Mindestabstand zur Grundsicherung Höheres Bürgergeld, höherere Löhne? – Warum das nur für Beamte gilt
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21. August 2024, 13:33 Uhr
Seit das Bürgergeld Anfang 2024 erhöht wurde, wird heftig über die Frage gestritten: Lohnt es sich überhaupt, zu arbeiten? Denn natürlich sollten Menschen, die arbeiten, mehr als das Existenzminimum verdienen. Wieviel mehr genau, ist bei Beamten klar geregelt. Hier gibt es einen vorgeschriebenen Mindestabstand zur Grundsicherung. Bei Arbeitslohn-Empfängern gibt es eine solche Regelung nicht.
- 15 Prozent Mindestabstand zur Grundsicherung
- Sachsen streicht niedrigste Besoldungsgruppe
- Im Taxigewerbe kaum Abstand zum Bürgergeld
- Spürbarer Lohnabstand nicht ohne staatliche Hilfen
Mehr Geld zum 1. Januar 2024. Für Bürgergeld-Empfänger war der Jahresbeginn ein Grund zur Freude. Ein Grund, den Taschenrechner auszupacken, war er hingegen für Marco Heber, Referatsleiter für die Besoldung der Beamten im Thüringer Finanzministerium. Denn nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 müssen Heber und seine Leute prüfen: Hat eine vierköpfige Familie, in der eine Beamte Alleinverdienerin ist, 15 Prozent mehr als wenn alle vier Bürgergeld bezögen? Rabatte wie verbilligte ÖPNV-Tickets oder Wohn- und Heizkosten vom Amt sind da mit eingerechnet.
15 Prozent Mindestabstand zur Grundsicherung
Heber erklärt: "Wir müssen also hier beachten: Was wird zum einen an die Bürgergeldempfänger gezahlt und was müssen sie für Leistungen, die sie in Anspruch nehmen, nicht bezahlen? Und das sind in Thüringen im Jahr 2024 38.800 Euro. Und dann müssen wir 15 Prozent drauflegen. Und dies ist der sogenannte Mindestabstand zur Grundsicherung."
Weil dieser Mindestabstand nicht mehr bei allen Thüringer Beamten vorhanden war, musste die Landesregierung im Sommer etwa die Justizsekretäre in höhere Erfahrungsstufen einordnen, sagt Heber: "Wir haben beispielsweise Erfahrungsstufen gestrichen. Wir haben die allgemeine Zulage im mittleren Dienst angehoben und wir haben auch Ehegatteneinkommen angerechnet." Durch diese besoldungsrechtlichen Maßnahmen habe man den Mindestabstand zur Grundsicherung eingehalten, so der Thüringer Referatsleiter.
Sachsen streicht niedrigste Besoldungsgruppe
Sachsen strich die niedrigste Besoldungsgruppe sogar ganz und schießt künftig mehr zur Krankenversicherung von Partnern und Kindern zu. Was Beamte mindestens bekommen, kann und muss der Staat also recht einfach festlegen. In der freien Wirtschaft ist der Lohnabstand schwieriger zu regeln. Steuerfreibeträge und Sozialleistungen sollen hier dazu beitragen – ebenso wie Mindestlohn und Tarifabschlüsse.
Im Taxigewerbe kaum Abstand zum Bürgergeld
Viele Unternehmen seiner Branche schafften es aber nicht, genug Abstand zwischen Bürgergeld und Arbeitslohn zu bringen, sagt Martin Kammer vom Landesverband Thüringen des Verkehrsgewerbes. Im Taxigewerbe etwa sei er kaum vorhanden, daran könne auch ein höherer Mindestlohn nichts ändern: Der Mindestlohn liege bei 12,41 Euro. Man bräuchte einen Bruttolohn von 18 Euro und ein paar Zerquetschten, damit eine vierköpfige Familie mehr Geld habe, erklärt Kammer. Seiner Ansicht nach könnten deshalb nur Kürzungen oder Sanktionen beim Bürgergeld einen echten Anreiz bieten, zu arbeiten.
Spürbarer Lohnabstand nicht ohne staatliche Hilfen
Andreas Peichl, Leiter am Münchner ifo Institut, sagt hingegen: Wer arbeiten gehe, habe auch mit dem aktuellen Mindestlohn immer ein höheres Einkommen als Bürgergeld-Empfänger. Aber: "Was oft auch unter Lohnabstand verstanden wird, ist, dass man, wenn man Vollzeit arbeitet, ohne staatliche Unterstützungsleistung mehr verdienen sollte, als wenn man nicht arbeitet." Und es sei in der Tat so, dass dann natürlich ein deutlich höheres Einkommen notwendig sei, "weil man mittlerweile bis in mittlere Einkommen hinein schon Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen wie das Wohngeld hat".
Gering- und Mittelverdiener müssten also alles ausschöpfen, was ihnen an Staatshilfen eigentlich zustehen würde, damit der Lohnabstand auch spürbar werde. Wie viele Anspruchsberechtigte das auch tun, ist unbekannt. Peichl vermutet aber, dass es wenige sind. Das ifo Institut schlägt deshalb vor, Sozialleistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag zu vereinfachen und besser in Bürgergeld und Steuersystem zu integrieren.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. August 2024 | 06:47 Uhr