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Das Medikament Paxlovid kann verhindern, dass das Coronavirus sich in den Zellen vermehrt. Bislang ist es in Deutschland aber selten verschrieben worden. Bildrechte: imago images/Panthermedia

Corona-Newsletter | Montag, 29. August 2022Paxlovid: Darüber streiten Arzt und Apotheker

29. August 2022, 19:20 Uhr

Im multimedialen Corona-Daten-Update: Das Corona-Medikament schützt Risikopatienten vor schweren Krankheitsverläufen. Allerdings wurde es bislang nur selten verschrieben. Jetzt können Hausärzte es in ihren Praxen ausgeben. Apotheker sehen das kritisch.

von Maren Wilczek, MDR

Guten Abend liebe Abonnentinnen und Abonnenten,

das Corona-Medikament Paxlovid ist nicht neu. Schon seit Ende Februar ist es in Deutschland verfügbar und soll vor allem Menschen mit hohem Corona-Risiko vor einem schweren Verlauf schützen.

Neu ist allerdings, dass Hausärztinnen und Hausärzte das Mittel in ihrer Praxis vorrätig haben und direkt an Patientinnen und Patienten abgeben dürfen. Das ist einerseits sinnvoll, denn um wirken zu können, muss Paxlovid so schnell wie möglich eingenommen werden. Andererseits stößt die Erlaubnis auf Kritik, denn üblicherweise geben nicht Arztpraxen, sondern Apotheken Medikamente aus.

In diesem Newsletter erkläre ich Ihnen:

  • Wie Paxlovid schwere Corona-Verläufe verhindern kann
  • Weshalb nicht alle Corona-Infizierten Paxlovid bekommen
  • Warum eine Million Packungen des Medikaments für Streit sorgen

Apropos Streit: Über die Corona-Regeln, die ab dem 1. Oktober gelten sollen, ist sich nun zumindest die Bundesregierung einig. Das Kabinett hat Ende vergangener Woche das neue Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht. Als nächstes geht der Entwurf in den Bundestag. Dieser könnte ihn am 8. September beschließen. Anschließend muss der Bundesrat dem Gesetz zustimmen.

So kann Paxlovid schwere Corona-Verläufe verhindern

Paxlovid ist ein Medikament des Herstellers Pfizer. Es besteht aus zwei Wirkstoffen:

  • Nirmatrelvir hindert das Coronavirus daran, sich in den Zellen zu vermehren
  • Ritonavir verlangsamt den Abbau von Nirmatrelvir und verstärkt den Wirkstoff dadurch

Beide werden in Tablettenform eingenommen. Patientinnen und Patienten nehmen laut Packungsbeilage jeweils morgens und abends zwei der pinkfarbenen Nirmatrelvir-Tabletten und eine weiße Ritonavir. Die Behandlung dauert fünf Tage, insgesamt sind also 30 Pillen zu schlucken.

In klinischen Studien hat Paxlovid die Anzahl schwerer Verläufe um fast 90 Prozent reduziert. Patientinnen und Patienten, die damit behandelt wurden, hatten also ein deutlich geringeres Risiko, mit Covid-19 ins Krankenhaus zu müssen oder sogar daran zu sterben. Allerdings ist wichtig, Paxlovid so schnell wie möglich nach der Corona-Diagnose einzunehmen.

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, sagte Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Ich glaube tatsächlich, dass die stärkere Behandlung mit diesem Medikament dazu beitragen könnte, dass weniger Corona-Patienten mit einem schweren Verlauf auf den Intensivstationen behandelt werden müssen."

Wer mit Paxlovid behandelt wird

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hatte Paxlovid im Januar für erwachsene Patientinnen und Patienten zugelassen, die ein hohes Risiko haben, dass eine Covid-Erkrankung bei ihnen schwer verläuft. Das betrifft beispielsweise sehr alte Menschen, Personen mit sehr hohem Gewicht, mit Diabetes, chronischen Nierenleiden, Immunschwäche, einer Krebserkrankung oder Herz- und Lungenkrankheiten.

Allerdings hat Paxlovid häufige Nebenwirkungen: Laut Packungsbeilage kommt es bei bis zu einem von zehn Behandelten zu Durchfall, Erbrechen, Kopfschmerzen oder einem veränderten Geschmackssinn. Zudem gebe es Wechselwirkungen mit zahlreichen anderen Medikamenten. Schwangere, Jugendliche und Menschen mit schweren Funktionsstörungen von Leber oder Nieren ist Paxlovid sollten Paxlovid nicht nehmen.

Bevor Patientinnen und Patienten Paxlovid einnehmen, sei eine ärztliche Beratung deshalb zwingend erforderlich, sagte der Vorstandschef der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, MDR AKTUELL. Ob das Medikament dann direkt in der Arztpraxis oder in einer Apotheke abgegeben werde, spiele aber grundsätzlich keine Rolle.

Darum sorgen eine Million Packungen Paxlovid für Streit

Mit der Zulassung von Paxlovid in Europa sollte es auch in Deutschland so schnell wie möglich zum Einsatz kommen. Der Bund hatte eine Million Packungen bestellt. Davon seien bislang aber erst 43.000 verkauft worden, sagte der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes, Stefan Fink, MDR AKTUELL.

Laut der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der CSU erreicht mehr als eine Viertel Million der Packungen in einem halben Jahr ihr Verfallsdatum. Dem Bund würde so ein Verlust von fast 17 Million Euro entstehen. Damit das Medikament künftig einfacher verschrieben werden kann, hatte Minister Lauterbach zuletzt erlaubt, dass auch Hausarztpraxen das Paxlovid ausgeben dürfen. Pro Verordnung erhalten die Praxen 15 Euro.

Der Thüringer Apothekerverbandschef Fink kritisierte, dass Lauterbach damit den Grundsatz aufgelöst habe, dass Apotheke und Arztpraxis getrennt sind: "Es sollte in der Regel keiner an den Medikamenten verdienen, die er selber verschreibt."

Nach Einschätzung des Patientenschützers Eugen Brysch ist die Diskussion rein strategisch zu sehen: Lauterbach habe Hunderte von Millionen Euro für Paxlovid ausgegeben und hoffe nun, dass mehr davon vergeben werde.

"Durch die Möglichkeit, Paxlovid jetzt direkt an die Patientinnen und Patienten abzugeben, kann das jetzt ohne unnötigen Zeitverzug geschehen", erklärte der Sprecher des Deutschen Hausärzteverbands, Vincent Jörres. Das sei ein Fortschritt für die Versorgung von Corona-Risikopatienten. Allerdings sei die Verordnung von Paxlovid immer eine Einzelfallentscheidung, die Arzt und Patient gemeinsam treffen müssten.

Auf einen Blick: die aktuellen Zahlen

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) beträgt die bundesweite 7-Tage-Inzidenz aktuell 242,8. Allerdings hat demnach nur Baden-Württemberg einen einzigen neuen Coronafall an das RKI gemeldet, aus den anderen Bundesländern liegen keinerlei neue Meldungen vom Sonntag vor.

Die höchste 7-Tage-Inzidenz haben laut RKI aktuell Mecklenburg-Vorpommern (320,9), Nordrhein-Westfalen (299,2) und Brandenburg (295,4). Thüringen habe mit 166,2 einen der niedrigsten Werte in Deutschland. Die 7-Tage-Inzidenz beträgt dem RKI zufolge in Sachsen aktuell 218,4 und in Sachsen-Anhalt 211,7.

Im Folgenden nun die Zahlen, auf die sich die Länderministerien beziehen und von Behörden und Landkreise. Diese Werte können unter Umständen von denen des RKI abweichen, da sie meist etwas aktueller sind.

Sachsen

  • Hospitalisierungsrate*: 2,05 (-0,84 im Vergleich zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 64, davon 16 beatmet, 72 freie COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 64,7 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 44,8 Prozent
  • 18-59 Jahre: 66,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 84,3 Prozent
  • Auffrischungsimpfung: 49,8 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 15.886 (+49 zu vergangenem Montag)

Thüringen

  • Hospitalisierungsrate*: 6,93 (-1,84 im Vergleich zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 26, davon 9 beatmet, 48 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 69,8 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 52,7 Prozent
  • 18-59 Jahre: 71,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 88,3 Prozent
  • Auffrischungsimpfung: 53,4 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 7.552 (+26 zu vergangenem Montag)

Sachsen-Anhalt

  • Hospitalisierungsrate*: 4,82 (-2,89 im Vergleich zur Vorwoche)
  • COVID-19-Intensivpatienten: 15, davon 10 beatmet, 39 freie 
  • COVID-19-Intensivbetten
  • Impfquote: 73,6 Prozent (vollständig geimpft)
  • 12-17 Jahre: 53,8 Prozent
  • 18-59 Jahre: 76,6 Prozent
  • 60+ Jahre: 91,3 Prozent
  • Auffrischungsimpfung: 57,4 Prozent
  • Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19: 5.635 (+17 zu vergangenem Montag)

* Die Hospitalisierungsrate beschreibt die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten COVID-19-Fälle. Durch Übermittlungsverzug wird die Rate in gewissem Maß unterschätzt, schreibt das RKI. Ein deutschlandweit gültiger Grenzwert dafür, welche Maßnahmen eine bestimmte Hospitalisierungsrate nach sich ziehen, wurde nicht festgelegt. Warum die Hospitalisierungsrate in der jetzigen Form als neue Corona-Kennzahl untauglich ist, erklärt MDR-Datenjournalist Manuel Mohr in diesem Artikel.

(Quellen: Hospitalisierungsrate: RKI | Intensivpatienten: Divi | Impfquote: RKI | Todesfälle: RKI)

Alle Grafiken und weiteren Zahlen finden Sie hier in den Übersichten der Kolleginnen und Kollegen.

Was Sie außerdem wissen sollten

In Thüringen drohen in den kommenden zwei Monaten mehr als 24.000 Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech zu verfallen. Das Haltbarkeitsdatum von rund 34.000 Dosen des Moderna-Impfstoffs ist bereits abgelaufen.

Mit Messungen im Abwasser kann nicht nur festgestellt werden, wie verbreitet Corona in einer Stadt oder Region ist. Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch neue Virusvarianten im Abwasser nachweisbar sind.

Zum Schluss

...gilt immer noch die alte Medikamentenwerbeweisheit: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker – beziehungsweise Ihre Ärztin oder Apothekerin – wenn es um Ihre Gesundheit geht.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche und kann Ihnen jetzt schon spannende Aussichten für den Freitagabend mitgeben. Da hat die Mondmission Artemis I ihren zweiten Startversuch. Heute konnte die Rakete nicht starten, weil es Probleme mit einem der Triebwerke gab, aber am 2. sowie am 5. September könnten uns beeindruckende Bilder erwarten. Alles Wichtige dazu finden Sie bei MDR WISSEN.

Herzliche Grüße
Maren Wilczek

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 29. August 2022 | 06:00 Uhr

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