Hans-Christian Ströbele
Hans-Christian Ströbele wurde 83 Jahre alt. Bildrechte: IMAGO / Christian Spicker

Trauer Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele gestorben

31. August 2022, 17:23 Uhr

Hans-Christian Ströbele gewann für die Grünen das erste Direktmandat für den Bundestag, als Anwalt verteidigte er führende Köpfe der RAF. Nun ist der gebürtige Hallenser nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren gestorben.

Der Grünen-Politiker und langjährige Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Das teilte sein Anwalt in Berlin mit. Den Angaben zufolge starb Ströbele bereits am Montag nach langer Krankheit. Er habe sich entschieden, "dass er den langen Leidensweg, den ihm seine Erkrankung zugemutet hat, nicht mehr fortsetzen wollte, und lebenserhaltende Maßnahmen reduziert", hieß es in einer Erklärung.

Vom RAF-Anwalt zum Bundestagsabgeordneten

Der gebürtige Hallenser Ströbele war Rechtsanwalt und hatte unter anderem das führende RAF-Mitglieder Andreas Baader vor Gericht vertreten. Politisch engagierte er sich zunächst in der SPD. Die Partei schloss ihn 1975 aber aus, weil er für seine anwaltliche Tätigkeit eine Bewährungsstrafe wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung erhalten hatte.

1978 war er Mitbegründer der linken Tageszeitung "taz". Im gleichen Jahr gehörte er zu den Mitbegründern der "Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz", dem späteren Landesverband der Grünen in Berlin. 1990/91 war er Bundessprecher der Grünen. Nach dem Vorwurf des Antisemitismus wegen kritischer Äußerungen über die israelische Palästinenser-Politik bei einer Israel-Reise trat er vom dem Amt zurück.

Ströbele hatte ab 1998 fünf Legislaturperioden lang durchgehend für die Berliner Grünen im Bundestag gesessen. 2002 zog er über ein Direktmandat für Berlin-Kreuzberg ins Parlament ein und konnte es mehrfach verteidigen. 2017 trat er aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder an. Seine Anwaltskanzlei in Berlin betrieb er zunächst aber weiter.

Nicht immer auf Linie der Partei

Ströbeles Markenzeichen waren seine weißen Haare, ein roter Schal und sein Fahrrad. Bei den Grünen galt er als Parteilinker. Er scheute auch keine Auseinandersetzungen mit Parteifreunden wie dem früheren Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer. So war Ströbele gegen die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und die Hartz-IV-Reformen. International bekannt wurde Ströbele, als er den Whistleblower Edward Snowden im Exil in Moskau aufsuchte.

Grünen-Spitze trauert um Ströbele

Die Grünen-Spitze würdigte Ströbele als Vorbild. Vizekanzler Robert Habeck sagte, Ströbele habe ihm und auch vielen Menschen imponiert, mit seiner Geradlinigkeit, seinem unverrücklichen Einsatz für Bürgerrechte und soziale Politik.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt erinnerte an den "Querkopf und Freigeist" Ströbele. Er sei Parlamentarier und Grüner durch und durch gewesen, "sein Antrieb war die Verteidigung der Bürgerrechte, gegen jede staatliche Obrigkeit".

Co-Parteichefin Ricarda Lang würdigte Ströbele als großen Politiker, Rechtsanwalt und Menschen, "der unsere Partei aber auch unser ganzes Land geprägt hat". Co-Parteichef Omid Nouripour twitterte, mit Ströbele verliere die Partei "eine Ikone des Kampfs für Demokratie und Frieden".

Scholz: Deutschland verliert streitbaren Politiker - Respekt auch von Linken

Bundeskanzler Olaf Scholz Kanzler erklärte auf Twitter, Ströbeles Antrieb sei gewesen, "Politik zu machen und die Gesellschaft zu verändern". Deutschland verliere einen streitbaren Politiker, der die politische Debatte über Jahrzehnte mitgeprägt habe.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey erinnerte an Ströbele als streitbaren linken Demokraten und Vorkämpfer rot-grüner Koalitionen. Ströbele habe zu jenen gehört, die aus der Studentenbewegung den langen Weg durch die Institutionen gegangen sei. Er habe erfolgreich mitgewirkt, die Stadt und das Land zu verändern.

Auch Spitzenpolitiker der Linken erwiesen dem Grünen-Urgestein ihren Respekt. "Bis zum Schluss aufrichtig, widerständig und das mit Würde und Selbstverständlichkeit, wie es im politischen Betrieb selten ist", twitterte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte betonte, auf Ströbele sei immer Verlass gewesen - "als Politiker mit Rückgrat, mit dem man sich immer fair streiten konnte".

dpa, AFP (aju)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 31. August 2022 | 11:00 Uhr

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