Infrastruktur Wo die mehr als 400 maroden Brücken in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stehen
Hauptinhalt
26. September 2024, 10:15 Uhr
Bund und Länder sind in Mitteldeutschland für mehrere tausend Brücken verantwortlich. Dem MDR liegen Daten vor, die zeigen, dass rund jede zwanzigste davon sich in "nicht ausreichendem" oder "ungenügendem Zustand" befindet. Was das bedeutet und wo diese Brücken stehen.
- 144 Brückenbauwerke an Bundesstraßen und Autobahnen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind sanierungsbedürftig.
- An Landes- und Staatsstraßen sind es mehr als 300 Brückenbauwerke.
- Eine Tabelle zeigt, in welchem Zustand die Brücken in der Nähe Ihrer Gemeinde sind.
- Kommunale Brücken sind einer Studie zufolge besonders marode. Genaue Zahlen liegen nicht vor.
Deutschland ist das Land der DIN-Normen und Messwerte, der Ingenieurskunst und Ordnungsliebe. All diese Dinge spielen auch bei Brücken eine Rolle: Jedes Bauwerk wird regelmäßig von Ingenieuren nach dem sogenannten DIN-1076-System geprüft und erhält eine Zustandsnote. Eine schlechte Note bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Brücke einsturzgefährdet ist – aber sie sollte dringend saniert werden.
Nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden stellt sich die Frage, welche Brücken besonders marode sind. Dem MDR liegen die Zustandsnoten der rund 8.000 Brücken in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vor, für die Bund und Land zuständig sind. Das sind fast alle Brücken, die sich an Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen bzw. in Sachsen Staatsstraßen befinden. Brücken an Ortsstraßen werden von den Gemeinden verwaltet, ebenso Brücken an Landes- und Bundesstraßen in größeren Städten wie die Carolabrücke in Dresden. Diese Brücken sind daher nicht Teil dieser Auswertung.
Aus den Daten geht hervor, dass in Mitteldeutschland an Autobahnen, Bundes- und Landstraßen mehr als 400 Brücken marode sind. Das ist rund jede zwanzigste Brücke.
Karte: Hier stehen die maroden Brücken des Bundes
Für rund 5.300 Brückenbauwerke ist der Bund zuständig. Dazu zählen sowohl Fußgängerüberführungen an Autobahnen als auch große Brücken, die manchmal aus mehreren Bauwerken bestehen, wie die Elbebrücke an der A9 bei Vockerode. Die Zustandsnoten für all diese Bauwerke sind in einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen aufgelistet. Demnach befinden sich 30 Brückenbauwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an Autobahnen und Bundesstraßen in "ungenügendem Zustand" (Note 3,5 bis 4,0), weitere 114 Brückenbauwerke sind in "nicht ausreichendem Zustand" (Note 3,0 bis 3,4).
Wenn Zweifel an der Standsicherheit einer Brücke aufkommen, dann können die verantwortlichen Behörden den Verkehr auf eine Spur beschränken, die Überquerung für schwere Lkw verbieten oder eine Brücke ganz sperren. In Thüringen trifft das derzeit beispielsweise auf die Pleißebrücke an der B7 bei Windischleuba (Note 3,7) im Landkreis Altenburger Land zu. Nach Angaben des Thüringer Landesamts für Bau und Verkehr kann diese Brücke derzeit nur einspurig befahren werden, Planungen für einen Neubau seien im Gange.
Die Zustandsnoten von Brücken
- 1,0 bis 2,9: Die Brücke befindet sich in "sehr gutem" bis "ausreichendem Zustand".
- 3,0 bis 3,4: Die Brücke befindet sich in "nicht ausreichendem" Zustand und sollte in naher Zukunft saniert werden.
- 3,5 bis 4,0: Die Brücke befindet sich in einem "ungenügenden Zustand", bei dem die Standsicherheit und/oder die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigt ist, etwa aufgrund von fehlenden Gitterstäben im Geländer, Rissen im Beton oder Korrosion.
Im sächsischen Landkreis Zwickau befindet sich die Brücke über die Flutrinne in Glauchau an der B175 in ungenügendem Zustand (Note 3,9). Auch in Magdeburg steht eine besonders marode Brücke: die Überführung der Osterweddinger Chaussee über den Magdeburger Ring in Ottersleben (Note 3,8).
Deutlich mehr marode Brücken an Landesstraßen
Für die Brücken an Landes- bzw. Staatsstraßen sind die Länder verantwortlich. Hier ist der Anteil der maroden Brücken deutlich höher: Von 3.518 Bauwerken befinden sich 89 in "ungenügendem Zustand" und 217 in "nicht ausreichendem Zustand". Das geht aus Daten hervor, die MDR Data bei den zuständigen Behörden erfragt hat.
In Coswig in Sachsen-Anhalt ist die Brücke über die Bahnstrecke Wittenberg – Dessau-Roßlau (Note 3,5) nach Angaben des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales so marode, dass sie derzeit gesperrt ist und ersetzt werden soll. Die Ritzkebachbrücke an der L151 in Helmsdorf sowie die Flutgrabenbrücke an der L236 in Bösenrode (beide im Landkreis Mansfeld-Südharz) sind nur einspurig befahrbar. Im thüringischen Walldorf (Landkreis Schmalkalden-Meiningen) ist nach Angaben des Landesamts für Bau und Verkehr die Werrabrücke an der L2624 (Note 3,0) für Lkw mit einem Gewicht von mehr als 24 Tonnen gesperrt.
Auch in Sachsen gibt es nach Angaben des Landesamts für Straßenbau und Verkehr mehrere Brücken, an denen der Verkehr eingeschränkt ist. Dazu zählen die Brücke über die S95 in Radeberg und die Brücke über die S285 bei Groß Särchen (beide im Landkreis Bautzen). Bei der Brücke an der S174 über die Gottleuba in Hartmannsbach und der Brücke an der S159 über die Polenz in Neustadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge wird derzeit die Tragfähigkeit verstärkt beobachtet, allerdings ohne Verkehrseinschränkungen.
Dier folgende Tabelle enthält alle 8.864 Brückenbauwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, für die Bund und Land zuständig sind. Wenn Sie nach einer Gemeinde suchen, werden alle zugehörigen Brücken inklusive ihrer Zustandsnoten angezeigt.
Brücken in Städten und Ortschaften besonders marode
Für viele Brücken sind nicht Bund oder Land, sondern die Gemeinden zuständig. Da es für diese Brücken keine zentrale Verwaltung gibt, liegen dem MDR aktuell keine Zustandsnoten vor. Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik legt jedoch nahe, dass es um die Brücken in Ortschaften und Städten am schlechtesten steht: Eine Umfrage bei kommunalen Tiefbauämtern im Jahr 2021 ergab, dass sich in Ostdeutschland fast jede vierte in "nicht ausreichendem" oder "mangelhaftem Zustand" befindet.
Mehr über die Daten
Der Bund ist für rund 40.000 Brücken zuständig. Die Zustandsnoten dieser Brücken stammen aus einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen aus dem März 2024. Weil manche Brücken in mehrere Bauwerke untergliedert sind, enthält der Datensatz rund 51.000 Einträge zu Brückenbauwerken.
Die Daten zu den Brücken an Landes- und Staatsstraßen hat der MDR bei den Behörden der Länder erfragt: in Sachsen-Anhalt beim Ministerium für Intrastruktur und Digitales, in Thüringen beim Landesamt für Bau und Verkehr und in Sachsen beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr.
MDR (Ella Gößelein, Tycho Schildbach, David Wünschel)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. September 2024 | 12:00 Uhr
Basstian vor 10 Wochen
Aha. Und gehört die Carolabrücke zur Gänze Dresden, obwohl eine Bundesstraße drüberführt? Zumindest der eingestürzte Teil nur mit Straßenbahntrasse und Radweg könnte der Stadt gehören.
Basstian vor 10 Wochen
Zumindest die zwei stehengebliebenen Züge der Carolabrücke kann ich in der Tabelle nicht finden. Und dann gibts in der Tabelle bei Note 3,0 eine Lossabrücke (Bauwerksnummer 4734706) angeblich in Sachsen-Anhalt. Die Lossa ist doch zwischen Eilenburg und Wurzen.
Erst denken - dann handeln vor 10 Wochen
@MDR könntet ihr evtl. mal recherchieren wie hoch der Anteil von Beton und Stahlbetonbrücken darunter ist und ob es nicht evtl. ökonomischer wäre, lieber wieder Steinbogenbrücken zu bauen, wie es sich über Jahrtausende bewährt hat?