Hartz-IV-Nachfolger Bundestag beschließt geplantes Bürgergeld

10. November 2022, 18:32 Uhr

Der Bundestag hat nach einer intensiven Debatte für das geplante Bürgergeld gestimmt. Die Fraktionen der Ampel-Koalition segneten damit die Pläne für den Nachfolger von Hartz IV ab. Doch der Streit um die Sozialreform ist nicht vorbei: Die Union hat bereits angekündigt, die noch ausstehende Zustimmung im Bundesrat blockieren zu wollen.

Der Bundestag hat am Vormittag das sogenannte Bürgergeld beschlossen. Die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP stimmten nach einer heftigen Debatte für den Nachfolger von Hartz IV. 385 Abgeordnete votierten für das Gesetz, 261 dagegen, 33 enthielten sich. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erklärte, durch die Pläne gebe es für Menschen "eine Chance auf selbstbestimmtes Leben im Arbeitsmarkt". Das Bürgergeld sei die größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren. Es gehe auch darum, dass nicht alle Langzeitarbeitslosen verdächtigt werden, zu faul zum Arbeiten zu sein. "Der Geist des Bürgergelds ist der der Solidarität, des Zutrauens, der Ermutigung", sagte der SPD-Politiker.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann betonte, wie nötig eine Reform des Sozialstaats sei. "Das Bürgergeld ist viel mehr als eine Regelsatzerhöhung." Es schaffe Perspektiven und Weiterbildung. Der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel warf der Opposition vor, alternative Fakten zu verbreiten. Dass sich sich durch das Bürgergeld Arbeiten nicht lohne, sei "in jedem einzelnen Fall falsch".

Union nennt Bürgergeld-Pläne "völlig verfehlt"

Heftige Kritik kam aus der Union. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte die Pläne "völlig verfehlt". Man müsse beim Systems des "Förderns und Forderns" bleiben. Er warf der Bundesregierung Arroganz im Beharren auf der eigenen Position vor. Der CSU-Abgeordnete sprach von einem "vermurksten Bürgergeld-Gesetz". Man befürworte zwar höhere Regelsätze, aber nicht das Bürgergeld, durch die sich Arbeit nicht mehr lohne. Gröhe kritisierte, dass nicht von den maximal möglichen Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch gemacht werde. Auf Antrag der Union wurde die Abstimmung über die Erhöhung der Regelsätze zunächst ausgekoppelt – der Bundestag stimmte der Erhöhung nahezu geschlossen zu.

Auch die AfD lehnte das Bürgergeld ab. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Norbert Kleinwächter sagte, das Bürgergeld helfe nicht denjenigen, die arbeiten wollen, sondern unterstütze die, die nicht arbeiten wollten. "Ein Risiko geht ein Bürgergeld-Empfänger nicht ein." Das Bürgergeld sei eine "Beleidigung des Sozialstaats", sagte Kleinwächter.

Linke kritisiert "Schmierentheater"

Linken-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch sprach bei der Debatte um das Bürgergeld von einem "Schmierentheater". Die Union spiele Langzeitarbeitslose und Geringverdiener gegeneinander aus. "Das ist unwürdig." Die Ampel-Koalition reagiere hingegen immer zu spät, die Verbesserungen fielen viel zu gering aus. "Das Bürgergeld ist nicht im Ansatz armutsfest", sagte Bartsch. In der Substanz bleibe das System Hartz IV erhalten.

Bundesrat soll am Montag abstimmen

Damit das Bürgergeld in Kraft treten kann, ist die Zustimmung des Bundesrats nötig. Weil die Union an vielen Landesregierungen beteiligt ist, kann sie die Pläne der Ampel-Koalition in der Länderkammer blockieren. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Bundesrat in einer Stellungnahme die Pläne zum Bürgergeld kritisiert. Nun soll er sich am Montag mit dem Bürgergeld befassen. Sollten die Pläne im Bundesrat keine Mehrheit finden, müssten sie in den Vermittlungsausschuss gehen.

CDU und CSU hatten den angepeilten Wechsel weg vom bisherigen Hartz-IV-System bereits in den vergangenen Wochen scharf kritisiert – das Bürgergeld senke die Motivation, eine Arbeit anzunehmen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz sagte MDR AKTUELL, es müsse dabei bleiben, dass nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werde.

502 statt 449 Euro und weniger Sanktionen

Mit dem Bürgergeld soll der heutige Hartz-IV-Regelsatz von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro angehoben werden. Zudem sollen Sanktionen abgebaut werden. So werden Leistungen in den ersten sechs Monaten des Bezugs dann nur in Ausnahmefällen gekürzt. Zudem soll mehr Vermögen als bisher unangetastet bleiben. Das Bürgergeld soll zum Jahreswechsel eingeführt werden.

Schweigeminute für Werner Schulz

Die Bundestagssitzung hatte mit einer Schweigeminute für den DDR-Bürgerrechtler und Grünen-Politiker Werner Schulz begonnen. Er war am Mittwoch bei einer Veranstaltung zum 9. November im Schloss Bellevue gestorben.

dpa,MDR(fef)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. November 2022 | 10:00 Uhr

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