Nach Angriffen in BudapestAuslieferung mutmaßlich linksextremistischer Person nach Ungarn untersagt – aber zu spät
Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag die Auslieferung einer 23-jährigen, mutmaßlich linksextremistischen Person nach Ungarn untersagt. Jedoch hatte die Auslieferung zu dem Zeitpunkt bereits stattgefunden. Die Generalstaatsanwaltschaft soll laut Gericht in Karlsruhe frühzeitig über eine anstehende Entscheidung zur Zulässigkeit der Auslieferung informiert worden sein.
- Das Bundesverfassungsgericht untersagt am Freitag die Auslieferung der mutmaßlich linksextremistischen Person Maja T. nach Ungarn – da war die Auslieferung aber schon passiert.
- Nach ARD-Recherchen war die zuständige Generalstaatsanwaltschaft frühzeitig über einen anstehenden Gerichtsentscheid zur Auslieferung informiert.
- Maja T. wird vorgeworfen, in Budapest an zwei Angriffen auf mutmaßliche Rechtsextremisten beteiligt gewesen zu sein.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung der 23-jährigen mutmaßlichen linksextremistischen Maja T. nach Ungarn untersagt – allerdings kam die Entscheidung des Gerichts zu spät. Wie das Gericht in Karlsruhe mitteilte, gaben die Richter dem Antrag der sich als non-binär identifizierenden Person Maja T. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte deren Auslieferung von Maja T. nach Ungarn der Mitteilung des Gerichts zufolge aber schon stattgefunden. Die Auslieferung war zuvor vom Kammergericht Berlin zunächst bewilligt worden.
Maja T. wird von den ungarischen Behörden vorgeworfen, seit 2017 Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, deren Ziel es gewesen sein soll, Sympathisanten der extremen Rechten koordiniert und unter Einsatz von Teleskopschlagstöcken anzugreifen.
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts kam 50 Minuten nach Auslieferung
Am Freitag gegen 10:50 Uhr beschloss das Bundesverfassungsgericht nach eigenen Angaben, die Übergabe von Maja T. an die ungarischen Behörden einstweilen zu untersagen. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin werde angewiesen, eine Rückführung nach Deutschland zu erwirken, heißt es in der Mitteilung. Wenig später habe die Generalstaatsanwaltschaft das Gericht aber darüber informiert, dass Maja T. bereits um 10 Uhr am Freitag an die ungarischen Behörden übergeben worden sei.
Anwalt Sven Richwin hatte dem MDR zuvor erklärt, dass die Ereignisse sich gerade "etwas überschlagen" würden. Das Kammergericht habe Donnerstag am späten Nachmittag die Auslieferung für zulässig erklärt. Das Landeskriminalamt (LKA) versuche "seit 3 Uhr in einer Nacht- und Nebelaktion Maja nach Ungarn zu überstellen". Und weiter: "Das LKA versucht derzeit, den Rechtsschutz zu unterlaufen." Richwin versuchte das mit einem Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht zu stoppen.
ARD-Recherchen: Generalstaatsanwaltschaft war über anstehenden Gerichtsentscheid informiert
Nach gemeinsamen Recherchen von MDR- und ARD-Rechtsredaktion war die Generalstaatsanwaltschaft Berlin frühzeitig darüber informiert, dass das Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheiden wird.
Zunächst seien nach Aussage des Rechtsanwalts von Maja T. die Polizeibeamten am Freitagmorgen zwischen 3 und 4 Uhr – noch in der Haftanstalt – aufgefordert worden, die Entscheidung aus Karlsruhe abzuwarten. Gegen 8.30 Uhr hat dann nach ARD-Informationen das Bundesverfassungsgericht die Berliner Generalstaatsanwaltschaft telefonisch informiert, dass man über einen Eilantrag in der Sache berate.
Die Generalstaatsanwaltschaft habe sich darauf jedoch erst am späten Freitagvormittag zurückgemeldet und mitgeteilt, dass Maja T. seit 10 Uhr an Ungarn übergeben worden sei. Die Behörde teilte weiter mit, eine Entscheidung aus Karlsruhe habe nicht abgewartet werden müssen.
Generalstaatsanwaltschaft: Angelegenheit abgeschlossen
Ferner erklärte die Generalstaatsanwaltschaft, man betrachte die Angelegenheit als abgeschlossen und erkenne im Beschluss der Karlsruher Richter auch keinen Auftrag, eine Rückwirkung der betroffenen Person aus Ungarn zu erreichen. Man habe in Karlsruhe jedoch um einen Hinweis gebeten, wenn das Bundesverfassungsgericht das anders sehen sollte.
Das Auswärtige Amt war nach eigenen Angaben von dem für das Auslieferungsverfahren zuständigen Kammergericht Berlin nicht um eine Einschätzung gebeten worden und daher an dem Verfahren nicht beteiligt gewesen.
Maja T. und andere sollen in Budapest Rechtsextreme angegriffen haben
Maja T. war im Dezember 2023 in Berlin festgenommen worden. Seitdem saß Maja T. in der JVA Dresden in Haft. Der Person wird vorgeworfen, im Februar 2023 in Budapest am Rande der rechtsextremen Gedenkveranstaltung "Tag der Ehre" an zwei Angriffen auf mutmaßliche Rechtsextremisten beteiligt gewesen zu sein.
dpa/MDR (elo, mze)
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 28. Juni 2024 | 09:30 Uhr