"Klimaneutraler Wohlstand" wird teuer Habeck kündigt Milliarden-Förderung für klimafreundliche Heizungen an

09. März 2023, 19:17 Uhr

Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht gute Fortschritte bei der Erneuerung der Energieversorgung und der industriellen Wertschöpfung in Deutschland. Wie sich der Minister die kommenden Etappen in eine CO2-neutrale Zukunft vorstellt, skizziert Habeck anhand eines Strategiepapiers. Schnell wird klar: Wenn Deutschland seine Wirtschaft und Energieversorgung klimaneutral erneuern will, wird das ganz schön teuer. Die Opposition pocht auf Priorisierungen.

Torben Lehning
Bildrechte: MDR/Tanja Schnitzler

Weichenstellungen für den Wohlstand

Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag vor die Hauptstadtpresse tritt, wirkt es fast so, als ob er sich das verordnete Zuversichts-Mantra vom zurückliegenden Koalitionsausschuss zu eigen gemacht hätte.

"Das Tal ist durchschritten, es geht wieder aufwärts", sagt Habeck und meint damit den Ausbau von Wind- und Solarenergie. Im sogenannten Werkstattbericht seines Wirtschaftsministeriums zieht Habeck eine positive Bilanz. Parallel zur Krisenbekämpfung seien im zurückliegenden Jahr Fortschritte und Weichenstellungen vollzogen worden, um den "Wohlstand klimaneutral zu erneuern". Planungsverfahren seien beschleunigt, Investitionsverfahren verbessert worden, so Habeck weiter.

Um die deutsche Wirtschaft, wie geplant, bis 2045 klimaneutral zu erneuern, sei es jetzt notwendig, die energetische Versorgung und die industrielle Wertschöpfung zeitgleich zu reformieren, so Habeck.

Die Opposition kann dem Eigenlob nicht viel abgewinnen. Dass es für Wind und Solarenergie allmählich aufwärtsginge, läge vor allem daran, dass die Vorgängerregierung wichtige Steine ins Rollen gebracht hätte, erklärt der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jung.

Klimafreundlich soll sich lohnen

Weiter skizziert Habeck die Hausaufgaben seines Ministeriums. Auf einem Solargipfel und einem Windgipfel will der Minister in Gesprächen mit den Bundesländern und der Industrie die staatlichen Förderbedingungen für Wind- und Sonnenkraft abermals verbessern. Windkrafträder sollen schneller gebaut und mehr verfügbare Flächen ausgewiesen werden. Darüber hinaus will Habeck Mieterstrom attraktiver machen. So sollen Förderbedingungen für Solaranlagen auf dem Balkon erneuert werden.

Die angesprochenen Gipfel hält Jung für längst überfällig. Die Union habe seit Monaten Druck gemacht, die Förderbedingungen für Solarenergie auf dem Balkon und generell Bürgerenergie zu entbürokratisieren. Die Bundesregierung sei hier sehr spät dran.

Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk hängen an einem Balkon.
Die Förderung von Balkonkraftwerken soll erneuert werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Sauer

Bis zum Sommer will Habeck eine "Kraftwerksstrategie" vorlegen, die zeigen soll, wie der Ausbau und die Modernisierung von Kraftwerksleistung im Umfang von 17 bis 25 Gigawatt bis 2030 möglich ist – einschließlich der Nutzung von grünem Wasserstoff. Die deutsche Industrie soll dabei einen geringeren Preis für klimafreundlich hergestellten Strom zahlen müssen.

Sollte die Umsetzung eines günstigen Industriestrompreises so schleppend vorankommen wie bisher, sieht der industriepolitische Sprecher der Linksfraktion, Alexander Ulrich, eine große "Gefahr für hunderttausende Arbeitsplätze".

Gegen Ende der Pressekonferenz des Wirtschaftsministers, kommt Habeck nochmal auf die Wärmewende, also das geplante Verbot von neuen Öl- und Gas-Heizungen ab 2024, zu sprechen.

Streitpunkt Wärmewende

Die erregte Debatte über seinen gemeinsamen Vorstoß mit Bauministerin Klara Geywitz ärgert Habeck sichtlich. Es ginge explizit nur um neue Heizsysteme, die ab 2024 eingebaut werden müssten. Niemand wolle Öl und Gasheizungen generell verbieten. So lange diese funktionstüchtig seien, könnten sie auch weiter betrieben werden.

Niemand rennt in den Keller und reißt das raus.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne)

Ab 2024 sollen neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Das geht Expertinnen und Experten zufolge nur mit Wärmepumpen. Deren Einbau ist teurer als der Einbau von Öl- und Gasheizungen. Darüber hinaus sind auch längst nicht alle Wohnhäuser mit einer passenden Dämmung versehen, die Wärmepumpen zu rentablen Ersatz-Wärmequellen macht.

Kein soziale Klima-Frage

Der klimafreundliche Umtausch dürfe nicht zu sozialen Problemen führen, so Habeck. Der Minister plant ein milliardenschweres Förderpaket, das Menschen mit geringem Einkommen die neue Wärmepumpe quasi zum Ölheizungspreis ermöglichen soll. Habeck spricht von einer "weitestgehenden Überbrückung" der Preisdifferenz. Konkreter wird er nicht. Da Wärmepumpen in ihrer Anschaffung etwa drei Mal so teuer sind wie eine Öl- oder Gasheizung, kämen dadurch enorme Kosten auf den Bund zu.

Fragliche Finanzierung

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Torsten Herbst, kann sich nicht erklären, wo Habecks Ministerium dieses Geld auftreiben will.  

Torsten Herbst, MdB, FDP-Obmann im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Torsten Herbst Bildrechte: imago images/Metodi Popow

Für uns ist klar: ohne eine klare Aufstellung über die technische Realisierbarkeit der Pläne und eine konkrete Kostenaufstellung, können wir den Plänen nicht zustimmen.

Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion

Da die FDP weder Schulden aufnehmen noch Steuern erhöhen will, könnte es mit den Plänen Habecks sehr eng werden. Eine Möglichkeit wäre es, die Reste des 200 Milliarden Euro schweren Doppelwumms-Fonds für die Energiepreisbremsen anzuzapfen. Wohlwissend, dass man hier über noch nicht ausgegebene Schulden spräche. Das könnte verfassungsrechtlich schwierig werden, warnt Herbst. Er empfiehlt den 100 Milliarden Euro schweren Klimatransformationsfonds zu nutzen. Zusätzliche Haushaltsmittel seien nicht vorhanden, so Herbst.

Für Habeck scheint indes festzustehen, dass für die Einhaltung der klimapolitischen Zielvorgaben so viel Geld ausgegeben werden muss, wie es nötig ist.

Die politische Logik sagt: Die finanziellen Möglichkeiten, die gebraucht werden, müssen bereitgestellt werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne

Kritik an seinem geplanten Verbot will der Minister am Donnerstagmorgen nicht gelten lassen. Die Wärmewende sei zwingend. Deutschland müsse bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien jetzt das nachholen, was über Jahre hinweg versäumt worden sei. 

Opposition fordert weniger Verbote

Auffällig ist, dass auch die Opposition für die Wärmewende eintritt. Unionssprecher Jung fordert die Bundesregierung dazu auf Priorisierungen vorzunehmen. Beim Klima könne man jetzt keine Abstriche mehr machen. Das Geld müsse daher von anderen Projekten abgezogen werden, etwa beim Vorhaben der Bundesregierung die Kommunen zu entschulden.

Nur auf Wärmepumpen zu setzen hält Jung hingegen für einen Fehler. Es brauche nicht nur Strategien für Windkraft, Solarenergie und Wärmepumpen. Viele Häuser könnten auch mit Biogasanlagen beheizt werden. Was rentabel sei und was nicht, sollte nicht Habeck entscheiden, sondern "der Häuslebauer".

Bei Habeck steht im Vordergrund: vorschreiben und verbieten. Damit wir im Gebäudebestand vorankommenn braucht es fördern und fordern.

Andreas Jung, Energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion

Ein Abwägen der Kosten

Milliardenschwere Subventionen würde schon alleine die Wärmewende benötigen. Dazu kommen noch bessere Förderbedingungen für Solar- und Windkraft sowie Industriestrom und die Kraftwerkstrategie. Der Schuldenbremse und all jenen, die sie verteidigen, dürfte angesichts dieser kostspieligen Vorhaben Angst und Bange werden. 

Klar ist, ohne schwere Einschnitte in die bisherige Energie und Industriepolitik, wird Deutschland das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften, krachend verfehlen. In der Lesart des Ministers und der größten Oppositionsfraktion im Bundestag, würde das auch den Wohlstand der Bundesrepublik gefährden.

Die Kosten im Falle eines ungebremsten Klimawandels kämen die Bundeskasse ungleich teurer zu stehen. Laut Expertinnen und Experten des Bundesumweltministeriums könnten sich diese Kosten bis 2050 auf im schlimmsten Falle 910 Milliarden Euro belaufen. Eine Zahl, die zum Nachdenken anregt.

Ob die Bundesregierung ihre Wärmewende am Ende auch tatsächlich so sozial gestaltet, wie jetzt angekündigt, ist dabei mehr als fraglich. Gefördert werden müssten hierbei nicht nur Wärmepumpen, sondern auch Energieberater und Wärmedämmung. Sonst könnte es passieren, dass manche Wohneinheiten trotz neuer Anlagen ihre Bewohnerinnen und Bewohner zum Frösteln und die Energiepolitik der Ampel zum Scheitern bringen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 09. März 2023 | 10:00 Uhr

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