Migrationspolitik Verstärkte Grenzkontrollen: Zustimmung aus Sachsen und Sachsen-Anhalt
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09. Mai 2025, 13:56 Uhr
In einigen Bundesländern sind verstärkte Kontrollen an den Grenzen angelaufen, auf Anordnung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Aus Sachsen und Sachsen-Anhalt kam dafür Zustimmung, Kritik von Grünen und SPD und aus Nachbarländern. Und im MDR-Interview forderte der Chef der Bundespolizei-Gewerkschaft mindestens 3.000 zusätzliche Kräfte.
- Worauf sich Dobrindt jetzt rechtlich beruft
- Innenminister Schuster zufrieden mit der Ankündigung
- Mehr Bundespolizisten für die Grenzkontrollen gefordert
- Kritik auch aus der SPD - Skepsis in Nachbarländern
Auf Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU) sind verstärkte Kontrollen an Grenzen angelaufen. In Bayern etwa kontrolliert die Bundespolizei jetzt an Grenzen zu Österreich und Tschechien stärker. Das wird nach Angaben eines Sprechers für Reisende wahrnehmbar. Auch an den sächsischen, niedersächsischen und nordrhein-westfälischen Außengrenzen sind laut Bundespolizei zusätzliche Beamte im Einsatz. In Rheinland-Pfalz und im Saarland sollen die Kontrollen in Kürze anlaufen.
Wenige Stunden nach seinem Amtsantritt hatte Dobrindt angekündigt, schärfer kontrollieren und auch Asylsuchende an der Grenze zurückweisen zu lassen. Er setzt damit um, was Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für den ersten Tag seiner Regierungszeit im Wahlkampf versprochen hatte – eine Wende in der Migrationspolitik und ein "faktisches Einreiseverbot".
Dobrindt sagte, er beziehe sich auf Paragraf 18 des Asylgesetzes. Dort ist geregelt, dass die Einreise verweigert werden kann, wenn jemand aus einem sicheren Staat einreist. Alle Nachbarstaaten in Deutschland gelten als sicher. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist vereinbart, nur in Abstimmung mit Nachbarländern so vorzugehen. Dobrindt sagte, es gebe da Gespräche.
Polens Ministerpräsident Donald Tusk forderte Merz bei einem Treffen am Mittwoch auf, keine einseitigen Schritte vorzunehmen. Polen haben massiv in den Schutz der EU-Außengrenze investiert, nicht in den der Binnengrenzen, über die Pendelverkehr nicht behindert werden sollte.
Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen gegen geltendes Recht.
Die Sorge um Pendler teilen die Schweizer. Sie kritisierten das strengere Vorgehen als rechtswidrig. "Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen gegen geltendes Recht", erklärte das Schweizer Justizministerium. Die Behörden "prüfen gegebenenfalls Maßnahmen". Justizminister Beat Jans habe bereits ein Treffen dazu auf Ministerebene vorgeschlagen.
Jans hat sich bislang nicht dazu geäußert, wie die Schweiz mit zurückgewiesenen Asylbewerbern umgehen will. Deutschland hatte die Grenzkontrollen 2023 unter anderem zur Schweiz verstärkt. Dort haben Schweizer Grenzkontrolleure nach einem Bericht des Senders SRF im vergangenen Jahr rund 10.000 Menschen zurückgewiesen.
Schuster zufrieden mit Dobrindts Ankündigung
Sachsens Innenminister Armin Schuster zeigte sich zufrieden mit Dobrindts Ankündigung. Der CDU-Politiker sagte, die Intensivierung der Grenzkontrollen sei eine gute Nachricht für Sachsen und ein "längst überfälliger Schritt, den wir und andere unionsgeführte Länder lange eingefordert haben".
Auch an den Übergängen von Sachsen nach Polen und Tschechien gibt es schon seit 2023 Grenzkontrollen. Seitdem gehen unerlaubte Einreisen zurück, wie Zahlen der Bundespolizei Pirna zeigten. Bundespolizeipräsident Dieter Romann nannte die bisherigen Grenzkontrollen bereits außerordentlich erfolgreich. Dabei sei nicht nur illegale Migration eingedämmt worden. Es sei auch eine Vielzahl von Menschen aufgegriffen worden, die etwa per Haftbefehl gesucht wurden.
Die Zahl der Bundespolizisten werde an den Grenzen erhöht, kündigte Dobrindt nun an. Eine Zahl nannte er aber nicht. Der Chef der Bundespolizei-Gewerkschaft, Heiko Teggatz, forderte im Interview mit MDR AKTUELL, mindestens 3.000 zusätzliche Beamte einzustellung, um die Kontrollen und Datenerfassung sicherzustellen.
Kritik von Grünen und aus der SPD
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, kritisiert die verschärften Kontrollen. "Es wäre unverantwortlich, wenn Innenminister Dobrindt die Beamtinnen und Beamten an den Staatsgrenzen in den Rechtsbruch treibt", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Pauschale Zurückweisungen seien europarechtswidrig und stellten die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern grundsätzlich in Frage.
"Es wäre unverantwortlich, wenn Innenminister Dobrindt die Beamtinnen und Beamten an den Staatsgrenzen in den Rechtsbruch treibt.
"Das nun angekündigte massive Hochfahren von Grenzkontrollen wird außerdem zu einer nie dagewesenen Überlastung der Bundespolizei führen", sagte Mihalic. Die Bundespolizei sei nicht dafür ausgelegt, 4.000 Kilometer Grenze zu kontrollieren: "Wenn die Bundespolizei massiv an die Grenze verlegt wird, reißen Merz und Dobrindt an anderer Stelle Sicherheitslücken auf. Denn sie ziehen die Kräfte von Kriminalitätsschwerpunkten wie Bahnhöfen, aber auch von Flughäfen ab."
4.000 Kilometer Grenze wären zu kontrollieren
Dass die deutschen Grenzen mit einer Länge nicht lückenlos zu überwachen seien, erklärte der SPD-Innenexperte Lars Castellucci. Hinzu käme, dass wenn Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen würden, müsse auch der Nachbarstaat einverstanden sein. "Wenn dies nicht gesichert ist, tauchen Migranten ab und reisen später auf anderem Wege wieder ein. Damit wird die illegale Migration nur scheinbar bekämpft." Auch Castellucci sieht das Risiko, dass der humanitäre Grundgedanke an den Grenzen verletzt werde.
Um dies zu verhindern, soll laut Dobrindt nicht jeder Asylsuchende, den die Bundespolizei an der Grenze antrifft, zurückgewiesen werden. Allerdings soll allein die Tatsache, dass jemand ein Asylgesuch äußert, künftig nicht mehr automatisch eine Zurückweisung verhindern. Man strebe eine Balance zwischen "Humanität und Ordnung" an, sagt der Minister. Schwangere und Kinder werde man beispielsweise nicht zurückweisen.
Haseloff erwartet andere Migrationpolitik
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) erwartet von der neuen Regierung einen Wechsel in der Migrationspolitik. Er sagte bei MDR SACHSEN-ANHALT, es müsse wieder eine strukturierte und rechtskonforme Migrationspolitik betrieben werden. Diese müsse auch die Belastungsfähigkeit berücksichtigen – sowohl in Kommunen, bei den Bürgern als auch bei den Finanzen. Derzeit sei man überfordert.
Haseloff erklärte weiter: "Viele sehen auch, was tagtäglich an Illegalität passiert." Deutschland sei ein Rechtsstaat und die Menschen erwarteten einfach, dass dieser Rechtsstaat funktioniere, so der Landeschef.
AFP/ Reuters/ dpa (mpö)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Mai 2025 | 07:18 Uhr