Energiekrise und 49-Euro-Ticket Zufrieden mit Abstrichen: Gemischte Reaktionen auf Entlastungspaket von Bund und Ländern

03. November 2022, 18:44 Uhr

Bund und Länder haben sich am Mittwoch auf ein milliardenschweres Entlastungspaket geeinigt. Die Länderchefs sind grundsätzlich zufrieden, sehen aber Nachbesserungsbedarf. So zeigte sich etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer unzufrieden über die Finanzierung des 49-Euro-Tickets.

Bund und Länder haben am Mittwoch ein milliardenschweres Entlastungspaket geschnürt, das Bürger und Firmen in der Energiekrise helfen soll. Nach dreistündigen Beratungen im Bundeskanzleramt zeigten sich Kanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten zufrieden. "Wir haken uns unter und wir lösen die Probleme unseres Landes gemeinsam", sagte Scholz.

Haseloff sieht Bund-Länder-Einigung als Erfolg

Während die 16 Länder sich mit den geplanten Energiepreisdeckeln der Ampel-Regierung einverstanden erklärten, erhöhte der Bund seine Zahlungen an die Länder etwa bei den Schienen-Regionalisierungsmitteln und der Flüchtlingshilfe . Zudem haben die Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Scholz sich auf die Finanzierung des 49-Euro-Tickets geeinigt, das deutschlandweit im Nah- und Regionalverkehr gelten soll. Angestrebt wird ein Start des "Deutschlandtickets" im Januar 2023.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sieht die Bund-Länder-Einigungen zu Entlastungen in der Energiekrise, zum ÖPNV und der Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme als Erfolg. Der CDU-Politiker sagte MDR AKTUELL, natürlich könne er eine riesige Liste aufzählen, was er noch alles für Wünsche habe. Man habe aber deutlich mehr erreicht für Länder und Kommunen und auch für die Bürgerinnen und Bürger, als ursprünglich absehbar war. Wichtig sei die Einigung zum Deutschland-Ticket mit einem Einstiegspreis von 49 Euro.

Die Milliarden für Gaspreis- und Strompreisdeckel etwa seien nun freigeschaltet. Zusätzliche Unterstützung sei für Kultureinrichtungen und Krankenhäuser vereinbart. «Damit ist die Not vor Ort sehr stark abgemildert.» Haseloff sagte weiter: "Man kann sich immer mehr wünschen, aber es ist ein Erfolg." Besprochen sei auch ein Härtefallfonds, für den der Bund eine Milliarde Euro gebe, und mit dem über die Entlastungspakete hinaus im privaten und wirtschaftlichen Bereich Härtefälle reguliert werden könnten.

Ramelow plädiert für mehr Gelassenheit

Ramelow bezeichnete die Beratungen als "extrem sachlich und extrem schnell". Der thüringische Ministerpräsident sieht keine Gasmangellage auf Deutschland zukommen und rät zu mehr Zuversicht. Auch die Politik müsse nun "Mutsignale" senden - und sich an die Feinarbeit machen. Neue Formen der Energieversorgung würden jetzt "richtig Fahrt" aufnehmen, sagte der Linke-Politiker nach der Ministerpräsidentenkonferenz. "Raus aus dem Schock, den wir hatten und weg von der Hysterie", sagte Ramelow. Den Menschen müssten die Politiker wieder Mutsignale geben.

Er wolle in Thüringen nun schauen, welche Unternehmen etwa nicht in das von Bund und Ländern auf den Weg gebrachte Raster an Hilfen passten. Für sie könne der Thüringer Hilfsschirm greifen. Jetzt gehe es um Feinarbeit. Es soll ein Ticket für junge Menschen in Thüringen geben. "Meine Idee ist ein 29-Euro-Ticket bis zum 29. Lebensjahr oder ein 28-Euro-Ticket bis zum 28. Lebensjahr", erklärte Ramelow. Die Studierenden hätten bereits ein Semesterticket, für die Auszubildenden gebe es das Azubi-Ticket. In dem neuen Modell sollten nun auch die Gymnasiasten günstig in Thüringen Bahn oder Bus fahren können.

Kretschmer nicht glücklich über "Deutschlandticket"

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zeigte sich unzufrieden über die Einigung auf ein 49-Euro-Ticket. Einerseits reichten die Regionalisierungsmittel des Bundes, mit deren Hilfe die Länder Bahn- und Busverbindungen bei den Verkehrsunternehmen bestellen, nicht aus. "Auf der anderen Seite will der Bund mit dem 49-Euro-Ticket jetzt ein neues Angebot schaffen", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch nach Beratungen in Berlin.

Verkehrsclub VCD: Ein erster Schritt zur Verkehrswende

Kerstin Haarmann vom Verkehrsclubs VCD freut sich, dass auf der Sonder-MPK der Weg für das 49-Euro-Ticket freigemacht wurde. "Das Ticket ist ein großer Schritt heraus aus dem Tarifzonen-Wirrwarr, das das Bus- und Bahnfahren in Deutschland bislang so kompliziert und oft teuer gemacht hat", betont Haarmann. Doch klar sei auch: Es ist nur ein erster Schritt. "Ein neues Ticketmodell allein reicht nicht, um die Verkehrswende zu bewerkstelligen."

Der Verkehrsclub fordert ein Ticket zum Sozialtarif. Dies solle unbürokratisch sein und höchstens 30 Euro pro Monat kosten. Zudem fordern sie Nachbesserungen im ÖPNV: "In den Städten sind Busse und Bahnen oft überfüllt, auf dem Land fahren sie viel zu selten", meint Haarmann. Deswegen brauche es eine Ausbau-Offensive.

Gießkannenprinzip befördert Unzufriedenheit

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte eine gezieltere Ausrichtung der Entlastungen auf Menschen mit geringem Einkommen und in prekären Beschäftigungsverhältnissen. "Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft", erklärte er. "Es schadet der Demokratie, wenn die Ärmsten - und das sind rund 15 Millionen Menschen in Deutschland - die geringste Entlastung erfahren."

dpa, OTS (kar)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. November 2022 | 11:00 Uhr

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