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DatenschutzAdressauskunft durch Einwohnermeldeämter ist problematisch

22. März 2023, 15:35 Uhr

Der Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, hält die einfache Melderegister-Auskunft in Deutschland für problematisch. Der Vorsitzende der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz sagte MDR AKTUELL, damit könne jeder von den Meldebehörden persönliche Daten beliebiger Personen abfragen. Mit dem heutigen Verständnis von Datenschutz sei das nicht mehr vereinbar. Der Thüringer Landesbeauftragte Lutz Hasse sieht das Problem weniger kritisch.

Der Paragraph 44 im Bundesmeldegesetz beschreibt die sogenannte einfache Melderegisterauskunft. Name, Doktorgrad und Adresse können damit beim Einwohnermeldeamt erfragt werden. Der wesentliche Zweck dieser Regelung: Die Möglichkeit, Schuldner ausfindig zu machen, erklärt Jonas Jacobsen, Rechtsanwalt für IT- und Datenschutzrecht. "Wenn Sie als private Person gegenüber einer anderen Person der Auffassung sind, dass diese Person Ihnen Geld schuldet, müssen Sie die Person ausfindig machen."

Wenn man die Person gerichtlich verklagen wolle, brauche man eine sogenannte ladungsfähige Adresse, also die Anschrift. Und wenn man die nicht wisse, müsse man da irgendwie rankommen. Da könnten solche Register natürlich Aufschluss drüber geben, erklärt der Rechtsanwalt.

Akademie für Informationsfreiheit: Kritik an fehlendem Datenschutz

Für die Abfrage beim Amt muss aber kein Grund angegeben werden. Das kritisiert Peter Schaar. Er ist Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz und ehemaliger Bundesdatenschutzbeauftragter. "Jeder, ohne Nachweis eines irgendwie gearteten Interesses hat diese Möglichkeit nach Paragraph 44 Bundesmeldegesetz, diese Auskünfte bei der Meldebehörde nachzufragen. Und das wird dann eben nicht nur für gute Zwecke, sondern bisweilen auch aus missbräuchlicher, teilweise sogar krimineller Absicht, getan."

Mit dem heutigen Verständnis von Datenschutz sei diese Regelung nicht mehr vereinbar. Das sieht Thüringens Datenschutzbeauftrager Lutz Hasse anders: "Als Datenschützer kann ich das gut nachvollziehen, dass man erstmal nicht möchte, dass jemand diese Daten bekommt. Aber die einfache Melderegisterauskunft beschränkt sich ja auch auf den Familiennamen, Vornamen, akademischen Grad und die Anschrift. Das sind Daten, die nicht sehr tief gehen, nicht sehr sensibel sind, an der Oberfläche bleiben."

Hasse verweist zudem auf die Auskunftssperre. Wer die beantragt, muss zunächst einmal nachweisen, dass er oder sie etwa bedroht oder belästigt wird. Dann kann die Auskunft der Daten gesperrt werden. Journalistinnen und Journalisten nutzen eine solche Auskunftssperre etwa häufig, um sich vor Anfeindungen und Angriffen zu schützen.

Linksfraktion im Bundestag fordert automatische Auskunftssperre

Doch die Hürde dafür sei zu hoch, bemängelt Petra Sitte, medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag: "Es ist eben immer noch schwer. Man muss die Bedrohung quasi konkret nachweisen. Die erfolgt aber nicht immer nur per E-Mail. Die ist auch mündlich, auf der Straße. Für Journalisten nochmal ganz besonders. Und das kann man ja dann meistens gar nicht belegen und insofern ist das eben nicht der Regelfall für Menschen, die zu schützen sind."

Sitte fordert, dass es für Journalistinnen und Journalisten eine automatische Auskunftssperre gibt, ohne Nachweis. Ex-Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar geht noch einen Schritt weiter. "In den Fällen, wo ich einfach aus purem Interesse mal beim Meldeamt nachfrage, wo wohnt denn diese Person? In den Fällen sollte ich ein einfaches Widerspruchsrecht haben, das nicht an irgendwelche zusätzlichen Beweise gebunden ist, wie den Nachweis, dass man belästigt oder bedroht wird."

Das müsse nicht bedeuten, die Melderegisterauskunft vollständig abzuschaffen. Mit einem berechtigten Interesse – also etwa der Suche nach einem Schuldner – solle es auch weiterhin möglich sein, die Daten abzufragen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 22. März 2023 | 06:00 Uhr

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