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Die alte Parole "Atomkraft - Nein Danke!" scheint angesichts der Gaskrise überholt. Bildrechte: imago images/Hoch Zwei Stock/Angerer

Energiekrise Grüner Widerstand gegen längere AKW-Laufzeiten bröckelt

27. Juli 2022, 17:06 Uhr

In der Debatte um drohende Energieengpässe fordern FDP, Union und der Städte- und Gemeindebund einen Fortbetrieb der drei noch aktiven AKW. Der TÜV hält es sogar für machbar, bereits stillgelegte AKW zu reaktivieren. Und das Nein der Grünen bröckelt – auch bei Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Die Union, aber auch die Regierungspartei FDP sind dafür, die drei noch aktiven Atommeiler länger als nur bis Ende des Jahres laufen zu lassen.

Widerstand bei den Grünen gegen Atomenergie schwindet

Inzwischen schließt auch der grüne Bundeswirtschafts- und Energieminister Robert Habeck einen Weiterbetrieb über das Jahresende unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr aus. Beim neuen Stresstest könne sich ein – so wörtlich – "Sonderszenario" ergeben, sagte Habeck bei "RTL Aktuell". Hauptfrage sei, "ob die Stromnetzstabilität in diesem Jahr durch weitere Maßnahmen gesichert werden muss".

Grünen-Chefin Ricarda Lang bekräftigte im "Tagesspiegel" zwar: "Eine Laufzeitverlängerung wird es mit uns nicht geben." Doch einen sogenannten Streckbetrieb schloss sie nicht aus. Dazu müsse man den neuen Stresstest zur Energieversorgung abwarten. Dagegen kritisierte die Grüne Jugend Planspiele über eine Laufzeitverlängerung als "gefährliche Scheindebatte". Auch der Streckbetrieb sei kein Allheilmittel, wie einige behaupteten.

Was bedeutet "Streckbetrieb"? Die drei letzten deutschen AKW sollen eigentlich bis 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Beim Streckbetrieb würden die Meiler zunächst gedrosselt, damit sie dann mit den vorhandenen Brennstäben über den Jahreswechsel hinaus Strom liefern können.

FDP für Atomgipfel im Kanzleramt

Die FDP fordert einen Atomgipfel im Kanzleramt. Der energiepolitische Fraktionssprecher Michael Kruse sagte dem "Tagesspiegel": "Wie maximale Sicherheit gewährleistet werden kann und ob in Einzelfällen dafür auch kurzfristig neue Brennelemente benötigt werden, sollte die Bundesregierung in einem Kernenergiegipfel mit den Betreibern und Branchenverbänden klären." Zuvor hatte sich bereits FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner für eine "vorbehaltlose“ Prüfung der Laufzeiten ausgesprochen.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will vor Entscheidungen zunächst die Ergebnisse eines zweiten Stresstests zur Sicherheit der Stromversorgung abwarten. Ergebnisse werden in den nächsten Wochen erwartet.

Merz verlangt Ankauf neuer Brennstäbe

CDU-Chef Friedrich Merz forderte die Bundesregierung auf, umgehend neue Brennstäbe für die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland zu beschaffen. Merz sagte der Funke Mediengruppe, ein Weiterbetrieb könne nicht mit alten Brennstäben aufrechterhalten werden. Man müssen die "Laufzeit so lange ermöglichen, bis die Gefahr eines Engpasses beseitigt ist". Die Zeit zur Bestellung neuer Brennstäbe laufe davon. Wirtschaftsminister Habeck müsse jetzt handeln, um eine Stromknappheit im Winter zu vermeiden.

Städte- und Gemeindebund für Weiterbetrieb von Atomkraftwerken

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund sprach sich für einen kurzen befristeten Weiterbetrieb aus. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", mit Blick auf den nächsten und womöglich übernächsten Winter müssten "alle europäischen Potenziale der Energiewirtschaft" aktiviert werden. Als Voraussetzung für längere AKW-Laufzeiten nannte Landsberg, "dass die temporäre Weiternutzung sicher, wirtschaftlich und zweckmäßig ist".

TÜV: Weiterbetrieb von sechs AKW technisch machbar

Der Technische Überwachungsverein (TÜV) hält sogar eine Wiederinbetriebnahme der stillgelegten Atomkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C sicherheitstechnisch für machbar und unbedenklich. Diese Anlagen zählen zu den sichersten und technisch besten Kraftwerken weltweit und seien "in einem exzellenten Zustand", sagte Geschäftsführer Joachim Bühler der "Bild"-Zeitung.

Die Wiederinbetriebnahme der 2021 abgeschalteten Meiler wäre "keine Frage von Jahren, sondern eher von wenigen Monaten oder Wochen". Das sei eine "Frage des politischen Willens". Ebenfalls möglich wäre eine Laufzeitverlängerung um bis zu drei Jahre für die noch aktiven drei AKW.

AFP,dpa(ans) 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. Juli 2022 | 08:00 Uhr

73 Kommentare

Euphemismus am 29.07.2022

Liebes MDR Team:
Wissenschaft ist es nur dann, wenn es ergebnisoffen ist.

Da hat die MDR Redaktion zu einer gewissen Spaltung beigetragen.
Es gibt da Dogmen nicht war, und ihre Berichterstattung ist, sagen wir es doch mal ganz offen, umstritten.
Ich suche ihre entsprechenden Haltungsberichten gerne heraus
Sapere Aude

PS: die Realität sagt jetzt, Sehen!
Bei denen die Haltung Haltung Haltung riefen

Euphemismus am 29.07.2022

@elmo
Sie gehen also davon aus, dass die Entnahme von Windenergie aus dem System Wetter keinerlei Nebenwirkungen hat.
Das nenne ich abenteuerlich.
Es wäre eventuell hilfreich wenn sie sich mal die Grundsätze der Physik zu Gemüte führen.
Gegen Naturgesetze hilft keine Haltung denn Naturgesetze kennzeichnen sich dadurch, dass sie unabhängig vom Willen des Menschen gelten.

Sapere Aude

emlo am 29.07.2022

Sorry @Tacitus, aber das Phänomen des "Terrestial Stilling" mit der Nutzung der Windkraft in Verbindung zu bringen ist absolut abenteuerlich und wissenschaftlich nicht haltbar. Ein Einfluss von Windrädern auf das Wetter bzw. Mikroklima (und damit auch auf Niederschläge) ist, wenn überhaupt, nur im unmittelbaren Umfeld größerer Windparks nachweisbar. Bereits im Abstand weniger Kilometer merken Sie davon absolut nichts mehr.

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