Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Einnahmen durch MehrwertsteuerGasrechnung und Stromkosten: Wie der Staat auch mehr mitverdient

17. August 2022, 14:44 Uhr

Während sich immer mehr Menschen fragen, wie sie ihre Gasrechnungen bezahlen sollen, verdient auch der Staat über die Mehrwertsteuer kräftig mit. Durch die seit Monaten steigenden Preise steigen auch die Steuereinnahmen.

von Christiane Cichy, MDR Wirtschaftsredaktion

3,6 Milliarden Euro mehr Mehrwertsteuer für Gas als noch 2021

Laut einer Analyse des Verbraucherportals Verivox werden deutsche Haushalte 2022 über 3,6 Milliarden Euro mehr an Mehrwertsteuer an den Fiskus entrichten müssen als noch im Jahr zuvor. 2021 lag der Preis für eine Kilowattstunde Gas im Schnitt bei 6,56 Cent – daraus ergaben sich 3,3 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer. Schon im ersten Halbjahr 2022 stieg der durchschnittliche Gaspreis laut Verivox auf 13,67 Cent pro Kilowattstunde. Würden die Verbraucher so viel Gas benötigen wie 2021, stiegen die Mehrwertsteuereinnahmen auf rund 6,9 Milliarden Euro. Somit würde der Staat aufgrund der Preissteigerungen in diesem Jahr insgesamt etwa 3,6 Milliarden Euro mehr kassieren!

Entlastung durch Senkung der Mehrwertsteuer möglich

Gas wird derzeit mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Für viele Haushalte werden die Heizkosten, aufgrund der Preisexplosion, künftig nur noch schwer zu tragen sein, schätzt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. Die Regierung könne Gas zum lebensnotwendigen Gut erklären und dann den Mehrwertsteuersatz von 19 auf sieben Prozent absenken. Dies würde zu einer spürbaren Entlastung führen, so Storck.

Zahlen von Verivox zeigen: Die Ersparnis für Haushalte läge demnach bei 4,4 Milliarden Euro. Im August 2022 belaufen sich die Kosten für eine Familie mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 20.000 kWh auf 3.568 Euro pro Jahr. Bei einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent würden die Kosten um 360 Euro sinken auf dann 3.208 Euro jährlich. Wird ab Oktober die Gasumlage fällig und diese voll versteuert, würden die Kosten für Kosten für 20.000 kWh 4.163 Euro betragen. Mit abgesenkter Mehrwertsteuer würde eine Familie dann 3.743 Euro bezahlen und um 420 Euro im Jahr entlastet werden. 

Preisexplosion auch beim Strom erwartet

Während die Öffentlichkeit derzeit den Gasmarkt im Fokus hat und sich vor horrenden Heizkosten fürchtet, werden wegen erhöhter Beschaffungskosten auch die Strompreise massiv steigen. Strom wird für Lieferungen, die 2023 geplant sind, schon für 450 Euro pro Megawattstunde gehandelt – fast eine Verzehnfachung des früheren Niveaus. Und auch hier profitiert der Staat.

Bei 4.000 Kilowattstunden allein 209 Euro Mehrwertsteuer

Die staatlichen Belastungen beim Strompreis liegen 2022 nach mehreren Senkungen bei 31,1%. Für Steuern, Abgaben und Umlagen fallen pro Kilowattstunde 10,17 Cent an. [2021: 16,39 Cent].  Den größten Anteil im Bereich der staatlichen Abgaben hat die Mehrwertsteuer, die mit 19 Prozent auf alle Preisbestandteile aufgeschlagen wird.  [= 5,22 Cent pro Kilowattstunde]. Bei einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden werden alleine für die Mehrwertsteuer 209 Euro pro Jahr an den Staat abgeführt.

Stromsteuer 20 Mal höher als EU-Recht vorschreibt

Für Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, sind aufgrund der aktuellen Lage zwei Reformen dringlicher denn je: Er fordert die weitgehende Abschaffung der Stromsteuer – so weit, wie EU-Recht dies zulässt. Derzeit verlange der deutsche Fiskus mehr als 20 Mal so viel wie nach EU-Recht vorgeschrieben. Außerdem solle die Mehrwertsteuer für Strom ebenso auf sieben Prozent gesenkt werden.

Andere EU Länder haben Steuersenkungen auf Energiepreise bereits umgesetzt. So wurde in Belgien die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas vorübergehend von 21 auf sechs Prozent gesenkt. Die Niederlande haben die Energiesteuer einmalig reduziert und wollen ab dem Sommer auch die Mehrwertsteuer auf Energie von 21 auf neun Prozent senken.

Forderung nach einer Deckelung der Gaspreise

Die Deckelung des Gaspreises durch den Staat, die in anderen EU Länder bereits Realität ist, wird derzeit in Deutschland kontrovers diskutiert. Doch was steckt dahinter? Das Ziel besteht darin, mit einer staatlichen Deckelung des Preises Haushalte vor steigenden Heizkosten zu schützen und zugleich die Inflation zu bremsen. Auch wenn das Wort "Preisdeckel" in Deutschland häufig auf Ablehnung stöße, in diesem speziellen Fall gebe es sehr gute soziale aber auch ökonomische Gründe, darauf zurückzugreifen. Zu diesem Ergebnis kommen Sebastian Dullien, Direktor des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung und die Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst, Isabella Weber.

Grundversorgung zu bezahlbaren Preisen

Ihrer Analyse zufolge hätte ein solcher Deckel viele Vorteile: Er entlaste zielgenau jene Haushalte, die mit Gas heizen und derzeit einen außergewöhnlichen Anstieg der Heizkosten erleben. Er würde eine Grundversorgung für alle Haushalte zu bezahlbaren Preisen sicherstellen. Und Haushalte mit kleineren Wohnungen und geringerem Verbrauch würden prozentual stärker entlastet als jene mit größeren Wohnungen. Auch Linken-Chef Martin Schirdewan plädiert für einen Gaspreisdeckel: Ein Grundkontingent für Heizen, Kochen und Warmwasser solle allen Gaskunden zu einem Fixpreis zur Verfügung gestellt werden. Nur zusätzlicher Verbrauch würde mehr kosten.

Bundeswirtschaftsminister lehnt Preisdeckelung ab

Nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministers Habeck sei eine Deckelung durch den Staat ökonomisch das falsche Signal und würde die Menschen vom Sparen abhalten. Bei einem Deckel, der nur die ersten 8.000 Kilowattstunden betrifft, ziehe das Argument des Ministers nicht, meint Wirtschaftswissenschaftler Sebastian Dullien. Da nur ein Grundverbrauch, nicht aber die weiteren Einheiten verbilligt werden, bleibe die Ersparnis bei sparsamerem Heizen gewahrt.

Es gibt sogar aufgrund der hohen Marktpreise jenseits des Grundverbrauchs besonders starke Anreize zur Sparsamkeit. Auf MDR-Anfrage schreibt uns das zuständige Bundeswirtschaftsministerium, dass derzeit intensive Gespräche zu Entlastungsmassnahmen laufen würden. Dabei wolle man vor allem jene schützen, die wenig Geld haben. Zu den bislang vereinbarten neuen Entlastungen gehöre eine Reform des Wohngeldes und eine Einführung des Bürgergeldes anstelle von Hartz IV ab 2023. Außerdem wolle man Kündigungsschutzregeln für Mietwohnungen überprüfen. Von konkreten Maßnahmen ,wie Steuersenkungen auf Strom- und Gaspreise wie auch einer Deckelung der Preise, war nicht die Rede.

Andere EU Länder deckeln den Preis bereits

Was in Deutschland noch kontrovers diskutiert wird, ist in anderen EU Länder bereits Realität. So sind Strom- und Gaspreise in Frankreich bereits seit vergangenem Herbst gedeckelt. Auch Spanien und Portugal dürfen laut einer Einigung mit der EU für zwölf Monate in den Strommarkt eingreifen und den Gaspreis für die Stromerzeugung deckeln. 

MDR Wirtschaftsredaktion

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Umschau | 16. August 2022 | 20:15 Uhr