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Auf der kleinen Insel soll die neue Akademie entstehen. Bildrechte: imago/Reinhard Balzerek

Umstrittener Standort Insel DänholmBau der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz gerät ins Stocken

07. Februar 2023, 15:10 Uhr

Auf der Ostseeinsel Dänholm soll ein zusätzlicher Standort der Akademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung entstehen, um Menschen für den Katastrophenfall auszubilden. Wegen der Lage am äußeren Rand Deutschland gilt der geplante Standort als schlechte Wahl. Mit dem Bau kann frühestens 2025 begonnen werden.

Mehr als 200.000 Menschen bundesweit müssen für den Katastrophenfall fit gemacht werden und zwar bis zur untersten Ebene in den Städten und Gemeinden: Das steht in einer Antwort der Bundesregierung von Ende Dezember auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion.

Doch anders als geplant, können die vielen Menschen noch nicht an einer neuen Akademie im Osten ausgebildet werden. Ein echtes Problem, sagt Leon Eckert, Berichterstatter für Bevölkerungsschutz für die Grünen-Fraktion im Bundestag. Er nennt als Beispiel die Flut im Ahrtal von vor zwei Jahren mit fast 200 Toten: "Das hat man etwa im Ahrtal gesehen. Da war der Hauptverwaltungsbeamte eben nicht geschult und da fehlten dann wichtige Infos, wichtiges Wissen, um die Koordination zu verbessern und da gut zu reagieren."

Wer soll ausgebildet werden?Laut Leon Eckert richten sich die Schulungen der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung an zwei Gruppen. Die erste bilden die Profis aus den Gefahrenabwehrbehörden. Sie wissen bereits, wie sie im Ernstfall handeln und entscheiden müssen. Sie lernen in den Schulungen andere Organisation des Zivilschutzes kennen und können sich dann besser mit ihnen vernetzen. Zur zweiten Gruppe gehören die Menschen, die sich in allen denkbaren Ernstfällen um die Verwaltung kümmern. Wie wird ein Rathaus offengehalten, wenn vieles überflutet ist? Wie sieht ein Notfallplan aus, wenn Geflüchtete aus anderen Gemeinden und Regionen kommen? Diese Abläufe müssen Landräte, Bürgermeister und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung üben und dann auch sicher umsetzen können.

Schnell Ausbilden für den Ernstfall wäre also wichtig. Doch auf der kleinen Insel Dänholm an der Ostsee wird an der neuen Akademie noch nicht einmal gebaut. Einzig das Grundstück Hiddenseer Straße 7 steht fest, so die Stadt Stralsund auf Anfrage.

Bis die nötigen Erkundungs- und Bauaufträge kommen, kann es nach Recherchen von MDR AKTUELL noch lange dauern. Das Bundesinnenministerium antwortete schriftlich auf eine Anfrage: "Entscheidungen über einen Bau beziehungsweise über einen Baubeginn unterliegen zunächst insbesondere zahlreichen vertiefenden fachlichen und organisatorischen Konzeptionen und Prüfungen der Wirtschaftlichkeit bis hin zur Sicherung der Finanzierung. Mit entsprechenden Ergebnissen ist im Laufe der kommenden Legislaturperiode zu rechnen." Die kommende Legislaturperiode beginnt 2025.

Andere Standorte erfüllen Anforderungen für Akademie deutlich besser

Die neue Akademie sollte unter anderem gut an Autobahnen und das ICE-Netz angebunden sein, so lautete eine wichtige Bedingung. Auch auf der Liste: Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie sollten in der Nähe sein. Zudem sollte die Akademie ohne große Um- oder Neubauten innerhalb von zwei Jahren bezugsfertig sein.

Alle diese Anforderungen erfüllten andere Bewerber für den Standort top – wie Eilenburg in Sachsen und Heyrothsberge bei Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Doch es wurde das vergleichsweise abgelegene Dänholm. Ingo Schäfer, für die SPD im Innenausschuss des Bundestages, sagt: "Dänholm hat am Ende dieser Liste gelegen, zumindest ist das mein Kenntnisstand, aber warum man sich am Ende für Dänholm entschieden hat, das müssen sie den Innenminister Horst Seehofer oder vielleicht die Bundeskanzlerin Angela Merkel fragen. Da kann ich nichts dazu sagen, wie es dann zu dieser Entscheidungsfindung gekommen ist."

Die Insel DänholmDänholm ist eine knapp einen Quadratkilometer große Insel zwischen Stralsund und Rügen, die zu Fuß über den alten Rügendamm und die Ziegelgrabenbrücke erreichbar ist. Auf der kleinen Insel befindet sich neben dem Hauptzollamt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die Bundespolizeiinspektion Stralsund und auch noch ein Marinemuseum.

Wie es unter der aktuellen Bundesregierung weitergeht – mit dem Üben für den Ernstfall auf der kleinen Insel, das ist offen. Am Standort halte man fest, das ist die einzig belastbare Antwort von Ministerien und Behörden auf MDR-Anfrage.

Eckert: Pläne für Dänholm nicht mehr zeitgemäß

Aus Sicht des Grünen-Bundestagsabgeordneten Leon Eckert sind die Pläne für einen Neubau mit mehr als hundert Mitarbeitern an einem Ort nicht mehr zeitgemäß. Aus Eckerts Sicht müsste es mehrere kleine Standorte geben, weil es einen Schulungsbedarf in der ganzen Bundesrepublik gebe: "Ich möchte ja, dass die Leute nicht unglaublich lange Anfahrtswege von weiten Teilen der Bundesrepublik haben. Deswegen wäre mein Vorschlag, kleinere Standorte verteilt in der Republik zu erstellen."

Auch aus Sicht von Ingo Schäfer sollte die Ausbildung im Katastrophenschutz anders ausgerichtet werden. Er hat als Berufsfeuerwehrmann die Erfahrung gemacht: Wenn vor Ort ausgebildet wird in den Städten und Gemeinden – dann bringt das mehr. Denn dann üben Landräte, Bürgermeister und alle anderen mit dem Material, das sie kennen und im Ernstfall auch benutzen müssen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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