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Umstrittene ViertimpfungStiko-Chef kritisiert Lauterbachs Impf-Empfehlung für Unter-60-Jährige

15. Juli 2022, 19:43 Uhr

Gesundheitsminister Lauterbach hat heftige Kritik für seinen jüngsten Rat geerntet, auch Menschen unter 60 Jahren das vierte Mal zu impfen. Stiko-Chef Mertens wandte sich gegen medizinische Empfehlungen nach dem Motto "Viel hilft viel". Er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigen würden. Unterdessen versprach Lauterbachs Ministerium für Herbst mindestens zwei auf Virus-Varianten angepasste Impfstoffe.

Der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hat die Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Viertimpfung von Menschen unter 60 Jahren kritisiert. Der Stiko-Chef sagte der "Welt am Sonntag", er halte es für schlecht, "medizinische Empfehlungen unter dem Motto 'Viel hilft viel' auszusprechen".

Lauterbach verspricht reduziertes Risiko

Lauterbach hatte zuvor dem "Spiegel" gesagt, wenn jemand den "Sommer genießen und kein Risiko eingehen" wolle, würde er in Absprache mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen. Mit einer Viertimpfung habe man einfach eine "ganz andere Sicherheit". Das Long-Covid-Risiko sei "deutlich reduziert für ein paar Monate", ebenso das Infektionsrisiko. Zudem warb der SPD-Politiker, dass die Menschen einen an Omikron angepassten Impfstoff auch nach der vierten Impfung nehmen könnten.

Mertens sieht keine Datengrundlage

Lauterbach ging mit seinen Ratschlägen weit über die Empfehlungen von EU und Ständiger Impfkommission hinaus. Entsprechend scharf fiel die Kritik aus. Stiko-Chef Mertens sagte, er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigen würden. Es könne nicht jedes Jahr die gesamte Bevölkerung geimpft werden.

Die Empfehlung seiner Kommission, wonach sich Menschen über 70, Vorerkrankte und Pflegepersonal die vierte Dosis verabreichen sollen, halte er nach wie vor für richtig, betonte der Stiko-Chef. Dass die EU-Gesundheitsbehörde ECDC und die EU-Arzneimittelbehörde EMA die Altersgrenze auf 60 festgesetzt hatten, sei aber vertretbar. Die dreimalige Impfung mit den verfügbaren Impfstoffen schützt nach Ansicht von Mertens gut vor schweren Verläufen. Zugleich wies der Stiko-Chef jedoch darauf hin, dass die Übertragung des Virus nur "gering beeinflusst" werde.

Kritik von FDP und Patientenschützern

Kritik an Lauterbachs neuster Empfehlung kam auch von den Liberalen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Nachrichtenportal t-online: "Herr Lauterbach tut meiner Meinung nach gut daran, der Stiko bei Impfempfehlungen nicht vorauszugreifen." Als zuständiger Minister solle er sich vielmehr darum kümmern, dass die Pandemiebekämpfung jetzt effizient gehandhabt werde. Nötig sei eine verlässliche Datenerhebung.

Zurückhaltend reagierte auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz. "Grundsätzlich sollten die Menschen vor weiteren Impfungen den persönlichen ärztlichen Rat einholen", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Nachrichtenagentur AFP. Nicht nur das Alter sei entscheidend. "Vielmehr müssen Vorerkrankungen, individuelle Risiken und der Immunstatus in den Blick genommen werden."

Zwei angepasste Impfstoffe für Herbst versprochen

Unterdessen teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, dass im Herbst in Deutschland mindestens zwei auf Virus-Varianten angepasste Impfstoffe geben soll. Ein Ministeriumssprecher sagte, zum einen werde es einen sogenannten bivalenten Impfstoff geben, aufbauend auf der Virus-Variante BA.1. Zum anderen solle es ein an die Variante BA.5 angepasstes Vakzin geben. "Beide werden in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen." Welcher Impfstoff dann eingesetzt werde, hänge von der dann vorherrschenden Coronavirus-Variante ab. Der erste Impfstoff dürfte Anfang September zur Verfügung stehen, der zweite eher Ende September/Anfang Oktober.

AFP/Reuters (dni)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 15. Juli 2022 | 14:00 Uhr

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