Einn Apotheker hält eine Packung mit Paxlovid Tabletten.
Apotheker mit Paxlovid-Blister: Ab sofort kann das Medikament direkt über den Hausarzt an Patienten abgegeben werden. Bildrechte: IMAGO/Chris Sweda

Corona-Medikament Mitteldeutsche Apotheker kritisieren Lauterbachs Paxlovid-Pläne

29. August 2022, 14:53 Uhr

Im Kampf gegen Corona-Erkrankungen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dass Hausärzte öfter das Medikament Paxlovid verschreiben. Eine Million Packungen hatte der Gesundheitsminister vorsorglich eingekauft. Nun erlaubt er: Ab sofort dürfen die Hausärzte das Präparat in ihrer Praxis vorrätig haben und an Patienten abgeben. Apothekerverbände kritisieren das.

Uta Georgi, Moderatorin, Autorin, Nachrichtensprecherin
Uta Georgi, Moderatorin, Autorin, Nachrichtensprecherin Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

"Man muss wissen, dass von der eine Million Packungen bis jetzt erst 43.000 Packungen verkauft wurden.". Das sagt Stefan Fink, der Chef des Thüringer Apothekerverbands. Mehr als eine Viertel Million Packungen erreichen in einem halben Jahr ihr Verfallsdatum. Das geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine CSU-Anfrage hervor. 59,50 Euro kostet eine Packung in der Apotheke – das wäre ein Verlust von fast 17 Millionen Euro. Paxlovid erweist sich als Ladenhüter.

"800 Jahre altes Regelwerk": Trennung von Arzt und Apotheker

Der Grund liege auf der Hand, sagt Stefan Fink vom Thüringer Apothekerverband: "Das liegt daran, dass anscheinend die Ärzte von dem Medikament nicht überzeugt sind. Wir fühlen hier eine Irritation, weil der Gesundheitsminister entschieden hat: Hier jetzt ein 800 Jahre altes Regelwerk, nämlich dass Apotheke und Arzt getrennt sind, aufzulösen. Und das ist mit gutem Grund so, denn es sollte in der Regel keiner an den Medikamenten verdienen, die er selber verschreibt."

Was ist Paxlovid – und warum wird es so selten verschrieben? Das Medikament Paxlovid soll für einen milderen Corona-Verlauf sorgen. Es ist seit Januar in der EU zugelassen – bislang für Risikopatienten, also für ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Einer Studie des Herstellers zufolge senkt Paxlovid das Risiko für einen schweren Corona-Verlauf um 89 Prozent.

Paxlovid weist allerdings zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf. Das liegt am Wirkstoff Ritonavir, der die Wirkung vieler Medikamente verstärkt. Gerade bei älteren Patienten, die oft weitere Medikamente einnehmen, ist das ein Problem. Zudem ist die Wirksamkeit von Paxlovid nur bei Risikopatienten belegt. MDR (jan)

Ähnlich sieht das auch der Zwickauer Apotheker Reinhard Groß. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des sächsischen Apothekerverbands, und er findet die aktuellen Bemühungen um Paxlovid-Beschreibungen etwas aktionistisch: "Der Verfall steht an, die halten nicht mehr so lange die Präparate, und die werden dann weggeschmissen."

Das sei der Grund, weshalb jetzt die Neueröffnung eines Vertriebswegs losgehe, meint Apotheker Groß: "Die zögerliche Verordnung von Paxlovid, die scheitert ja nicht daran, dass die Apotheke so weit weg ist oder dass die Apotheke das nicht liefern kann."

Paxlovid kann zahlreiche Neben- und Wechselwirkungen bringen

Aus Sicht von Patientenschützern ist eine ärztliche Beratung bei der Einnahme von Paxlovid zwingend erforderlich, denn das Medikament bringt viele Nebenwirkungen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten mit sich.

Grundsätzlich spiele es aber keine Rolle, ob Paxlovid in der Apotheke abgegeben werde oder vom Arzt selbst, sagt Eugen Brysch. Er ist der Vorstandschef der Deutschen Stiftung Patientenschutz und sagt zur Diskussion um Paxlovid: "Das ist rein strategisch zu sehen."

Karl Lauterbach habe Hunderte von Millionen Euro für dieses Präparat ausgegeben, erklärt Brysch. "Er möchte sich jetzt sicherlich nicht mehr fragen lassen: Wie kommt das eigentlich, dass so wenig verschrieben wird? Und glaubt mit der Intention 'Der Arzt macht's jetzt direkt', etwas mehr von diesem Präparat zu vergeben.“

Hausärzte: Verordnung von Paxlovid immer Einzelfall

Paxlovid wird vor allem bei einer Covid-Erkrankung von Risikopatienten eingesetzt, älteren Menschen oder solchen mit Vorerkrankungen. Die Hausärzte freuten sich deshalb über die neue Vergabe-Ordnung, sagt Vincent Jörres, der Sprecher des Deutschen Hausärzteverbands: "Dass Hausärzte jetzt die Möglichkeit haben, Paxlovid direkt an ihre Patienten abzugeben ist aus unserer Sicht ein sehr großer Fortschritt für die Versorgung von Corona-Risikopatienten."

Das ergebe auch insofern Sinn, als dass Paxlovid sehr früh während der Erkrankung, spätestens fünf Tage nach Symptombeginn, eingenommen werden müsse, erklärt Jörres. "Durch die Möglichkeit, Paxlovid jetzt direkt an die Patientinnen und Patienten abzugeben, kann das jetzt ohne unnötigen Zeitverzug geschehen." Richtig eingesetzt könne Paxlovid die Sterblichkeit bei Covid-Erkrankungen deutlich senken. Dennoch sei eine Verordnung immer eine Einzelfall-Entscheidung, die Arzt und Patient gemeinsam treffen müssten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. August 2022 | 06:00 Uhr

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