Bundestagswahl 2025Welche Schritte für Neuwahlen nötig sind – ein FAQ
Die Ampel-Koalition ist Geschichte: Ein letzter Anlauf der Spitzen von SPD, Grünen und FDP brachte keine Einigung. Bis zur Bundestagswahl im Februar 2025 greifen klare Regelungen.
Inhalt des Artikels:
Am 6. November hat Bundeskanzler Olaf Scholz Christian Lindner (FDP) als Finanzminister entlassen und damit das Ende der Ampel-Regierung besiegelt. In seinem Statement nach dem Bruch kündigte er an, im Januar die Vertrauensfrage stellen und damit den Weg für Neuwahlen frei machen zu wollen. Vorher wollte er noch in Form einer Minderheitsregierung mit Unterstützung der Union einzelne Vorhaben durch den Bundestag bringen.
Doch auf Druck der Union hat Scholz seinen Zeitplan angepasst: Der Kanzler will nun bereits im Dezember die Vertrauensfrage stellen, sodass am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt werden kann. Auf diesen Kompromiss haben sich die Bundestagsfraktionen von Union, SPD und FDP am Dienstag geeinigt, wie die ARD und verschiedene Nachrichtenagenturen aus Kreisen der Fraktionen in Berlin erfuhren.
Zuvor hatte die Bundeswahlleiterin Ruth Brand angesichts von Unions-Forderungen nach Neuwahlen im Januar die Bedeutung der 60-Tage-Frist betont. "Um Herausforderungen bei der Wahlorganisation, die sich aus den Fristen bei einer Neuwahl ergeben, bestmöglich zu begegnen, sollte dabei der Zeitraum von 60 Tagen zwischen der Auflösung des Bundestages bis zur Neuwahl ausgeschöpft werden", riet Brand in einer Mitteilung.
Dass eine Koalition zerbricht und eine Wahlperiode vorzeitig endet, kommt in Deutschland nur sehr selten vor. Es ist aber klar geregelt, wie es dann weitergeht.
So funktioniert die Vertrauensfrage
Die Vertrauensfrage ist nach Artikel 68 Grundgesetz geregelt. Der Bundeskanzler wird im Bundestag beantragen, ihm das Vertrauen auszusprechen – in der Erwartung, dass das Parlament das nicht tut, er also keine Mehrheit bekommt. Der Kanzler kann das mit einem konkreten Gesetzgebungsvorhaben verknüpfen, muss es aber nicht. Erhält der Kanzler keine Mehrheit, kann er den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen.
Zuletzt verfuhr Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2005 so. Dieses Vorgehen ist jedoch umstritten, weil es nicht – wie im Grundgesetz beabsichtigt – darauf abzielt, das Vertrauen ausgesprochen zu bekommen, sondern gerade im Gegenteil, die dafür nötige Mehrheit zu verfehlen.
So funktioniert das Misstrauensvotum
Nach Artikel 67 Grundgesetz kann der Bundestag dem Kanzler das Misstrauen aussprechen – allerdings nur, indem er mit Mehrheit einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin wählt. Er würde dann den Bundespräsidenten ersuchen, den bisherigen Kanzler zu entlassen. Dazu wäre der Bundespräsident verpflichtet. Er müsste den neu Gewählten ernennen.
Hierfür gibt es in der Bundesrepublik bislang nur ein Beispiel: 1982 wechselte die FDP vom bisherigen Koalitionspartner SPD und ihrem Kanzler Helmut Schmidt zur CDU/CSU und wählte zusammen mit der Union Helmut Kohl (CDU) zum neuen Kanzler. Der Unterschied zu heute: Damals hatten CDU/CSU und FDP zusammen eine Mehrheit im Bundestag, heute hätten sie diese nicht.
Zeitlicher Ablauf für Auflösung des Bundestags und Neuwahlen
Bei einem Misstrauensvotum wären der neu gewählte Kanzler und sein Kabinett nach der Ernennung durch den Bundespräsidenten und der Eidesleistung im Bundestag sofort im Amt. Ginge der Kanzler den Weg über die Vertrauensfrage, dann hätte der Bundespräsident nach Artikel 68 maximal 21 Tage Zeit, um den Bundestag aufzulösen.
2005 verlor Schröder am 1. Juli wie gewünscht die Vertrauensfrage im Bundestag. Am 13. Juli schlug er Bundespräsident Horst Köhler die Auflösung des Bundestages vor, was dieser zwei Wochen später tat. Zugleich setzte Köhler Neuwahlen für den 18. September an. Die Neuwahl muss gemäß Artikel 39 Grundgesetz innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestages stattfinden.
Alte Regierung bleibt bis zur Neuwahl im Amt
Auch wenn der Bundestag aufgelöst würde, wäre Deutschland nicht politisch führungslos. Der Kanzler und sein Kabinett blieben als Minderheitsregierung im Amt. Außerdem sieht Artikel 69 Grundgesetz vor, dass der Kanzler auf Ersuchen des Bundespräsidenten verpflichtet ist, die Amtsgeschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen. Gleiches gilt für Bundesministerinnen oder -minister. Das gilt regelmäßig nach Bundestagswahlen, wenn der Bundestag zwar schon zur konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist, die neue Regierung aber noch nicht steht.
Nach dem Bruch der Ampel hat der Kanzler den Bundespräsidenten gebeten, deren Minister (Finanzen, Justiz, Bildung) zu entlassen, mit der Ausnahme von Verkehrsminister Volker Wissing, der aus der FDP ausgetreten ist und im Amt bleibt. Die Aufgaben der anderen Entlassenen werden verteilt: Jörg Kukies (SPD) ist neuer Bundesfinanzminister, Volker Wissing hat zusätzlich das Justiz-, Cem Özdemir (Grüne) das Bildungsministerium übernommen.
Praktische Auswirkungen
Würde der Bundestag aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt, würden die Parteien umgehend in den Wahlkampfmodus umschalten. Die Vorbereitungszeit für die Wahl wäre jedoch extrem kurz. Regierungspolitisch relevant wäre das im aktuellen Fall vor allem für den Bundeshaushalt 2025, der dann nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet werden könnte.
Doch auch das wäre kein großes Problem. Es träte dann die sogenannte vorläufige Haushaltsführung ein. Ab Januar dürften im Wesentlichen nur noch Ausgaben getätigt werden, für die eine gesetzliche Verpflichtung vorliegt. Dieses Verfahren ist erprobt. Es wird immer nach Bundestagswahlen wirksam, weil der Haushaltsentwurf der alten Regierung verfällt und die neue Regierung regelmäßig erst im neuen Jahr ihren eigenen Etatentwurf vorlegt.
dpa(ans/nvm/pei)
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. November 2024 | 10:00 Uhr