Kommentar Bürgergeld scheitert mit Ansage

14. November 2022, 19:01 Uhr

Der Bundesrat lässt das Bürgergeld durchfallen – und die Parteien schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Während die Union Regelungen wie das höhere Schonvermögen zu pauschal findet, entrüsten sich die Ampelparteien teils theatralisch. Statt auf die eigene Dickköpfigkeit zu beharren, sollten Regierung und Opposition endlich Kompromisse finden, kommentiert Hauptstadtkorrespondent Alexander Budweg.

Alexander Budweg
Bildrechte: Tanja Schnitzler/ARD Hauptstadtstudio

Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte. So muss das Scheitern des Bürgergeldes aus Sicht der heutigen Hartz-IV-Empfänger gesehen werden. Dabei hätte die von der Union ausgelöste Notbremse im Bundesrat verhindert werden können, denn sie kam keineswegs überraschend. Seit Wochen poltern CDU und CSU gegen das Bürgergeld. Mal mit mehr, mal mit weniger sachlichen Argumente. In der Ampel hat das zu teils theatralischer Entrüstung geführt. Was es aber nicht gab, war das Einsehen, dass die Reform so mit der Union nicht zu machen sein wird.

Ampel will mit dem Kopf durch die Wand

Statt auf einen Kompromiss zu setzen und das Bestmögliche rauszuholen, wollten SPD, Grüne und FDP mit dem Kopf durch die Wand. Mögen die Motive der Ampelparteien auch noch so gut gewesen sein – dass ihre wichtigste Sozialreform nun ins Stocken geraten ist, ist auch ihre Schuld und nicht allein die der Union. Zum kleinen Einmaleins der Politik gehört es, nicht nur eine gute Idee zu haben, sondern dafür auch eine Mehrheit zu finden. Und diese fehlt der Ampel nun mal im Bundesrat, weshalb sie auf die Union hätte zugehen müssen.

Zum kleinen Einmaleins der Politik gehört es, nicht nur eine gute Idee zu haben, sondern dafür auch eine Mehrheit zu finden.

Alexander Budweg Hauptstadtkorrespondent MDR AKTUELL

Für alle Leistungsberechtigten steht nun viel auf dem Spiel. Zuvorderst braucht es angesichts stark gestiegener Lebenshaltungskosten dringend eine Anhebung der Regelsätze. Das will auch die Union. Sie hat deshalb vorgeschlagen, die Anhebung der Regelsätze aus dem Reformpaket herauszulösen und darüber separat abzustimmen. Von den Ampelparteien kann das aber nur als vergiftetes Angebot wahrgenommen werden. Wer garantiert ihnen schließlich, dass CDU und CSU danach überhaupt noch willens zu einer Einigung sind?

Kritikpunkte reichen nicht aus, um das Bürgergeld zu kippen

Die Kritik der Union bezieht sich im Wesentlichen auf zwei Punkte. Das geplante Schonvermögen von bis zu 150.000 Euro für eine vierköpfige Familie ist aus ihrer Sicht zu pauschal und deshalb unsozial. Darüber sollten Ampel und Union sprechen und eine Regelung finden, die für beide Seiten tragfähig ist. Zudem geht es um das Thema Sanktionen. Hier fordert die Union ein härteres Durchgreifen gegen Totalverweigerer.

Doch reichen diese beiden Kritikpunkte aus, um dafür die komplette Reform zu kippen? Nein, denn das Bürgergeld versucht zumindest neue Anreize zu setzen, um Menschen wieder oder überhaupt erstmals dauerhaft in Arbeit zu kriegen. Vielen fehlt ein Schul- oder Berufsabschluss. Wer dies nachholt, soll beim Bürgergeld mit einem monatlichen Bonus zusätzlich motiviert werden.

Zudem sollen auch die Hinzuverdienstgrenzen verbessert werden. Dass alles müssten eigentlich auch aus Sicht der Union richtig sein, denn schließlich hört man auch aus ihren Reihen immer wieder, dass Arbeit sich lohnen muss.

Union und Ampel geht es um den eigenen Dickkopf

CDU und CSU sollten deshalb ihre Totalverweigerung gegen das Bürgergeld aufgeben und eine ernsthafte Kompromissbereitschaft gegenüber den Ampelparteien signalisieren. Derzeit nehmen beide Seiten Millionen Grundsicherungsempfänger in Geiselhaft für einen politischen Streit, bei dem es derzeit weniger um die Sache, als vielmehr um den eigenen Dickkopf geht. Das ist gegenüber den Ärmsten in unserem Land ungerecht.

Zudem ist es für staatstragende Parteien unwürdig. Ihr Streit gefährdet schließlich auch den sozialen Zusammenhalt und treibt die Leidtragenden aus Wut und Enttäuschung womöglich in die Hände von radikalen Kräften. Das kann nicht das Anliegen von Demokraten sein. Beide Seiten müssen deshalb nun an einer Lösung arbeiten. Da alle Argumente schon auf dem Tisch liegen, sollte das eigentlich auch schnell gehen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 14. November 2022 | 16:00 Uhr

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