Eine Aerztin haelt am 06.01.2017 in einer Arztpraxis in Hamburg Geld und ein Stethoskops in den Haenden (gestellte Szene).
Viele Selbstzahlerleistungen beim Arzt haben wenig medizinischen Nutzen. Bildrechte: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose

Igel-Monitor 2023 Krankenkassen warnen vor Abzocke bei Selbstzahlerleistungen

28. April 2023, 11:03 Uhr

Viele Patienten in Deutschland erhalten von ihren Ärzten weiterhin Leistungen zum Selbstzahlen angeboten, die aus Sicht von Medizinexperten der Krankenkassen nutzlos sind oder sogar schaden. Negativ bewertet wurden zum Beispiel Ultraschalluntersuchungen zur Krebsfrüherkennung bei Frauen oder Blutwäsche und Sauerstofftherapie bei Long Covid.

Viele Patienten erhalten von Ärzten weiterhin Leistungen zum Selbstzahlen angeboten, die aus Sicht der Krankenkassen nutzlos sind oder sogar schaden. Das geht aus dem sogenannten "IGeL-Monitor" 2023 hervor, den der Medizinische Dienst Bund in Berlin vorstellte, der die Krankenkassen berät.

Lichttherapie und Akupunktur: Die einzigen "tendenziell positiven" IGel-Leistungen

Darin heißt es, das Geschäft mit individuellen Gesundheitsleistungen – kurz IGeL – laufe auf hohem Niveau. Bewertet habe man 55 Selbstzahlerleistungen. Davon sei keine als positiv bewertet worden. Der überwiegende Teil sei mit unklar, tendenziell negativ oder negativ bewertet worden.

Nur zwei seien der Leistungen seien "tendenziell positiv". Das waren die Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung, einer sogenannten Winterdepression, und Akupunktur zur Migräneprophylaxe.

Das bietet der IGel-Monitor

Unter www.igel-monitor.de erhalten Versicherte auf Studien basierte Bewertungen zu sogenannten Selbstzahlerleistungen in der ärztlichen Praxis. Das Portal des Medizinischen Dienstes Bund bietet eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für oder gegen die Inanspruchnahme von IGeL. Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer Selbstzahlerleistung recherchieren die Wissenschaftler in medizinischen Datenbanken und werten diese aus.

Erklärt wird auch, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei Symptomen übernommen werden. Informiert wird auch über die Preisspanne der IGeL. Zudem gibt es Tipps, wie sich Versicherte verhalten können, wenn ihnen IGeL angeboten werden.

Falsch-positive Befunde bei Ultraschall zur Krebsfrüherkennung bei Frauen

Die Experten bewerteten etwa die meistverkauften Selbstzahlerleistungen Ultraschall der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung negativ beziehungsweise tendenziell negativ. Sie erklärten, bei dieser Untersuchung könne es häufig zu falsch-positiven Befunden und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen. Oft würden junge Frauen völlig unnötig in Angst versetzt.

Diese Leistung dürfte überhaupt nicht mehr angeboten werden, wenn man Patientensicherheit ernst nimmt.

Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Diensts Bund

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Es war eine bahnbrechende Entdeckung: Gebärmutterhalskrebs – eine der häufigsten Krebserkrankungen für Frauen. Doch eine Impfung schützt nicht nur Frauen vor Krebs; auch Männer profitieren von ihr.

MDR FERNSEHEN Mo 09.03.2020 11:38Uhr 03:42 min

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Skepsis bei Blutwäsche und Sauerstofftherapie gegen Long Covid

Sehr skeptisch bewerteten die Experten Angebote zur Behandlung von Long-Covid. Sowohl die Blutwäsche "Apherese" als auch eine Sauerstofftherapie würden gegen mehrere Tausend Euro angeboten. Dabei habe man zur Blutwäsche in medizinischen Datenbänken gar keine Studie gefunden. Zur Sauerstofftherapie habe man eine Studie gefunden, aus der aber kein Nutzen abgeleitet werden konnte.

Junge Patienten wissen wenig über Selbstzahlerleistungen

Besorgt zeigten sich die Autoren auch wegen der gestiegenen Nachfrage nach Igel-Leistungen durch junge Patienten. Diese seien bereit, dafür Geld auszugeben und nutzten Pauschal- und Kombiangebote in den Praxen. Viele von ihnen wüssten aber wenig über Nutzen und Schaden der angebotenen Leistungen.

Nur jeder Vierte kennt verbindliche Regeln für IGeL-Verkauf durch Ärzte

Die Experten des Medizinischen Diensts Bund fordern, Patienten besser zu informieren. Sie hatte 6.000 Versicherte im Alter von 20 bis 69 Jahren befragt. Fast 80 Prozent von ihnen gaben an, Selbstzahlerleistungen zu kennen.

Nur gut jeder Vierte wusste aber, dass es verbindliche Regeln beim Verkauf von Selbstzahlerleistungen durch Ärzte gibt. Dazu gehört, dass Patientinnen und Patienten über den wahrscheinlichen Nutzen und mögliche Risiken oder Schäden aufzuklären sind.

Über den Nutzen wurden etwas mehr als drei Viertel informiert, über mögliche Schäden nur gut die Hälfte. Fast jeder Fünfte gab sogar an, dass seine Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer Selbstzahlerleistung abhängig gemacht worden sei.

dpa, KNA,AFP (jks)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. April 2023 | 14:00 Uhr

9 Kommentare

Anni22 vor 51 Wochen

@ Qunetin es gibt solche und solche Ärzte. Geht schon bei den Preisen los, bei einem 15 Euro beim anderen 50 Euro für die gleiche Leistung. Lehnt man zum Beispiel kostenpflichtige Augendruckuntersuchung ab, da hab ich auch schon gehört, "Na wenn Sie blind werden wollen"... damals konnte man wenigstens den Arzt noch wechseln, heute ist meist so ein Notstand, das man froh ist überhaupt einen Arzt zu haben. Und nochmal, wenn diese Untersuchen nützlich sind, dann wäre es die Pflicht der Krankenkassen, diese auch zu zahlen.

Quentin aus Mondragies vor 51 Wochen

Naja. Aus meiner Erfahrung wird bei Ärzten bislang vernünftig über IGel -Leistungen aufgeklärt. Warum soll ein Arzt, der ein Ultraschallgerät stehen hat, nicht auch vorbeugende Untersuchungen anbieten. Ich bevorzuge in manchen Situationen einen falsch positiven Befund gegenüber einem falsch negativen. Man muss halt den Patienten klar kommunizieren, was die Sensitivität/Spezifität der Diagnose ist. Ich denke, das diese Erklärung in einfacher Sprache bei den IGel Leistungen manchmal fehlt. Diese Verfahren haben halt geringere Erfolgsaussichten gegenüber kassenärztlichen Leistungen bzw. sorgen für zusätzlichen Komfort bei Untersuchungen/Therapien.
@MDR: Vielleicht wäre ein Hinweis hilfreich an wen man sich bei nicht sorgsamer Aufklärung/Abzocke wenden soll. Die Krankenkassen können es ja nicht sein.

Spendeblut vor 51 Wochen

Das der ehemalige medizinische Dienst der Krankenkassen Igel Leistungen nicht für sinnvoll hält ist ja wohl auch logisch. Würde er sagen eine Leistung ist sinnvoll müsste die Krankenasse es ja auch übernehmen.
Die Fragestellungen beim Igel Monitor sind auch nicht die für die ein Arzt eine Igel Leistung anbietet. Keiner bietet es doch einem gesunden ohne Verdacht auf eine Erkrankung an um im blinden rumzustochern.

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