Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Koalition im Krisenmodus | TEIL 10Bundeswehr profitiert bislang kaum von Zusatz-Milliarden

16. September 2022, 05:00 Uhr

Mit 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr fit für die Zukunft gemacht werden. Das Vorhaben kommt unter anderem wegen langwieriger Beschaffungsprozesse nur schleppend voran. Zudem könnte das Beschaffungsamt der Bundeswehr sich zur Baustelle für die Bundesregierung entwickeln.

Es sollte eine Zeitenwende sein: Im Februar kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz zusätzliche Investitionen in die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro an. Doch von dem Geld kommt bislang kaum etwas bei der Truppe an. So sind für dieses Jahr lediglich Ausgaben von 90 Millionen Euro vorgesehen, wobei die Hälfte in die Beschaffung von Bekleidung und persönlicher Ausrüstung investiert werden soll.

Dabei ist der Investitionsstau bei Heer, Marine und Luftwaffe groß. In den vergangenen Jahren haben die verschiedenen Streitkräfte immer wieder Anschaffungen gefordert, die dann aber von der Bundesregierung abgelehnt wurden. Selbst bei Ausrüstungsgegenständen wie Schutzwesten, Stiefeln oder Rucksäcken wurde gespart.

100 Milliarden Euro Bundeswehr-Sondervermögen größtenteils verplant

Die Wunschliste ist deshalb lang, sodass von den 100 Milliarden Euro theoretisch auch schon ein Großteil verplant ist. Den größten Anteil von knapp einem Drittel des Geldes soll die Luftwaffe unter anderem für den Kauf von neuen Transporthubschraubern und Kampfjets erhalten. Dass mit 20 Milliarden Euro der zweitgrößte Teil in die Führungsfähigkeit der Truppe investiert werden soll, erscheint logisch. Schließlich soll die Bundeswehr nach dem Willen von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht künftig in Europa eine Führungsrolle übernehmen. Dafür braucht es unter anderem moderne Kommunikationstechnik, woran es bislang eher mangelt.

Dass trotz der bereits geplanten Anschaffungen die Investitionen nur schleppend anlaufen, liegt zum einen an gesetzlichen Regelungen wie Vorgaben zu Ausschreibungen. Zum anderen dauert die Anschaffung von Rüstungsgütern aber auch aus ganz logischen Gründen etwas länger als etwa der Privatkauf eines neuen Autos. So soll es für die Marine unter anderem neue Korvetten geben. Die liegen aber nicht bereits irgendwo im Hafen, sondern müssen erst gebaut werden.

Beschaffungsanträge der Bundeswehr werden langsam bearbeitet

Darüber hinaus gibt es ein entscheidendes Nadelöhr, dass für alle Anschaffungen bei der Bundeswehr verantwortlich ist: Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, abgekürzt BAAINBw. Durch die Hände der hier beschäftigten 11.200 zivilen und militärischen Mitarbeiter geht jeder Beschaffungsantrag. In der Vergangenheit hatten sie den Ruf weder besonders schnell, noch effizient zu agieren. Allerdings musste das Beschaffungsamt in der Vergangenheit wegen fehlender finanzieller Mittel auch oft eher den Mangel verwalten.

Neben der Einrichtung des Sondervermögens hat der Bundestag deshalb im Sommer Vergabeverfahren vereinfacht und Beschaffungsprozesse erleichtert. Ob die von der Bundesverteidigungsministerin vorgeschlagenen Neuregelungen allerdings ausreichen, um zum Beispiel Ausrüstungsgegenstände oder Ersatzteile schneller zu besorgen, muss sich erst noch zeigen.

Lambrecht muss Beschaffungsamt besser strukturieren

Eventuell gibt es im Beschaffungsamt aber auch ein strukturelles Defizit. So verlangte eine Strukturkommission bereits vor zehn Jahren Reformen. Lambrechts Vorgängerin Ursula von der Leyen scheiterte bei dem Versuch, das mit Hilfe von externen Beratern zu erreichen. Die Arbeit der Superbehörde zu beobachten und notfalls korrigierend einzugreifen, wird eine der Hauptaufgaben für die SPD-Politikerin sein. Andernfalls dürften sich Beschaffungswege auch in Zukunft in die Länge ziehen und es besteht die Gefahr, dass ein Teil die Zusatz-Milliarden gar nicht erst bei der Bundeswehr ankommt.

Die Baustellen-Ampel: Alle Artikel der Serie

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 30. Mai 2022 | 06:00 Uhr