin ist: "Warum muss nicht jeder Besitzer einer Fahrerlaubnis in Deutschland diesen Test ab einem gewissen Alter machen?"

Hanno Griess, Moderator und Redakteur
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Unter der alten Bundesregierung war es einfach. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU erledigte das Thema "wiederholter Nachweis der Fahrtüchtigkeit" quasi mit einem Satz: "Da sage ich Nein." Seine Begründung: "Ich setze auf die Eigenverantwortung. Ein 21-Jähriger kann genauso einen schlimmen Unfall auslösen wie ein 81-Jähriger." Da lag der alte Minister falsch. Die Unfallhäufigkeit pro gefahrenem Kilometer nimmt im hohen Alter dramatisch zu. Aber das liegt nicht ausschließlich an der Sehleistung.

Ausführliche Sehtests in regelmäßigen Abständen zu aufwendig

Die Sehstärke kann auch schon bei Jüngeren deutlich nachlassen, sagt der Chef der "Unfallforschung der Versicherer", Siegfried Brockmann. "Das geht nicht erst bei 50 los, sondern schon sehr viel früher. Auch mit 25 oder 30 verschlechtert sich die Sehleistung manchmal in einem Maße, die verkehrsgefährdend ist." Deshalb sei er zwar für Tests der Sehleistung in regelmäßigen Abständen. Aber praktisch ließen die sich nicht so einfach durchführen, meint Brockmann.

Auch mit 25 oder 30 verschlechtert sich die Sehleistung manchmal in einem Maße, die verkehrsgefährdend ist.

Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer

Für ausführliche Tests jedes einzelnen Prüflings habe man nicht genügend Zeit: "Wenn man nur 45 Minuten Zeit hätte, kann man das nur mit einer sehr hohen Fehlerquote. Das würde bedeuten, dass ich möglicherweise jemandem den Führerschein wegnehme, der das gar nicht verdient hat. Und umgekehrt hätte jemand, der eigentlich schon grenzwertig unterwegs ist, weiter seinen Führerschein."

Was ist die "Unfallforschung der Versicherer"?

Die "Unfallforschung der Versicherer" (UDV) gehört zum "Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V." (GDV). Die Aufgabe der UDV ist es, nach eigenen Angaben, "die Verkehrssicherheit auf Deutschlands Straßen zu verbessern und zu helfen, Unfälle zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen." Die UDV forscht im Bereich Verkehrssicherheit und berät hierzu Politik, Polizei, Behörden und Fahrzeughersteller.

Kompromiss: Senioren beim Fahren begleiten und sensibilisieren

Brockmann schlägt deshalb ein System von Tests vor, bei dem das Ergebnis nicht darüber entscheidet, ob man den Führerschein weiter besitzen darf. Eine mildere Stufe von Tests sozusagen. Das stellt er sich so vor: "Wir fahren mit den Senioren ab einem bestimmten Alter. Wir schlagen 75 vor, weil es da auch statistisch signifikant problematisch wird. Das Ergebnis dieses gemeinsamen Fahrens bleibt aber unter vier Augen." Sinn und Zweck: Die eigenen Mängel, die sie vorher womöglich gar nicht wahrgenommen hatten, würden den Älteren bewusst. Das verbessere die Sicherheit im Straßenverkehr enorm, so Brockmann.

Aktuelle Bundesregierung plant keine regelmäßigen Sehtests

Damit sind wir bei der politischen Durchsetzbarkeit. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung (SPD, Grüne, FDP) steht zu dem Thema nichts. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, findet allerdings eine regelmäßige Überprüfung sinnvoll. "Ich würde sagen, das ist ein guter Ansatz, alle fünf oder zehn Jahre die Fahrtüchtigkeit zu überprüfen. Stichwort: Augentest oder Ähnliches."

Das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium sieht das allerdings anders. Es teilt schriftlich mit: "Es gibt keine hinreichenden wissenschaftlichen Belege, die die Notwendigkeit einer allgemeinen Einführung regelmäßiger Fahreignungsprüfungen für ältere Autofahrerinnen und Autofahrer rechtfertigen würden." Die Europäische Kommission habe eine Auswertung zu dem Thema in Auftrag gegeben. Die habe laut Verkehrsministerium ergeben, "dass es keine eindeutigen Beweise dafür gibt, dass Eignungsprüfungen auf Grundlage des Alters erhebliche Vorteile bieten."

Studien hin oder her, es bleibt also eine politische Frage. Und da deutet wenig darauf hin, dass regelmäßige Tests für Verkehrsteilnehmende eingeführt werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. Juli 2022 | 08:22 Uhr

13 Kommentare

Saxe am 13.07.2022

Sehe ich genauso. Vielleicht für Jüngere alle 5 oder 10 Jahre eine Überprüfung, für Ältere wird dann das Intervall entsprechend kürzer. Ist bei den (Hobby)Piloten doch genauso.

ElBuffo am 12.07.2022

2 Tonnen Blech auf 50 km/h beschleunigt stellen nunmal eine andere Gefahr dar als 75 kg in Schrittgeschwindigkeit. Deswegen soll man wahrscheinlich auch einen Führerschein machen, während Fussgänger keinen brauchen. Das ist ja schlimmste Diskriminierung, ein Fall für Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Guter Schwabe am 11.07.2022

@El: Na ja, der Senior welcher auf Grund seiner eingeschränkten Sehkraft 200 m vom Fußgängerüberweg die Straße quert, oder mit seinem E Bike auf dem Fußweg, oder entgegen der Fahrtrichtung fährt, hat also mehr Freiheiten und Rechte im öffentlichen Raum, als Fahrzeugführer.

Denken Sie bitte mal nach, was Sie da zum Besten geben haben. Danke

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