Ruine vom Kloster Nimbschen
Kloster Nimbschen bei Grimma - der Stadt fehlen Fördergelder Bildrechte: imago images/Hanke

Nach Aussagen von Grimmaer Bürgermeister Ist der Staat wirklich pleite?

05. Juni 2023, 05:00 Uhr

Der Grimmaer Oberbürgermeister Matthias Berger hat in einer Online-Bürgersprechstunde behauptet, dass der Staat nahezu pleite sei und es nur niemand offen aussprechen würde. MDR AKTUELL-Hörer Thomas Schlüter aus Leipzig ist verwundert und fragt sich nun, was ist dran an der Aussagen von Berger?

In seiner letzten Online-Bürgersprechstunde platzte dem Oberbürgermeister von Grimma, Matthias Berger, der Kragen: Die Stadt habe innerhalb von 14 Tagen 30 Ablehnungen von Fördermittelanträgen erhalten, ärgerte er sich. Und Berger weiter: "Wir kriegen keinen Euro mehr. Man sollte mal aufhören, den Leuten irgendwelchen Müll einzureden. Schicht im Schacht. Geld ist alle. Dieser Staat ist pleite, ich sag' es ganz klar."

Man sollte mal aufhören, den Leuten irgendwelchen Müll einzureden.

Matthias Berger Oberbürgermeister von Grimma

Diese Worte haben nun unseren Hörer Thomas Schlüter aus Leipzig verwundert. Er hat sich deshalb an uns gewandt und fragt: Stimmt das? Ist der Staat pleite? Und gibt es deshalb weniger Fördermittel für Kommunen?

Wirtschaftswissenschaftler sieht keine Pleite

Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sagt dazu: "Nein – die Bundesrepublik ist nicht pleite. Und sie wird auch so schnell nicht pleite gehen, also insolvent oder zahlungsunfähig sein." Dies sei extrem unwahrscheinlich. Langhammer ergänzt: "Die Schulden liegen bei uns, wir können jederzeit wieder Geld drucken, um die Schulden zu bedienen, das ist möglich." Man setze auf Wirtschaftswachstum und vielleicht Steuererhöhungen. Aber dieses Szenario sei extrem unwahrscheinlich, so Langhammer.

Bestnote für Kreditwürdigkeit

Solange die Bundesrepublik die Zinsen bezahlen kann, die sie aufgrund Ihrer Verschuldung für Kredite zu zahlen hat, und solange Banken sie weiterhin als kreditwürdig einstufen, droht keine Gefahr. Und kreditwürdig ist die Bundesrepublik: dreimal A oder Triple A. Das ist die Note, die die drei großen US-Ratingagenturen zurzeit der Bundesrepublik geben. Bestnote.

Deutschland ist damit kreditwürdiger als die meisten anderen Industrienationen, auch als die USA, als Großbritannien oder Japan. Im Vergleich mit anderen Ländern ist die Bundesrepublik sogar recht wenig verschuldet, sagt der Ökonom Prof. Sebastian Gechert von der TU Chemnitz und rechnet vor, dass zu Zeiten der Finanzkrise 2010 herum der öffentliche Schuldenstand bei 82 Prozent von der gesamten Wirtschaftsleistung gelegen habe. 2022 habe der Wert bei 66 Prozent gelegen. Das seien keine historisch außergewöhnlichen Situationen. Es stehe um die Staatsfinanzen nicht ganz schlimm, betont der Ökonom.

Man kann definitiv nicht davon reden, dass es momentan ganz schlimm um die Staatsfinanzen steht.

Sebastian Gechert Ökonom an der TU Chemnitz

Verschuldung stieg während der Pandemie an

Nichtsdestotrotz, die Verschuldung der Bundesrepublik ist hoch; sie belief sich im vergangenen Jahr auf 2,57 Billionen Euro. Zwar haben die Finanzminister zuletzt viele Jahre lang das Geld zusammengehalten. Doch in der Corona-Pandemie stieg die Verschuldung erneut stark an.

Wäre es also möglich, dass der Staat aufgrund seiner hohen Verschuldung Förderprogramme zusammenstreicht und am Ende Kommunen wie Grimma leer ausgehen? Nicht direkt, erklärt Gechert, sondern indirekt über die Schuldenbremse, die 2009 ins Grundgesetz geschrieben worden sei. Die Schuldenbremse habe letztendlich die Spielräume für Investitionen eingeschränkt.

Gechert sagt, das sei eine Entscheidung, die auch in Deutschland mehrheitsfähig getroffen und mit einer 2/3-Mehrheit verabschiedet worden sei. Dazu habe man sich entschieden. Das habe dann aber auch die Konsequenz, dass möglicherweise sinnvolle Zukunftsinvestitionen gerade auf kommunaler Ebene unterbleiben müssten.

Ärger über abgelehnte Fördermittelanträge

Dass Zukunftsinvestitionen möglicherweise unterbleiben, darüber ärgert sich auch weiterhin Matthias Berger, der Oberbürgermeister von Grimma. Tatsächlich seien zuletzt 30 Fördermittelanträge abgelehnt worden, wiederholte Berger im Gespräch mit MDR AKTUELL.

Weil das Geld für ein Belüftungssystem für eine Schule nicht floss, habe die Stadt nun sogar Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht. Und Berger bleibt weiterhin bei seinem Eindruck: Der eigentliche Grund für die abgelehnten Fördermittelanträge sei die Pleite des Staates.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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