Ukrainische Soldate beim Training
Die genaue Zahl der freiwilligen deutschen Kämpfer in der Ukraine hält der Verteidigungsausschuss im Verborgenen. Bildrechte: picture alliance/dpa/MAXPPP

Hörer machen Programm Machen sich Deutsche als freiwillige Kämpfer in der Ukraine strafbar?

08. Mai 2023, 05:00 Uhr

Mehrere Deutsche kämpfen derzeit freiwillig in der Ukraine. Die meisten haben sich den ukrainischen Streitkräften angeschlossen. Das Kämpfen für eine ausländische Armee ist grundsätzlich nicht strafbar, für eine private Kampfgruppe könnte es jedoch als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gewertet werden. Sonderregeln gelten für Deutsche mit doppelter Staatsbürgerschaft, wenn sie für eine ausländische Armee kämpfen wollen.

Der ehemalige Bundeswehrsoldat Jonas Kratzenberg ist derzeit häufiger Interviewgast. 282 Tage kämpfte er auf Seiten der Ukraine gegen die russische Armee. Seine Erlebnisse mit der sogenannten Internationalen Legion hat er in einem Buch verarbeitet: Artilleriebeschuss, Kriegsverbrechen, das Grauen von Butscha und eine Granate, die ihn schließlich trifft und seinen Einsatz beendet.

FDP-Abgeordneter: Zweistellige Anzahl an deutschen Kämpfern

Marcus Faber ist FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Verteidigungsausschusses. Über die Zahl der freiwilligen deutschen Kämpfer in der Ukraine sagt er: "Wir haben schon einen Überblick, wie viele das sind. Das ist allerdings eine Information aus dem geheimen Teil des Verteidigungsausschusses, deshalb kann ich die hier nicht nennen. Aber die Angaben, die man sonst in der Presse findet, dass es sich insgesamt um eine zweistellige Anzahl von Kämpfern handelt, also unter 100, die ist grundsätzlich richtig." Es sei auch richtig, dass sich die deutliche Mehrheit auf Seite der ukrainischen Verteidiger in diesem Krieg einschaltet.

Auch das Bundesinnenministerium sammelt Informationen über Menschen, die im Zuge des Krieges in die Ukraine gereist sind – allerdings nur über diejenigen, die als Extremisten gelten oder politisch motivierte Straftaten begangen haben. Auf Anfrage von MDR AKTUELL schreibt das Ministerium, dass man von 61 Ausreisen wisse und einige verhindert habe. "Bislang liegen zu 29 dieser Personen konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächliche Beteiligung an Kampfhandlungen auf Seiten einer Konfliktpartei vor."

Anschluss an staatliche Streitkräfte nicht unbedingt strafbar

Strafbar machen sich die freiwilligen deutschen Kämpfer nicht unbedingt. Zumindest, wenn sie sich den staatlichen Streitkräften anschließen, also auch die Hoheitszeichen des jeweiligen Staates tragen. Etwas anderes ist es, wenn die Freiwilligen einer privaten Kampfgruppe beitreten. Das könnte als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gelten.

Simon Gauseweg ist Völkerrechtler an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und erklärt es an zwei Beispielen: "Diese internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine ist eingegliedert in die ukrainischen Streitkräfte. Im Unterscheid dazu muss man insbesondere von der berühmten Wagner-Gruppe unterscheiden. Mein letzter Stand ist, dass die Wagner-Gruppe offiziell gar nicht existiert und solche paramilitärischen Organisationen in Russland offiziell illegal sind." Dann müsste man davon ausgehen, dass – wenn sich Deutsche der Wagner-Gruppe anschlössen – sich dafür die "Bundesanwaltschaft mindestens am Rande interessiert".

Sonderfall doppelte Staatsbürgerschaft: Pass wird entzogen

Besondere Regeln gelten für Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Sie verlieren den deutschen Pass, wenn sie im Ausland kämpfen. Auch das aktive Anwerben von Deutschen für eine fremde Streitmacht ist verboten. Und: "Wer Kriegsverbrechen begeht, wird bestraft. Da macht es keinen Unterschied, welchen Pass man in der Tasche trägt."

Auch wenn das Kämpfen für ausländische Armeen nicht illegal ist, solange man sich an das Kriegsrecht hält: Der FDP-Politiker Faber rät trotzdem davon ab, dem Beispiel von Jonas Kratzenberg zu folgen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. Mai 2023 | 06:00 Uhr

15 Kommentare

nasowasaberauch vor 49 Wochen

Geduldete deutsche Söldner sind keine Privatsache. Wir sollten das auch nicht als solche abtun. Wir liefern Waffen, wir bilden aus, wir machen Aufklärung von Zielen und Truppenbewegungen, aber wir sind kein Kriegsteilnehmer und die Erde ist eine Scheibe. Krieg ist häßlich und eine saubere Kriegsführung beider Seiten mit der Genfer Konvention in der Magazintasche ist eine Illusion.

Harka2 vor 49 Wochen

@MDR-Team
Ich bestreite nicht, dass sich die russischen Streitkräfte nicht an die Regeln der Genfer Konfention gehalten haben. Ich leuge definitiv nicht deren Kriegsverbrechen. Ich verharmlose hier keines der Verbrechen. Ich möchte nur aufzeigen, dass die rechtliche Einordnung der deutschen Freiwilligen nicht so ganz einfach ist. Selbst die Demokratien des Westens wie die USA sehen sie eher als Terroristen und als solche nicht von der Genfer Konfention gedeckt. Das ist rein rechtlich nicht so einfach. Die persönliche Sympathie ist eine andere, aber rechtlich leider nicht von Bedeutung. Letztlich war auch Kongo-Müller nach deutschen Recht nur ein Verbrecher. Che Guevara aber auch und für mich ist er nichts anderes.

MDR-Team vor 49 Wochen

Zur Einordnung:
Die russische Armee ist bereits für mehrere Verstöße gegen die Genfer Konvention während des Ukraine-Krieges verantwortlich. Dazu zählen laut Heinrich-Böll-Stiftung Folter und vorsätzliche Tötung von Zivilisten, wahllose Angriffe und Angriffe auf zivile Objekte, sexuelle Gewalt, Folter und Tötung von Kriegsgefangenen sowie erzwungene Deportationen. An dieser Stelle dulden wir keine Verharmlosung oder Rechtfertigung von Kriegsverbrechen und bitten alle Nutzer und Nutzerinnen zum Thema des Beitrags zurückzukehren. Vielen Dank.



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