Bundesnachrichtendienst Mutmaßlicher russischer Spion hatte Zugang zu weltweiten Abhör-Ergebnissen

23. Dezember 2022, 17:45 Uhr

Der mutmaßliche Doppelagent hatte scheinbar weitreichenden Zugang auf geheimdienstliche Informationen. Er soll außerdem Zugang zu Informationen anderer Partnerdienste gehabt haben. Auf Anweisung der Bundesanwaltschaft ist der Mann wegen des dringenden Verdachts auf Landesverrat am Mittwoch festgenommen worden. Bundesweit fordern Politikerinnen und Politiker bessere Abwehrmaßnahmen. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach von einem "Weckruf".

Bei dem mutmaßlichen russischen Doppelagenten beim Bundesnachrichtendienst (BND) soll es sich nach einem Medienbericht um einen leitenden Mitarbeiter der streng geheimen technischen Auslandsaufklärung des deutschen Auslandsgeheimdienstes handeln. In dieser Funktion habe er auch Zugang zu Informationen westlicher Partnerdienste gehabt, berichtete das Portal Focus Online am Freitag unter Berufung auf Informationen aus Berliner Sicherheitskreisen.

Dem Bericht zufolge ist Carsten L. ein Beamter des höheren Dienstes mit Zugang zu sensiblen Informationen. Als Spezialist für Auswertung sei er offensichtlich für die Analyse sämtlicher Vorgänge und Informationen zuständig gewesen, die der BND durch weltweite Abhöraktionen gewonnen hat. Zu dem Material, das L. dabei zur Verfügung stand, hätten auch die bei Lauschoperationen beschafften Erkenntnisse befreundeter Partnerdienste gehört, hieß es. Diese seien unter anderem die National Security Agency (NSA) der USA und der britische Abhördienst Government Communications Headquarters (GCHQ).

Im BND bestehe daher die große Sorge, dass Carsten L. auch Material von befreundeten Geheimdiensten an die Russen weitergegeben haben könnte, berichtete Focus Online weiter. Carsten L. war offensichtlich im BND selbst enttarnt und dann auf Anweisung der Bundesanwaltschaft festgenommen worden. Ihm wird Landesverrat vorgeworfen. Zu Einzelheiten äußerten sich die Behörden bislang aus ermittlungstaktischen Gründen nicht.

Landesverrat in besonders schwerem Fall

Landesverrat kann nach dem Strafgesetzbuch in besonders schweren Fällen wie diesem mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren oder auch einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht hat, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet.

Der Fall zeige, "wie wachsam wir sein müssen", schrieb Bundesjustizminister Marco Buschmann auf dem sozialen Netzwerk Twitter.

Entschlossenes Vorgehen gefordert

SPD-Außenpolitiker Nils Schmid hatte ein entschlossenes Vorgehen gegen Russland gefordert. Moskau sehe sich seit Jahren in einem Konflikt mit dem Westen und meine, dass alle Mittel zulässig seien wie etwa die Ermordung von Oppositionellen auf deutschem Boden oder eben auch Spionage, sagte Schmid am Freitag im Deutschlandfunk. Es sei notwendig, "sehr viel aufmerksamer" der hybriden Kriegsführung von Russland entgegenzuwirken.

Der Linken-Geheimdienstexperte André Hahn äußerte sich besorgt mit Blick auf die Eigensicherung des BND. "Wenn nun selbst in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes ein Mitarbeiter für Russland spioniert haben soll, dann wäre das eine völlig neue und erschreckende Qualität", sagte er der "Rheinischen Post".

Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte wünschte sich eine schnellere und bessere Abwehr ausländischer Spionage. "Wir wissen zu wenig darüber, was ausländische Geheimdienste in Deutschland treiben", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Von einem "Weckruf" sprach im Bayerischen Rundfunk die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußerte die Befürchtung, dass der Fall auch die Kooperation des BND mit westlichen Partnerdiensten beeinträchtigen könnte.

AFP, dpa (kar)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. Dezember 2022 | 15:00 Uhr

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